In Syrien droht militärischer Konflikt zwischen der Türkei und Russland

In Syrien eskaliert die militärische Auseinandersetzung zwischen der Türkei und der von Russland unterstützten Syrischen Armee. Die Nato ist besorgt über die Entwicklung.

Ankara/Brüssel/Damaskus-Syrische Regierungstruppen haben am Dienstag zum ersten Mal seit 2012 die Kontrolle über eine wichtige Autobahn im Nordwesten Syriens übernommen. Sie hatten ihre Offensive gegen die letzten islamistischen Milizen in den Hochburgen in der Provinz Idlib und um Aleppo forciert, berichtet Reuters in seinem englischsprachigen Dienst.

Die Präsidenten Putin und Erdogan. 
Die Präsidenten Putin und Erdogan. Foto: dpa

Reuters beruft sich auf britische Quellen und berichtet, die Regierungstruppen hätten die gesamte Länge der Autobahn M5 eingenommen, nachdem sie Militanten von ihrem letzten Posten auf der Straße vertrieben hatten. Die M5 führt von Aleppo im Norden in die Hauptstadt Damaskus und weiter in den Süden von Deraa.

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Der jüngste Vormarsch der von Russland unterstützten Syrischen Armee erfolgte, nachdem in der vergangenen Woche 13 türkische Soldaten in der Region Idlib getötet worden waren. Dies hatte zu den bisher schwersten Auseinandersetzungen zwischen Ankara und Damaskus während des Krieges geführt. Syrien hat Russland nach dem Beginn des Krieges um militärische Unterstützung gebeten.

Ankara hat erneut Tausende von Soldaten mobilisiert, um den syrischen Vormarsch zu stoppen, so Reuters. Die New York Times berichtet von einer Eskalation der militärischen Auseinandersetzung. 

Der türkische Staatssender TRT Haber berichtete am Dienstag, dass von türkischen Rebellen unterstützte Kämpfer einen Hubschrauber abgeschossen haben, der vermutlich der syrischen Regierung in der Stadt Nairab gehört.

Eine russische Delegation war am Samstag nach dem Anschlag in Ankara eingetroffen, um Gespräche zur Beendigung der Zusammenstöße zu führen. Am letzten Verhandlungstag wurden bei einem zweiten syrischen Angriff auf türkische Truppen im Gebiet Taftanaz fünf weitere türkische Militärangehörige getötet.

Ankara sagte, dass es für beide Angriffe Vergeltung geübt und mehrere syrische Ziele zerstört habe. Die Türkei hat der syrischen Regierung ein Ultimatum bis Ende Februar gesetzt, um sich zurückzuziehen.

Die russische Delegation hat die Türkei wieder verlassen, nachdem die Gespräche am Montag ohne Einigung beendet worden waren, teilte eine türkische diplomatische Quelle Reuters mit.

Der Kreml sagte am Dienstag, alle Angriffe auf russische und syrische Streitkräfte in Idlib müssten aufhören, berichtet die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS.

Die Lage ist kritisch, weil die unter Druck geratenen Söldner-Verbände Zivilisten als menschliche Schutzschilde gegen Luftangriffe der Russen und der syrischen Armee verwendet – eine Praxis, die die Kämpfer bereits während des gesamten Syrien-Kriegs angewandt hatten. Laut Reuters sollen sich 700.000 Menschen auf der Flucht befinden. Sie können jedoch nicht nach Norden, weil die Türkei ihre Grenzen für Flüchtlinge geschlossen hat.

„Dies ist nach unserer ersten Analyse die größte Zahl von Menschen in einem einzigen Zeitraum seit Beginn der Syrienkrise vor fast neun Jahren“, sagte Jens Laerke, Sprecher der OCHA-Hilfsorganisation der Vereinten Nationen, zu Reportern in Genf.

Der Sprecher des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, Andrej Mahecic, sagte Reuters, dass das raue Winterwetter das Leiden der Flüchtlinge verschlimmere und es schwierig sei, für sie feste Unterkünftige zu finden. Zahlreiche Moscheen seien bereits überfüllt, sagt der Sprecher. 

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat für Mittwoch eine Verlautbarung von weiteren militärischen Maßnahmen angekündigt.

Ein türkischer Politiker forderte Präsident Tayyip Erdogan auf, noch weiter zu gehen.

"Es wird keinen Frieden geben, bis Assad von seinem Thron gestürzt wird. Die Türkei muss jetzt Pläne starten, um gegen Damaskus vorzurücken und die Grausamen zu vernichten", sagte Devlet Bahceli, Vorsitzender der nationalistischen Erdogan-Partnerpartei.

Zeugen und Kämpfer berichteten am Dienstag laut Reuters, dass eine neue Kolonne türkischer Verbände, darunter Panzer, Raketenwerfer und gepanzerte Fahrzeuge, über Nacht die Grenze nach Idlib überquert habe.

Zugleich haben von der Türkei unterstützte syrische Rebellen eine neue Offensive gegen die Regierungstruppen in der Nähe der von der Armee kontrollierten Städte Saraqeb und Nairab gestartet, um die Truppen aus der Stadt Idlib zurückzudrängen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte sich am Dienstag laut Daily Sabah besorgt über die Entwicklungen in Syrien: „Wir haben wahllose Beschießungen von zivilen Zielen gesehen und wir verurteilen dies“, sagte Stoltenberg Reportern vor einem Treffen der NATO-Verteidigungsminister, das am Mittwoch beginnt.

„Ich bin sehr besorgt über die Situation in Idlib, weil wir schreckliche Angriffe auf Zivilisten gesehen haben. Wir haben erneut gesehen, dass Hunderttausende Menschen zur Flucht gezwungen wurden“, fügte er hinzu.

Stoltenberg forderte Syrien und Russland auf, die Angriffe in Idlib zu stoppen, und erklärte, dass das Thema auf dem Treffen der Verteidigungsminister angesprochen werden soll.

„Wir fordern Assad und Russland auf, diese Angriffe zu unterbinden, das Völkerrecht zu achten und die Bemühungen der Vereinigten Nationen um eine friedliche Lösung uneingeschränkt zu unterstützen“, sagte Stoltenberg laut der türkischen Zeitung Sabah.