Nato und Ukraine: „Wir bleiben wachsam“

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine könnte sich erneut zuspitzen. 

Angehörige einer ukrainischen Miliz fordern am 31. März in Zaporizhzhia die Vertreibung des pro-russischen Einheiten aus dem Donbass.
Angehörige einer ukrainischen Miliz fordern am 31. März in Zaporizhzhia die Vertreibung des pro-russischen Einheiten aus dem Donbass.Imago Images

Die Nato beobachtet die Entwicklungen in der Ukraine aufmerksam. Ein Sprecher der Militärallianz sagte der Berliner Zeitung: „Am vergangenen Donnerstag (1. April 2021) trafen sich die Verbündeten im Nordatlantikrat, um sich über das aktuelle Sicherheitsumfeld in der Schwarzmeerregion auszutauschen. Die Alliierten teilten ihre Besorgnis über die jüngsten, groß angelegten militärischen Aktivitäten Russlands in der und um die Ukraine. Die Alliierten sind auch besorgt über die russischen Verstöße gegen den Waffenstillstand vom Juli 2020, die vergangenen Woche zum Tod von vier ukrainischen Soldaten führten.“ Der Sprecher weiter: „Russlands destabilisierende Maßnahmen untergraben die Bemühungen, die Spannungen durch das von der OSZE vermittelte Abkommen vom 27. Juli 2020 abzubauen. Die NATO unterstützt weiterhin die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine. Wir bleiben wachsam und beobachten die Situation weiterhin genau.“

Nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zeigte sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag „besorgt über Russlands Militäraktivitäten in und um die Ukraine“ und „anhaltende Verletzungen des Waffenstillstands".

Das ukrainische Verteidigungsministerium hatte zuvor erklärt, dass die US-Regierung Kiew ihre Unterstützung „im Fall einer Eskalation“ zugesichert hätte. Vor einer Woche waren vier Regierungssoldaten in dem Konfliktgebiet getötet worden.

Zunächst hieß es, die Soldaten seien bei einem Mörserangriff der prorussischen Kämpfer getötet worden. Später änderte das Verteidigungsministerium in Kiew seine Version, so die dpa. Oberbefehlshaber Ruslan Chomtschak sprach im Parlament von Scharfschützen, die Minenräumern in den Rücken geschossen hätten.

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Der Konflikt war am vergangenen Dienstag Thema einer Videoschalte von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Kremlchef Wladimir Putin und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dabei hatte Putin Besorgnis über die „von der Ukraine provozierte Eskalation der bewaffneten Konfrontation“ zum Ausdruck gebracht, erklärte der Kreml danach.

Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verzeichnen laut dpa bis Anfang April keine Eskalation. Die Zahl der Verstöße gegen die Waffenruhe bleibe weiter deutlich unter dem Niveau vor dem Inkrafttreten der aktuellen Vereinbarung im Juli 2020, hieß es. Die OSZE-Mission wurde erst kürzlich um ein Jahr verlängert.

Der ukrainische Präsident Selenskyj seinerseits hat die Nato aufgefordert, den Beitritt seines Landes zu der Militärallianz voranzutreiben: „Die Nato ist der einzige Weg, um den Krieg im Donbass zu beenden“, schrieb Selenskyj am Dienstag mit Blick auf die Unruheregion im Osten der Ukraine auf Twitter. Ein beschleunigtes Nato-Beitrittsverfahren für die Ukraine wäre „ein echtes Signal an Russland“.

Seit Mitte Februar gibt es wieder verstärkt Kämpfe zwischen pro-russischen Einheiten und der Regierungsarmee in der Ostukraine. Für besondere Aufmerksamkeit sorgt das Dekret Nr. 117 vom 24. März 2021, mit dem Selenskyj die Entscheidung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine vom 11. März 2021 („Zur Strategie der Entbesetzung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“) umsetzen will. In dem Dekret wird die Vorbereitung von Maßnahmen angekündigt, um „die vorübergehende Besetzung“ der Krim und des Donbass zu beenden. Laut der staatlichen ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform erhielt die Regierung den Auftrag, einen entsprechenden „Aktionsplan“ zu entwickeln.

In den vergangenen Tagen folgten Berichte über massive russische Truppenverlegungen. Laut dem Kreml dient der Truppenaufmarsch an der Grenze jedoch nicht einer „Invasion“ des Nachbarn, sondern sei normaler Teil der „Verteidigung des Staatsgebiets“, wie Kreml-Sprecher Dimitri Peskow am Montag auf einer Pressekonferenz laut der Nachrichtenagentur Interfax sagte.

Russland zieht derzeit Einheiten an den nördlichen und östlichen Grenzen zur Ukraine sowie auf der von Moskau annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zusammen. Dies sei eine Reaktion auf „die zunehmenden Aktivitäten von Nato-Staaten auf dem Gebiet der Ukraine“, sagte Peskow. Der Kreml-Sprecher hatte bereits am Freitag vor Nato-Aktivitäten in der Ukraine gewarnt: „Zweifellos würde ein solches Szenario zu weiteren Spannungen in der Nähe der russischen Grenzen führen“, sagte Peskow laut Interfax. „Natürlich müsste die russische Seite dann zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.“

Nach einem Beschluss des ukrainischen Parlaments dürfen sich in diesem Jahr zu Übungszwecken bis zu 2000 US-Soldaten mit schwerem Gerät und Flugzeugen in der Ukraine aufhalten. Die Verfassung verbietet jedoch eine dauerhafte Stationierung.

Ein direktes militärisches Eingreifen der Nato in den Konflikt mit Russland ist aktuell unwahrscheinlich. Seit dem Beginn der Krise im Jahr 2014 haben die Nato und die Ukraine damit begonnen, die ukrainischen Streitkräfte auf Nato-Standards umzustellen – ein Prozess, der traditionell mehrere Jahre dauert. Außerdem wurden Treuhandfonds eingerichtet, die Programme wie Sprengsatzentschärfung oder Cyber-Abwehr fördern. (mit AFP und dpa)