Verhärtete Fronten im Patenstreit um Corona-Impfstoffe: Es geht um Leben!

Wirtschaftsinteressen müssen geschützt werden, findet unsere Autorin. Doch ist das im Falle der Impfstoffverteilung an arme Länder moralisch gerechtfertigt?

Impfstoffe werden in den ärmeren Ländern nach wie vor dringend benötigt.
Impfstoffe werden in den ärmeren Ländern nach wie vor dringend benötigt.imago

Omikron wütet weltweit – und das lässt den Streit über eine Freigabe von Impfstoff-Patenten neu aufflammen. Denn nach wie vor gibt es eine enorme Kluft in der weltweiten Impfstoffversorgung. Die bisher gesteckten Ziele, wie bis Ende 2021 in allen Ländern der Welt 40 Prozent der Bevölkerung zu immunisieren, ist in mehreren Dutzend Ländern dramatisch verfehlt worden. Während im Westen sogar über Vierfachimpfungen gegen Corona diskutiert wird, sind in ärmeren Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation bisher nur etwa sechs bis neun Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft.

Viele Länder – allen voran Indien und Südafrika – fordern daher, dass sämtliche Patente für Covid-Impfstoffe freigegeben werden, damit alle, die dazu in der Lage sind, die Vakzine herstellen und weltweit verteilen können. Doch daran sind viele nicht interessiert, inklusive Deutschland. Und so verwundert es kaum, dass SPD-Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze der Patentfreigabe nun erneut eine Absage erteilte. Hilfreich seien eher Unternehmenspartnerschaften für die Produktion der mRNA-Impfstoffe in Lizenz, damit Entwicklungsländer von dem Know-how profitieren.

Dahinter steht natürlich die Wahrung von Wirtschaftsinteressen. Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech beispielsweise hat seit Pandemiebeginn Deutschland den Aufschwung gebracht. Das Unternehmen allein ist für rund 0,5 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Deutschlands verantwortlich. Und nun die Rezepte verraten und damit Patente freigeben, schadet, so die ökonomische Betrachtung, dem Wirtschaftsstandort Deutschland.

Doch was ist die moralische Verpflichtung? Leben retten oder eigene Interessen wahren? Bis Mitte des Jahres sollen 70 Prozent der Menschen in allen Ländern geimpft sein. Das ist das nächste hehre Ziel. Das zu erreichen, braucht Kraftanstrengungen und schnelle Lösungen für die ärmeren Länder. Denn wenn die meisten weltweit nicht immunisiert sind, droht die nächste Virus-Welle, auch in Deutschland. Wirtschaftsinteressen hin oder her.