US-Supreme-Court: Ein kultivierter rechter Robenträger

Washington - Der Himmel über dem Weißen Haus strahlte wolkenlos blau, als Neil Gorsuch am Montag seinen Amtseid ablegte. „Er wird ein großartiger Richter sein“, hatte Präsident Donald Trump schon vorher getwittert: „Ich bin sehr stolz auf ihn.“ Selbstverständlich wohnte der Hausherr der fernsehgerechten Zeremonie im gepflegten Rosengarten seines Amtssitzes bei.

Inszeniert wie eine Casting-Show

Schon die Auswahl des smarten Juristen aus einer Liste von 21 Kandidaten für die Besetzung des vakanten Stuhls am Obersten Gerichtshof hatte Trump Ende Januar wie eine Casting-Show inszeniert. Dass er seinen konservativen Bewerber trotz des erbitterten Widerstands der Demokraten im Senat nun durchbringen konnte, ist ein großer Erfolg für den Präsidenten. „Das ist wie ein Adrenalinstoß“, erklärte Matt Schlapp, der Chef der rechten Dachorganisation American Conservative Union: „Es gibt den Republikanern ein Gefühl für Sieg und erinnert sie daran, dass sie noch viel öfter gewinnen können.“

Objektiv betrachtet ändert sich mit der Berufung des 49-jährigen Familienvaters aus dem Rocky-Mountain-Staat Colorado nicht viel an den Mehrheitsverhältnissen des neunköpfigen Obersten Gerichtshofs. Die Konservativen hatten dort bis zum Tod des erzreaktionären Richters Antonin Scala vor einem Jahr eine Mehrheit von fünf zu vier Stimmen. Die wird nun wiederhergestellt. In der Zwischenzeit freilich hatte der damalige Präsident Barack Obama versucht, das Patt nach links hin aufzulösen und einen liberalen Kandidaten durchzusetzen. Das verhinderten die Republikaner. Entsprechend erbittert wurde nun im Senat der Kampf um die Personalie Gorsuch ausgefochten. Nur durch eine weitreichende Änderung der Abstimmungsregeln konnte Trumps Kandidat durchgedrückt werden.

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Ein Gegenbild zu Trump

Mit seinem sportlichen Äußeren, seinem kultivierten Auftreten und seinen unbestrittenen intellektuellen Fähigkeiten verkörpert Gorsuch in vielerlei Hinsicht das direkte Gegenbild zu seinem Förderer Trump. Der Mann, von dem es heißt, er sei mit silbernen Haaren und einen unerschöpflichen Schatz von Churchill-Zitaten geboren worden, hat an den amerikanischen Top-Universitäten Columbia und Harvard sowie im britischen Oxford studiert. Bei der Anhörung im Senat wirkte Gorsuch, der in seiner Freizeit Pferde züchtet und angelt, ebenso gelassen wie kompetent. Trumps Ausfälle gegen die Richter, die das erste Einreiseverbot gekippt hatten, kritisierte er als „demoralisierend“ und „entmutigend“.

Ein hitzköpfiger Hardliner ist der Katholik nicht, wohl aber ein überzeugter Konservativer, der die amerikanische Verfassung wörtlich auslegt. In einem Buch von 2006 kritisierte er begleitende Sterbehilfe: Menschliches Leben sei von Natur aus wertvoll, argumentierte er. Auch ein liberales Abtreibungsrecht sieht Gorsuch kritisch. Seine lebenslange Berufung könnte die weitreichendste Personalentscheidung Trumps sein: Angesichts seines im Vergleich zu den Kollegen geradezu jugendlichen Alters könnte Gorsuch über Jahrzehnte die Verfassungsinterpretation in den USA auch zur Todesstrafe und zum Waffenbesitz prägen.