Terroranschlag in Ankara: Türkische Gemeinde warnt vor Gewalt in Deutschland
Berlin - Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, hat nach dem verheerenden Bombenanschlag in Ankara und einer zunehmenden Eskalation in der Türkei vor gewaltsamen Auseinandersetzungen auch in Deutschland gewarnt.
„Als Erdogan Staatspräsident wurde, hat diese Polarisierung in Deutschland angefangen“, sagte er am Sonntag der Berliner Zeitung. „So bald in der Türkei etwas passiert, gehen die Leute auf die Straße. Und so wie die Stimmung jetzt gerade in der Türkei ist, befürchte ich eine weitere Eskalation auch hier.“ Sofuoglu fuhr fort: „Ich beobachte, dass in den sozialen Medien sehr schnell von allen Seiten zu Demonstrationen aufgerufen wird, die gar nicht genehmigt sind. Und sowohl auf türkischer als auch auf kurdischer Seite entwickeln sich verschiedene Gruppierungen.“
Gewalttätige Verteidiger des Türkentums
So gebe es auf der einen Seite so genannte Osmanen in Deutschland, die sich als gewalttätige Verteidiger des Türkentums bezeichneten, und auf der anderen Seite Anhänger von „Apo“, die bei Demonstrationen vermummt aufträten und auf ihren Plakaten teilweise von Vergeltung sprächen. „Apo“ ist der Kosename seiner Anhänger für den inhaftierten Führer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan. Beide Gruppen seien zwar in der Minderheit, betonte der Chef der Türkischen Gemeinde, fügte jedoch hinzu: „Wie sagt man in Deutschland? Wehret den Anfängen.“
Die Türkische Gemeinde versuche jedenfalls, dieser Entwicklung entgegen zu wirken. Schließlich könne man sich in Deutschland in Ruhe auseinandersetzen, ohne dass man von Streitkräften verprügelt werde.
Unmittelbar nach dem Anschlag in der Türkei hatten in mehreren deutschen Städten Tausende Kurden und Sympathisanten gegen den Terror demonstriert. Bei Kundgebungen machten Teilnehmer den türkischen Staat und den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan für die Tat verantwortlich. „Kein Beileid für Erdogan aussprechen, denn er ist der Täter“, stand auf einem Schild bei einer Demonstration am Samstag in Hamburg. Die größte Kundgebung wurde aus Stuttgart gemeldet, wo spontan etwa 5000 Menschen auf die Straße gingen.
In Hamburg beteiligten sich 1500 überwiegend Kurden, in Berlin 1000 und in Mannheim und Stuttgart jeweils etwa 700. „Sag Nein zum Staatsterror“, forderten 200 Teilnehmer in Karlsruhe. In Heilbronn kamen etwa 350 Menschen zu einer Demo der Kurdischen Gemeinschaft. Auch in Dresden, Ulm, Heidenheim und Pforzheim wurde demonstriert. Zwischenfälle wurden nicht bekannt.
Erdogan kein Stabilitätsfaktor
Der Anschlag lässt überdies die Debatte über die Einstufung der Türkei als sicheren Herkunftsstaat in einem neuen Licht erscheinen. Erdogan fordert sie als Zugeständnis für ein mögliches Entgegenkommen in der Flüchtlingsfrage. Die CSU, die die Türkei seit langem kritisiert, schließt sich dem an. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte dieser Zeitung dagegen: „Weder Deutschland noch die EU dürfen sich zum Handlanger Erdogans machen, der sein Land in eine Krise stürzt, um an der Macht zu bleiben.
Erdogan ist kein Stabilitätsfaktor, sondern eine personifizierte Fluchtursache. Über sichere Herkunftsstaaten kann man mit demokratisch gewählten Regierungen in Demokratien reden, nicht mit autoritären Herrschern, an deren Händen Blut klebt.“