Berlin-Spanner gab es immer. Typen, die in die Holzwände zwischen den Umkleidekabinen im Freibad Löcher gebohrt haben etwa und dann zu fünft davor kauerten – immer fürchtend, vom Bademeister gleich erwischt zu werden. Heute werden an Orten, an denen sich andere entblößen, winzige Kameras deponiert, deren Bilder in sicherer Entfernung Ergötzen bieten. Das Allmachtsgefühl des Übergriffes kommt inzwischen ohne persönliches Restrisiko aus.
Und noch etwas hat sich verändert. War das fotografische Bild früher der Beweis dafür, dass man Teil der Welt war, hat die Selfie-Kultur die Welt inzwischen zur Kulisse degradiert, zum Ich-Objekt, auf das Zugriff zu nehmen für den narzisstischen Einzelnen jederzeit legitim ist. Ein Unfall auf der Straße – gleich auf Instagram posten, um zu zeigen, was man durchgemacht hat bei diesem Anblick! Die tröstenden Likes folgen auf dem Fuß. Und auch andere Menschen sind in diesem Verständnis optische Beute – je schwerer bestimmte Ansichten zu bekommen sind, desto erhebender.
Dass das sogenannte Upskirting, bei dem Frauen in der Öffentlichkeit heimlich unter den Rock fotografiert wird, jetzt ebenso unter Strafe steht wie das Knipsen von Verletzten an Unfallstellen, ist ein wichtiger Schritt, ein breiteres Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Welt kein virtuelles Setting ist. Frauen werden sich deswegen in der U-Bahn nicht gleich sicherer fühlen. Aber sie werden hoffentlich wütender werden, wenn sie wissen, dass solche Fotos keine Frechheit, sondern Verbrechen sind, die mit Gefängnisstrafen belegt werden können. Umstehende schreiten unter diesen Umständen vielleicht auch eher ein. Im Kampf gegen sexuelle Gewalt mag das Gesetz ein eher symbolpolitischer Schritt sein. Gesamtgesellschaftlich ist es eine wichtige Erziehungsmaßnahme.