Bericht: Pentagon blockiert Zusammenarbeit mit Haager Tribunal zu russischen Kriegsverbrechen
Das Tribunal bei Ermittlungen gegen Russland zu unterstützen, würde einen Präzedenzfall schaffen, der gegen US-Soldaten angewandt werden könnte, so die Befürchtung.

Das Pentagon hindert die Regierung von Joe Biden offenbar daran, dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) Beweise zur Verfügung zu stellen, die von amerikanischen Geheimdiensten über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine gesammelt wurden. Das berichtet die New York Times (NYT) unter Berufung auf Aussagen von früheren sowie aktuellen US-Militärbeamten.
Dem Gericht in Den Haag bei den Ermittlungen gegen die Russen zu helfen, würde einen Präzedenzfall schaffen, der gegen US-Soldaten – möglicherweise sogar gegen US-Präsidenten - angewandt werden könnte, befürchtet das US-Verteidigungsministerium. Das Weiße Haus und das Außenministerium haben die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof befürwortet, doch Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III sei strikt dagegen, berichtet die NYT – Joe Biden müsse noch eine endgültige Entscheidung treffen.
Es gehe dabei um Beweise, die für eine Untersuchung relevant sind, die der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan, nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine vor einem Jahr eingeleitet hatte. Zu den Informationen gehören auch Details über Entscheidungen russischer Beamter, gezielt zivile Infrastrukturen anzugreifen und ukrainische Kinder aus den besetzten Gebieten zu entführen.
Im vergangenen Dezember hatte der US- Kongress die seit langem bestehenden rechtlichen Beschränkungen für die Zusammenarbeit mit Den Haag bei Ermittlungen und eventuellen Strafverfolgungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine aufgehoben. Die Zurückhaltung des Verteidigungsministeriums stößt entsprechend auf Kritik.
John Bellinger: Internationaler Strafgerichtshof als Nachfolger der Nürberger-Tribunale
Senator Lindsey Graham, Republikaner aus South Carolina, der den Kongress im vergangenen Jahr dazu gebracht hatte, die Beschränkungen für die Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs zu lockern, sagte, das Verteidigungsministerium habe sich gegen eine Gesetzesänderung gewehrt, die mit überwältigender Mehrheit verabschiedet wurde, und versuche nun, den Geist des Gesetzes zu untergraben. „Mir scheint, dass das Verteidigungsministerium hier das Problemkind ist. Je schneller wir die Informationen in die Hände des Internationalen Strafgerichtshofs bekommen, desto besser wird es der Welt ergehen“, so Graham.
Die NYT zitiert John Bellinger, ehemaliger Jurist des Nationalen Sicherheitsrates und des Außenministeriums während der Bush-Regierung: „Ich denke auch, dass das Verteidigungsministerium den IStGH nicht nur unter in einer defensiven Perspektive betrachten sollte, also wie dieser uns schaden könnte.“ Die USA sollten vielmehr darüber nachdenken, wie das Haager Gericht zum Nachfolger der Nürnberger Tribunale werden könne und zum Instrument zur Untersuchung und Verfolgung russischer Kriegsverbrechen, so Bellinger.
Auch die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Adrienne Watson, sagte in einer Stellungnahme: „Die russischen Streitkräfte haben in der Ukraine Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, das ukrainische Volk verdient Gerechtigkeit.“ Die Vereinigten Staaten unterstützen eine Reihe von Untersuchungen, um die Verantwortlichen zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen, unter anderem das Büro des ukrainischen Generalstaatsanwalts und die Vereinten Nationen, die im Rahmen des ‚Moskauer Mechanismus‘ der OSZE eingerichtete Expertenkommission sowie den Internationalen Strafgerichtshof, so Watson.
US-Vizepräsidentin Kamala Harris: Die USA unterstützen die Justiz in der Ukraine
Ählich hatte sich US-Vizepräsidentin Kamala Harris bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar geäußert, als sie versicherte, die USA würden „die Justiz in der Ukraine und die internationalen Ermittlungen weiterhin unterstützen, weil der Gerechtigkeit Genüge getan werden muss“.
Harris ging zwar nicht auf die Zusammenarbeit mit dem IStGH ein, das tat aber letzte Woche Beth van Schaack, US-Botschafterin für globale Strafjustiz bei den Vereinten Nationen, auf einer Konferenz in Lwiw: Die Vereinigten Staaten würden die Ermittlungen des IStGH-Anklägers unterstützen, sagte sie.
Vertreter des Pentagons, des Außenministeriums, des Justizministeriums sowie des Büros des Direktors des Nationalen Nachrichtendienstes reagierten bisher nicht auf Bitten um eine Stellungnahme durch die New York Times.
