Türkei stellt Auslieferungsantrag gegen Mann aus Köln: Festnahme in der Ukraine
Berlin - Wieder ein Auslieferungsantrag der Türkei für einen deutschen Staatsbürger, wieder Unsicherheit, wieder neuer Ärger zwischen Ankara und Berlin – nur der Schauplatz hat sich geändert.
Kurz vor der für den späten Mittwochabend geplanten Rückkehr des Autors Dogan Akhanli aus Spanien nach Köln, hat die Bundesregierung bestätigt, dass ein weiterer Deutscher aus Köln im Ausland festsitzt. Der 52 Jahre alte Kemal K. muss fürchten, dass ihn die ukrainischen Behörden demnächst in die Türkei ausweisen.
Kemal K. darf die Ukraine nicht verlassen
Kemal K. wurde am 23. Juli von der Polizei bei der Einreise in die Ukraine, dem Heimatland seiner Ehefrau, festgenommen. Der Grund dafür war offenbar ein Eintrag in einer Liste der internationalen Polizeiorganisation Interpol, mit dem die Türkei die Auslieferung des Mannes fordert. Kemal K., der in der Türkei Mitglied der kommunistischen Partei war, aber politisch nicht mehr aktiv sein soll, kam 2007 nach Deutschland. Nach Informationen dieser Zeitung wurde ihm 2010 politisches Asyl gewährt. Seit 2016 besitzt er neben der türkischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit.
Drei Tage nach seiner Festnahme in der Ukraine habe es ein Bezirksgericht in der Hauptstadt Kiew abgelehnt, Kemal K. in Auslieferungshaft zu nehmen, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin. K. sei auf freiem Fuß, dürfe aber die Ukraine nicht verlassen, bis die dortigen Behörden über den Auslieferungsantrag der Türkei entschieden hätten. Das kann sich bis Ende November hinziehen. Die deutsche Botschaft sei in Kontakt mit den Rechtsanwälten des Mannes. Zu den Vorwürfen, die die Türkei gegen Kemal K. erhebt, wollte sich die Sprecherin nicht äußern.
Er soll in zwei Morde verwickelt sein
Die türkischen Behörden werfen K. nach deutschen Medienberichten vor, in zwei Morde in der Türkei verwickelt zu sein. Angeblich ist ein Kopfgeld von 350 000 Euro auf den Mann ausgesetzt. Die Vorwürfe haben auch schon die deutsche Justiz beschäftigt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe, so heißt es, habe seiner Auslieferung in die Türkei nicht zugestimmt, weil „erhebliche Zweifel am Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts“ bestünden.
Unklar ist bislang, warum K. die Reise in die Ukraine angetreten hat, obwohl er offenbar um die Gefahr wusste. Die Generalstaatsanwaltschaft Köln hatte ihn nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung vor einer Auslandsreise gewarnt. Er müsse wegen des Eintrags bei Interpol mit seiner Festnahme rechnen.
Fall erinnert an Dogan Akhanli
Der Fall erinnert an den Kölner Schriftsteller Dogan Akhanli. Der türkisch-stämmige Autor, der im Gegensatz zu K. aber ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, war am 19. August während seines Urlaubs in Spanien festgenommen worden. Auch Akhanlis Name war auf einer Interpol-Liste verzeichnet. Am Tag danach wurde er zwar freigelassen, durfte aber Spanien nicht verlassen. Erst Ende vergangener Woche beschloss die spanische Justiz, den Kölner nicht an die Türkei auszuliefern. Akhanli sollte am späten Mittwochabend nach Deutschland zurückkehren.
Ob die ukrainischen Behörden ähnlich entscheiden werden wie die spanische Justiz, lässt sich noch nicht sagen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Anfang des Monats Kiew besucht. Er versicherte dort, Ankara unterstütze die territoriale Unverletzlichkeit der Ukraine und erkenne den Anschluss der Krim an Russland nach wie vor nicht an. Allerdings ist fraglich, ob das Einfluss auf die ukrainische Entscheidung über eine mögliche Auslieferung des Kölners hat. Die Ukraine strebt außenpolitisch eine Integration in Europa an und hat ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet.