TV: Berliner Runde: Schleichwerbung für die große Koalition
In der Berliner Runde von ARD und ZDF saßen am Donnerstagabend Ursula von der Leyen und Sigmar Gabriel, Gregor Gysi und Rainer Brüderle, Katrin Göring-Eckardt und Gerda Hasselfeldt um einen runden Tisch und führten 90 Minuten lang eine ziemlich lebendige Debatte über einige der wichtigsten Themen der nächsten Jahre. Interessant: In so einem Format, in dem es weniger auf Lautstärke und platte Sprüche ankommt als auf einige schlüssige Sätze zur Begründung einer Haltung, kann eine ruhig argumentierende Katrin-Göring-Eckardt von den Grünen mehr punkten als ein hemdsärmlig polemisierender Rainer Brüderle von der FDP. Da ist es ihr bei der Brüllerei in Jauchs verunglückter Sendung am Sonntagabend ganz anders ergangen.
Und während Brüderle das gar nicht merkt, schalten CDU-von der Leyen und SPD-Gabriel ganz schnell um und werden zu sachlichen Diskutanten. Gregor Gysi, der Mann mit der schnellen Zunge von der Linken, kommt auch nicht so zum Zuge wie sonst und verlegt sich schließlich darauf, seine Kommentare deutlich hörbar in sein Mikrofon zu hauchen: „Das ist die Kapitulation“ klingt es wie eine Geisterstimme zu der Versicherung Gabriels, ganz bestimmt noch nicht an eine große Koalition zu denken. Mindestlohn und Altersarmut, soziale Gerechtigkeit und Euro-Krise, PKW-Maut und Kinderbetreuung – wer gut zuhört, kann eine ganze Menge über die unterschiedlichen Positionen der Parteien in der von Schausten und Deppendorf ziemlich stringent und ohne Mätzchen geleiteten Debatte erfahren.
Konfliktthemen: Maut, Betreuungsgeld, Vorratsdatenspeicherung
Von der Leyen und Gabriel, das ist das interessanteste Paar an diesem Abend: Sie verweist darauf, dass man doch viele Dinge einst gemeinsam in der großen Koalition beschlossen habe, er wirbt darum, in den großen Fragen wie Reform der Pflege- und der Rentenversicherung doch wie in den alten BRD-Zeiten wieder zu gemeinsamen Lösungen zwischen den großen Parteien zu kommen. „Da stimme ich zu“, antwortet die stellvertretende CDU-Vorsitzende und lächelt Gabriel so strahlend an, dass dessen Frau unruhig werden könnte. Klar ist auf jeden Fall: Zwischen CDU und SPD stehen die Zeichen auf Verständigung, sollten sie ab Sonntagabend über eine Zusammenarbeit verhandeln müssen.
Auf der anderen Seite führen vor allem Brüderle und Hasselfeldt noch einmal vor, weshalb Schwarz-Gelb eigentlich so gar nicht zusammenpasst: Die CSU-Frau Hasselfeldt, die schwächste Erscheinung in dieser Runde (weshalb darf die Union eigentlich immer mit zwei Leuten kommen – die CSU tritt doch nur in Bayern an?) besteht auf der PKW-Maut, Brüderle sagt, da halte er gar nichts von, das sei ein falscher Weg. Das Betreuungsgeld stehe nicht zur Disposition, sagt Hasselfeldt, darüber müsse man noch einmal verhandeln, sagt Brüderle. Die Vorratsdatenspeicherung sei Bedingung für eine neue Koalition, sagt Hasselfeldt, kommt gar nicht in Frage, sagt Brüderle. Und die wollen zusammen regieren?
Am Ende fordern die Moderatoren Schausten und Deppendorf die sechs Politiker auf, das Abschneiden ihrer Parteien vorauszusagen. 30 plus, wagt sich Gabriel vor. 10 plus, sagt Gysi. Brüderle: Besser als die Umfragen, Göring-Eckardt: Besser als letztes Mal – eine einzige Versammlung von Wunschdenkern. Nur von der Leyen und Hasseldfeldt treffen exakt die kurz danach veröffentlichte, für die Union günstige Prognose des Politbarometers: 40 Prozent, sagen sie. So ein Zufall.