UN-Sonderbeauftragter zu Assange-Urteil: „Das ist schockierend!“

Nils Melzer fordert alle demokratischen Politiker auf, jetzt endlich für Julian Assange einzutreten. Es gehe um die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats. 

Stella Morris, Partnerin von Julian Assange, nach dem Urteil in London. 
Stella Morris, Partnerin von Julian Assange, nach dem Urteil in London. imago

Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, bezeichnet die Londoner Gerichtsentscheidung gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange als „schockierend“ und fordert alle westlichen Parlamentarier auf, gegen eine mögliche Auslieferung Assanges an die USA zu protestieren. Melzer sagte der Berliner Zeitung: „Assange ist gesundheitlich nicht im Zustand für eine Auslieferung. Außerdem ist bis heute nicht nachzuvollziehen, dass derjenige, der Verbrechen aufdeckt, bestraft werden soll, während gegen die beschuldigten Kriegsverbrecher kein einziges Verfahren läuft. Dann wird so eine Entscheidung noch ausgerechnet am Tag der Menschenrechte 2021 verkündet. Das ist schockierend.“

Melzer sagte: „ Wenn die Allgemeine Erklärung für Menschenrechte noch irgendetwas wert sein soll, müssen alle Politiker in westlich-freiheitlichen Demokratien aufstehen und ihre Stimme erheben. Wer sich – völlig zu recht – hinter Alexej Nawalny stellt, muss auch für Julian Assange eintreten. Es geht hier um die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaats. “

Ein britischer Höchstrichter hatte am  Vormittag das Verbot einer Auslieferung Assanges an die USA aufgehoben. Der Höchstrichter sagte, die Zusicherungen der US-Regierung, Assange nicht in das Supermax-Gefängnis von Florence, Colorado, zu bringen, sei nicht ausreichend: „Es gibt dutzende solcher Gefängnisse in den USA.“ Auch die Zusage, ihm nicht eine gefürchtete „Sonderbehandlung“ angedeihen zu lassen, sei eine Ausrede: Aktuell gäbe es nur etwa 50 Verbrecher, die so behandelt werden. Darüber hinaus gibt es 80.000 Personen in Isolationshaft, was ebenfalls eine unmenschliche Methode ist.

Melzer: „Das Urteil sagt im Grunde, dass die Amerikaner jetzt machen können, was sie wollen. Es wird langsam eng für Assange.“ Melzer sagt, dass die Verteidigung des Wikileaks-Gründers nun schnellstmöglich in die „Gegenberufung“ gehen müsse, um am Ende noch die Möglichkeit des Gangs vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte antreten zu können.