Verkehr in London: So macht Fahrradfahren wieder Spaß
London - Fahrradfahren in London ist gefährlich: Es gibt nur wenige Radspuren auf den Straßen, oft sind sie sehr schmal, manchmal hören sie ganz plötzlich auf. Deshalb sausen auch fast nur junge Männer in spezieller Fahrradmontur durch London – oder Touristen auf Leihrädern, die nicht wissen, worauf sie sich da einlassen.
Das soll sich jetzt ändern. Bürgermeister Boris Johnson, der sich manchmal mit dem Fahrrad zur Arbeit traut, will knapp eine Milliarde Pfund (1,35 Milliarden Euro) in neue breite Fahrradwege investieren. In diesem Monat soll mit dem Bau der „Cycling Superhighways“ begonnen werden. Im Frühjahr 2016, zum Ende von Johnsons Amtszeit, sollen mehr als 35 Kilometer Radweg von Osten nach Westen und von Norden nach Süden durch London führen.
Nicht alle sind von den Plänen begeistert. Taxifahrer, Busunternehmer und Ladenbesitzer befürchten mehr Staus, weil die Fahrbahnen verengt werden. Radfahrer-Organisationen drängen dagegen auf einen schnellen Baubeginn, denn jedes Jahr kommen Radler auf den Straßen und den unsicheren Radwegen ums Leben. Das Gedränge nimmt seit Jahren zu auf Londons Straßen, denn die 8,6-Millionen-Stadt wächst und wächst.
Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden in der britischen Hauptstadt mehr als zehn Millionen Menschen leben. „Wenn wir die Leute auf Fahrräder bringen, verringert das die Zahl der Autofahrer, der Menschen in Bussen und Zügen“, argumentiert Johnson. Der Fahrrad-Highway werde ebenso erfolgreich sein, wie die Innenstadt-Maut, die 2003 eingeführt wurde. Seitdem fahren pro Tag 70.000 Autos weniger ins Zentrum.
Nachdem er die Cycling-Superhighways gegen alle Widerstände durchgesetzt hat, liebäugelt Johnson bereits mit einem nächsten, sehr visionären Fahrrad-Projekt: Vor wenigen Tagen verlieh er den Preis für den „Besten Projektentwurf“ an das Designer-Büro Gensler. Es hatte Pläne für eine unterirische Fußgänger- und Fahradstrecke vorgelegt.
Diese „London Underline“ soll in einem stillgelegten U-Bahn-Tunnel von Ost nach West unter dem Stadtzentrum verlaufen. Ein spezieller Bodenbelag könnte den Druck, der von Fahrrädern und Fußgängern auf den Boden ausgeübt wird, in Energie für die Beleuchtung des Tunnels umwandeln.
Das Projekt soll durch Werbetafeln, Ausstellungen und das Vermieten von Verkaufsflächen im Untergrund finanziert werden. Gensler-Vize-Direktor Ian Mulcahey warb für sein Projekt: „Das Benutzen von überflüssigen U-Bahn-Tunneln ist ein schneller und einfacher Weg, die Infrastruktur zu vergrößern.“
Doch ganz so einfach ist es nicht. Kritiker sagen, der alte Tunnel sei nur schwer mit Frischluft zu versorgen. Außerdem sei er über die U-Bahn-Stationen Holborn und Green Park nur schwer zu erreichen. „Die Underline ist kein sinnvoller Weg, um die Straßen Stau-frei zu machen, sie ist in etwa so sinnvoll, wie jedem Londoner einen eigenen Mini-Zeppelin zur Verfügung zu stellen“, ätzte der Autor Feargus O’Sullivan im Guardian.
Mindestens ebenso visionär, aber noch größer und teurer ist das Projekt „SkyCycle“ des Architekten Norman Foster: Eine über 200 Kilometer lange Fahrradstrecke soll auf Stelzen oberhalb der Zuggleise verlaufen. „Indem wir die Fläche über den Zugstrecken ausnutzen, schaffen wir ein erstklassige, sichere und autofreie Fahrradwege“, schwärmt Foster.
Bequem muss es sein
Über mehr als 200 Rampen und Aufzüge könnten die Radler zur Schnellstrecke hinauf gelangen. Der Bau des ersten Teil der Strecke, 6,5 Kilometer über den Gleisen des Overground-Zuges von Stratford zur Liverpool Street Station würde umgerechnet 300 Millionen Euro) kosten. Das wäre billiger als der Bau neuer Straßen oder Bahnstrecken, sagt Foster. Radfahrer-Organisationen sind von dem Plan nicht begeistert. Sie monieren, es sei zu mühsam über Rampen auf den Schnellweg zu gelangen.
Ein drittes Projekt klingt ebenso gewagt: Der „Themse-Terrassenweg“ des „River Cycleway Consortiums“ soll auf dem Wasser aufliegen und mindestens 15 Kilometer lang werden. Der Bau würde etwa 800 Millionen Euro kosten. Fahrradfahrer und Fußgänger sollten für das Benutzen des Terrassenwegs 1,50 Pfund (zwei Euro) bezahlen, schlägt das Konsortium vor. Die Londoner Hafenbehörde hat bereits Bedenken angemeldet: Der Terrassenweg würde den Raum für den Schiffsverkehr zu sehr einschränken.