Verbrenner-Verbot: Die Ampel streitet mal wieder – und nervt damit ganz Europa

Wieder tritt die FDP in Richtung Grüne, diesmal kurz vor einer wichtigen Abstimmung der EU-Umweltminister. Am Dienstag kam dann die Einigung auf eine gemeinsame Position zum Verbrenner-Aus ab 2035.

ARCHIV – Autos stehen im Stau. Die EU-Kommission strebt ein Verbot neuer Verbrenner ab 2035 an.
ARCHIV – Autos stehen im Stau. Die EU-Kommission strebt ein Verbot neuer Verbrenner ab 2035 an.dpa/Marijan Murat

Es war ein interessantes Stück Realpolitik, das Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke am Dienstagmorgen zur Aufführung brachten. Die beiden Grünen-Minister gaben vor der Sitzung der Umweltminister in Luxemburg ein gemeinsames Statement ab. Motto: Viel reden, aber nicht allzu viel sagen. „Es ist für Europa eine besondere Zeit. Wir müssen jetzt zusammenhalten und politische Handlungskraft zeigen“, erklärte Habeck daher erst mal.

Da hatte er recht: In den folgenden Stunden sollte unter anderem ein Verbot der Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2035 beschlossen werden. Doch ausgerechnet die Deutschen haben es geschafft, einen veritablen Koalitionsstreit nach Luxemburg einzuschleppen.

Im Morgenmagazin hatte die Umweltministerin erklärt, sie werde für den Plan der EU-Kommission stimmen, ab 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen. Das rief umgehend den Finanzminister und FDP-Vorsitzenden Christian Lindner auf den Plan. Via Twitter verbreitete er: „Die Äußerungen der Umweltministerin zum #VerbrennerAus sind überraschend. Sie entsprechen nicht den Verabredungen.“

Diese Aussage war teilweise richtig: Die Äußerungen der Umweltministerin entsprachen zumindest nicht den Verabredungen, die Lindner für die Bundesregierung vorgenommen hatte. Bei seinem Auftritt beim Tag der Industrie hatte er eine Woche zuvor erklärt, dass er den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor für falsch hält. Lindner wörtlich: „Ich habe deshalb entschieden, dass ich in der Bundesregierung, dass wir in der Bundesregierung, dieser europäischen Rechtsetzung nicht zustimmen werden.“

Eine Woche hatte die Ampelregierung Zeit gehabt, das Thema abzuräumen. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte alle Hände mit dem G7-Gipfel voll. Also schwelte die Auseinandersetzung weiter, bis die Minister Habeck und Lemke dann buchstäblich vor den Konferenztüren in Luxemburg die Wogen mit Worthülsen zu glätten versuchten.

Bei Habeck klang das so: „Wir müssen alles dafür tun, dass wir bei diesem großen Thema Klimaschutz eine große Einigung bekommen, und so werden wir auch darauf hinarbeiten. Dass es ein anstrengender, wahrscheinlich langer Tag werden wird, dürfte allen bekannt sein. Es sind verschiedene sehr strittige Dossiers noch auf dem Tisch.“ Beim folgenden Satz meinte man fast, seine Zähne ein bisschen knirschen zu hören. Dennoch erklärte der Wirtschaftsminister wacker, man gehe gut vorbereitet in diesen Tag, „als deutsche Bundesregierung abgestimmt, weil wir natürlich auch wissen, dass wir in Europa eine maßgebliche Rolle zu spielen haben, dass es am Ende ein erfolgreicher Tag wird“.

Wie das nun konkret aussehen sollte, ließ er offen. Auch Lemke antwortete auf die Frage, ob sie für das Verbrenner-Aus stimmen werde, auf einmal nur noch ausweichend. Sie entschied sich, statt auf diese konkrete Frage erst einmal auf die „entwaldungsfreien Lieferketten“ einzugehen, über die ja ebenfalls abzustimmen wäre, und sagte ansonsten: „Wir werden hier nach der Linie des Koalitionsvertrages und der Linie, die die Bundesregierung miteinander geeint hat, Gespräche und Verhandlungen führen, damit die Kommission hier noch einen Mechanismus entwickelt, wie auch in Zukunft CO₂-Reduktion passieren kann, aber auch Technologieoffenheit gewährleistet wird.“

So richtig miteinander geeint war die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt allerdings gar nicht. FDP-Chef Lindner erklärte der Deutschen Presse-Agentur quasi zeitgleich, dass die FDP einem Abstimmungsverhalten der Bundesregierung „noch nicht zugestimmt“ habe. Aus Elmau fand dann Olaf Scholz auch noch Zeit für ein Wort zum Verbrenner. Der Kanzler erklärte für seine Bundesregierung: „Wir sind eigentlich einig, geschlossen zu handeln.“ Ob das nun Ja oder Nein zum Verbrenner-Aus hieß, ließ sich zunächst nicht ermitteln.

Im Koalitionsvertrag ist diese Alternative nämlich gar nicht so genau ausformuliert. Dort versichern die Koalitionäre in der Präambel zwar, dass „wir … die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen“. Im Kapitel Mobilität heißt es dann aber, dass gemäß den Vorschlägen der EU-Kommission „in Europa 2035 nur noch CO₂-neutrale Fahrzeuge zugelassen“ werden. Mit „E-Fuels betankbare Fahrzeuge“ werden aber auch erwähnt.

Die Opposition auf EU-Ebene zeigte sich genervt von dem deutschen Streit in letzter Minute. „Die Bundesregierung gibt ein blamables Bild ab“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke. Viele fürchteten aber auch, dass angesichts der deutschen Unsicherheiten auch noch andere Umweltminister wackeln könnten.

Abstimmung der EU-Umweltminister zum Verbrenner-Aus: Die Diskussion wird bis in die Nacht gehen

Von den Verkehrspolitikern der FDP wollte sich gegenüber der Berliner Zeitung niemand äußern. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai stützte seinen Parteichef. „Wir wollen uns für eine technologieoffene Regulierung in der EU starkmachen, die der Verbrenner-Technik mit E-Fuels eine klimaneutrale Zukunft ermöglicht“, sagte er der Berliner Zeitung. „So haben wir es in der Koalition verabredet. Es ist mir unverständlich, warum dies von einzelnen Persönlichkeiten immer wieder infrage gestellt wird.“

Wie die EU-Umweltminister schließlich abstimmten, war am Abend noch unklar. Wie ein Regierungssprecher am Dienstag mitteilte, unterstützt die Bundesregierung einen sich abzeichnenden Vorschlag des Rates zu den Flottengrenzwerten als „Beitrag auf dem Weg zu einer klimaneutralen Mobilität“. Das EU-Parlament hat sich bereits für ein Verbot neuer Verbrenner ab 2035 ausgesprochen. Sollten sich die Mitgliedstaaten dieser Haltung anschließen, wäre der Weg für das Vorhaben frei. (mit dpa)