Dierk Hirschel arbeitet heute für Verdi. Doch am Anfang der 1990er-Jahren engagierte er sich bei der SPD und lernte dort die mafiösen Strukturen in der SPD in Hamburg kennen, schrieb er auf Twitter. In einem langen Thread gab er preis, woran er sich heute noch erinnert und warum Johannes Kahrs, der jetzt in Zusammenhang mit der Cum-Ex-Affäre geraten ist, damals schon für Verstörung sorgte.
Die jüngsten Enthüllungen über das Schließfach des Ex-SPD-MdBs Johannes #Kahrs lenken den öffentlichen Blick wieder einmal auf das System Kahrs. Der Schaden für die #SPD ist groß. Dazu nachfolgend einige persönliche Anmerkungen. 1/10 pic.twitter.com/y9WtkYg1Bl
— Dierk Hirschel (@DierkHirschel) August 7, 2022
Hirschel schreibt: „Als ich Anfang der 1990er bei den @JusosHamburg aktiv wurde, erlebte ich einen Kulturschock. Von der bayerischen SPD kommend, lernte ich in Hamburg eine von #Kahrs gelenkte rechte Juso-Strömung kennen, die Positionen vertrat, die in Bayern von der JU vertreten wurden. Noch irritierender waren aber die antidemokratischen Methoden mit denen diese Gruppierung arbeitete. Die Kahrs Unterstützer kaperten missliebige Juso-Gruppen, indem sie die Zusammensetzung der Wahlberechtigten durch kurzfristige Wohnsitzummeldungen systematisch manipulierten. Später wurde diese Methode auf die SPD-Ortsvereine - in Hamburg Distrikte - übertragen. Das System #Kahrs ist mehrmals ausführlich beschrieben worden. Es war im Kern eine Günstlingswirtschaft. Der Linkenpolitiker @FabioDeMasi bezeichnete Kahrs als Kiez-Mafiosi.“
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Das System Kahrs und seine Methoden
Mit Hilfe von Praktika, Partei- und Abgeordnetenbürojobs wurde laut Hirschel eine loyale Anhängerschaft aufgebaut. Nachdem Kahrs in den Bundestag einzog, wurden diese Strukturen angeblich durch Parteispenden aus der Rüstungsindustrie, der Immobilien-, Verkehrs- und Finanzbranche gestärkt. Dann heißt es weiter: „Immer wieder gab es einen auffälligen zeitlichen Zusammenhang zur Vergabe öffentlicher Aufträge an die Spender. Allein zwischen 2016 und 2019 flossen über 640.000 € in die Kasse seines Kreisverbandes Hamburg Mitte. Natürlich war #Kahrs auch ein lokaler Volkstribun, der vor Ort gut vernetzt war. Sonst hätte er seinen Wahlkreis nicht direkt gewonnen. Im Zentrum stand aber nie sozialdemokratische Politik, sondern stets der Erhalt und Ausbau seiner Macht. Dafür war ihm jedes Mittel recht.“
Hirschel wird im Laufe des Threads noch deutlicher: Das System Kahrs und seine Methoden waren in der SPD Hamburg angeblich seit Jahrzehnten bekannt. Anfang der 1990er Jahre wurde erstmals die große Chance laut Hirschel verpasst, Kahrs wegen Mobbings aus der Partei auszuschließen. Doch diese „Jugendsünde“ wurde ihm verziehen.
„Anschließend konnte #Kahrs seine innerparteiliche Macht so stark ausbauen, dass auch die Parteilinke sich genötigt sah, einen Burgfrieden mit ihm zu schließen. Ein großer politischer Fehler! Die jüngsten Enthüllungen über das System Kahrs fallen nun der @spdhh auf die Füße. Bitter! Denn viele aufrechte Sozialdemokraten, die #Kahrs stets kritisiert haben, kommen in Kollektivhaft. Die @spdhh wird diese dunkle Seite ihrer Geschichte aufarbeiten müssen. Dazu gehört auch die Rückzahlung der Warburg-Spenden. Alles Weitere ist Sache der Staatsanwälte.“
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