Verkehrsgerichtstag: Die Zukunftspläne der Experten für den Straßenverkehr
Berlin - Automatisiertes Fahren
Der Computer lenkt, der Mensch kann seine Hände in den Schoß legen und zuschauen. Das ist längst keine Zukunftsvision mehr. Die großen Autohersteller basteln fast alle an Roboterfahrzeugen, die autonom fahren können. Die Technik ist heutzutage kein Problem mehr. Was die Experten angesichts der Automatisierung vielmehr umtreibt, sind die gesetzlichen Grundlagen. Wer haftet, wenn durch eine Fehlfunktion ein Schaden verursacht wird? Der Verkehrsgerichtshof beschäftigte sich daher mit dieser Frage, ohne allerdings abschließende Antworten geben zu können.
Klar ist bisher nur so viel: Wenn der Fahrer als Verantwortlicher für einen Unfall ausscheidet, kommt nach Ansicht von Juristen der Auto-Hersteller über die Produkthaftung ins Spiel. Anders als bisher müssten dazu aber künftig alle Befehle des Fahrcomputers und alle Eingriffe des Fahrers beweissicher dokumentiert werden. Dafür sind neue Gesetze nötig.
Diese Dokumentation ist nach Ansicht der Experten auch deshalb wichtig, weil sich sonst ein Verkehrssünder leicht mit dem Argument herausreden könnte, nicht er, sondern das Fahrzeug sei zu schnell gefahren. Die umfassende Aufzeichnung stellt allerdings auch hohe Anforderungen an den Datenschutz. (tim)
Führerschein
Noch vor einigen Jahren boomte das Geschäft mit Führerschein-Touristen. Wer mit Alkohol am Steuer erwischt wurde und die Papiere abgeben musste, brauchte nur schnell nach Polen zu fahren. Dort konnte er ohne die in Deutschland vorgeschriebene medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU), besser bekannt als „Idiotentest“, eine neue Fahrerlaubnis erwerben. Heute geht das nicht mehr so einfach, da man dafür mindestens 185 Tage in einem EU-Land mit seinem Wohnsitz gemeldet sein muss.
Den Verkehrsgerichtstag stört aber, dass die Regeln zum Führerscheinerwerb in den den einzelnen EU-Staaten immer noch höchst unterschiedlich sind. So ist in Deutschland die MPU nach einem alkohol- oder drogenbedingten Entzug in jedem Fall vorgeschrieben. Im Ausland nicht unbedingt – deswegen fordern Experten hier eine Sperrfrist von fünf und im Wiederholungsfall von zehn Jahren. Der Auto Club Europa regt sogar die Einrichtung eines zentralen elektronischen Führerschein-Registers an, damit an jeden Bürger EU-weit nur eine Fahrerlaubnis ausgegeben werden kann. (tim)
Alkoholgrenze
Alkoholisierte Radfahrer haben bisher nichts zu befürchten, solange sie mit weniger als 1,6 Promille unterwegs sind und den Verkehr nicht gefährden. Der Verkehrsgerichtstag hält das für fahrlässig und nicht mehr zeitgemäß. Bei 0,8 bis 1,1 Promille nähmen bei Radfahrern grobe Fahrfehler bereits signifikant zu, argumentieren die Experten unter Berufung auf neue Untersuchungen. Schon ab 0,3 Promille könne man Entfernung und Tempo eines Autos nicht mehr gut einschätzen. Ab 0,5 Promille leide die Sehleistung, ab 0,8 die Reaktionsfähigkeit.
2013 gab es laut einer ACE-Studie rund 77 000 Unfälle mit Personenschaden, in die Fahrradfahrer verwickelt waren. Mehr als 3 400 dieser Radler waren betrunken. Die Experten fordern nun, dass bereits ab einer Alkoholkonzentration von 1,1 Promille ein Bußgeld fällig wird. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht dagegen keinen Handlungsbedarf. Auch der Deutsche Anwaltverein argumentiert, wer betrunken Auto fahre, gefährde Leib und Leben Dritter. Wer alkoholisiert auf sein Fahrrad steige, gefährde in der Regel nur sich selbst. (tim)
Tempolimit
Tempo 80 soll auf Landstraßen für Autos, Motorräder und Lastwagen zur Regel werden. Damit will der Verkehrsgerichtstag „zur Reduzierung schwerer Unfälle“ beitragen. Nur noch auf gut ausgebauten Bundes- und Landesstraßen solle weiter Tempo 100 erlaubt sein. Bisher gilt außerhalb geschlossener Ortschaften für Autos und Motorräder ein Limit von 100 Stundenkilometern, für Lkw ab 3,5 Tonnen dagegen nur von 60 km/h. Jährlich sterben bei Unfällen auf den Landstraßen mehr als 1900 Menschen – rund 60 Prozent der Verkehrstoten.
„Die Angleichung der Geschwindigkeiten kann für flüssigere Verkehrsabläufe sorgen und so den Überholdruck rausnehmen“, sagte Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung des Versicherungsverbandes GDV. Sein Institut hatte ermittelt, dass bei drei Viertel aller Überholunfälle auf Landstraßen die Sichtweiten nicht ausreichten, Verbotsschilder aber dennoch fehlten – ein Umstand, der ebenfalls geändert werden soll. Um die hohe Anzahl tödlicher Baumunfälle zu senken, schlug das Gremium notfalls auch das Abholzen von Alleen vor. (mlo)