Visum abgelehnt: Junge Russen dürfen nicht nach Deutschland, weil sie wehrpflichtig sind
Der Ukraine-Krieg hat eine Einreise nach Deutschland für Russen fast unmöglich gemacht. Eine Begründung für die Ablehnung scheint gerade besonders verbreitet zu sein.

Wer als russischer Staatsbürger derzeit kurzfristig nach Deutschland will – zu touristischen Zwecken oder um etwa einen Deutschkurs zu machen –, muss viele Voraussetzungen erfüllen.
Nachdem die EU im vergangenen Jahr das Visaerleichterungsabkommen mit Russland ausgesetzt hat, brauchen die Reisenden nach Deutschland und in andere EU-Länder zum Beispiel ein Konto bei einer europäischen Bank: ein Konto bei einer russischen Bank genügt nicht mehr. So will die EU auf Nummer sicher gehen, dass ein russischer Tourist zahlungsfähig ist.
Doch nicht nur die Zahlungsfähigkeit wird derzeit viel strenger geprüft. Ein russischer Student hat vor Kurzem ein Schengen-Visum für Deutschland über die Botschaft in Moskau beantragt – und wurde abgelehnt, obwohl er für die Reise nach eigenen Angaben genug Geld auf einem entsprechenden Konto hatte. Die Begründung der Absage liegt der Berliner Zeitung vor.
„Sie sind in Russland potenziell von der Teilmobilisierung betroffen“
Laut dem Dokument hat die Rückkehrbereitschaft des jungen Mannes nach Russland bei der Prüfung des Visumantrages die Behörden nicht überzeugt. „Bei der Prüfung der Rückkehrbereitschaft hat die in den letzten Monaten radikal veränderte Situation sowie die politische und die wirtschaftliche Isolation Ihres Heimatlandes eine Rolle gespielt“, so die Botschaft. Aktuell sei nicht mehr davon auszugehen, dass die Umstände, die in den vergangenen Jahren noch als hinreichendes Indiz der Rückkehrbereitschaft hätten gewertet werden können, aktuell die Rückkehrbereitschaft mit dem gleichen Gewicht indizieren würden. „Die Botschaft geht bezogen auf Ihr Heimatland von einem insgesamt gestiegenen Migrationsdruck aus.“
Weiter wird erklärt, warum Zweifel an der Rückkehrbereitschaft des Studenten bestehen. Diese Zweifel würden sich daraus ergeben, so die Begründung, dass „Sie als russischer Staatsangehöriger im wehrpflichtigen Alter zu dem Personenkreis gehören, der in Russland potenziell von der Teilmobilisierung für die russischen Streitkräfte betroffen ist.“ Dadurch dürfte die Bereitschaft des Studenten, vor Ablauf des Visums nach Russland zurückzukehren, erheblich vermindert sein.
Wer als rückkehrbereit gelten will, soll Eigentum in Russland haben
Die offizielle deutsche Visumantragsstelle in Russland, VisaMetric, akzeptiert theoretisch als mögliche Nachweise der Rückkehrbereitschaft bei einem Touristenvisum oder einem Visum zum Besuch von Sprachkursen einen Nachweis von Immobilienbesitz in Russland, einen Nachweis zum Besitz eines oder mehrerer Fahrzeuge, Bankkontoauszüge des Antragstellers für die letzten drei Monate mit dem Endsaldo (allerdings bei einer in der EU funktionierenden Bank) sowie einen Nachweis von nahen Angehörigen (Ehegatten, Kinder und Eltern), die in Russland leben. Zumindest der Nachweis von Eltern in Russland scheint nicht mehr ausreichend zu sein. Hat ein junger Russe etwa kein Eigentum in Russland, ein frisches Konto bei einer ausländischen Bank zu Reisezwecken und nur Eltern in Russland, kann ihm ein Schengen-Visum trotzdem verwehrt werden.
„Mit der Aussetzung des Visaerleichterungsabkommens wird die Rückkehrbereitschaft der Antragsteller nach Russland tatsächlich strenger geprüft“, bestätigt eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes der Berliner Zeitung. Im Nachgang habe die EU-Kommission Umsetzungsleitlinien erlassen, wie die Visumanträge zu prüfen seien. Die innere Sicherheit der EU müsse jetzt verstärkt berücksichtigt und im Einzelfall überprüft werden, so die Sprecherin.
Wer vor dem Krieg flieht, kann ein humanitäres Visum beantragen, aber ...
Wer tatsächlich aus Russland fliehen und nicht als Tourist nach Deutschland kommen will, hat nach ihrer Angabe mit dem sogenannten humanitären Visum nach Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes eine transparente Möglichkeit. Demnach kann einem Ausländer aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Das Visum dürfen die Russen schon in Russland beantragen. Doch wer von den Flüchtenden will den Beamten an der russischen Grenze so direkt vorführen, dass er flieht?
Die Berliner Zeitung hat zuvor über einen weiteren jungen Russen berichtet, der in Russland mobilisiert wurde und es geschafft hat, nach Berlin zu fliehen. Denn die Bundesregierung hat ja früher erklärt, Russen, die nicht am Angriffskrieg teilnehmen wollen, Asyl zu gewähren. Sein Schicksal in Deutschland und die bevorstehende Abschiebung stellen dieses Versprechen erneut infrage: Sein Antrag auf Asyl wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als unzulässig abgelehnt.
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