Waffen für die Ukraine: Scholz’ Countdown und die fehlende Zutat der Zeitenwende
Im Bundestag macht Oppositionsführer Merz Druck auf den Kanzler, wo die Waffen für die Ukraine bleiben. Scholz schlägt zurück und lässt ein Muster erkennen.

Immer wenn Olaf Scholz unter Druck gerät, weil der Ukraine die versprochenen Waffen aus Deutschland nicht geliefert werden, benutzt der Kanzler einen Trick: Er kündigt die Lieferung anderer Waffen an. Wenn ein Countdown ausläuft, fängt Scholz neu an zu zählen.
So war es auch heute wieder im Bundestag, als Friedrich Merz den Kanzler in der Generaldebatte vor sich hertrieb. „Mehr als einen Monat nach der Entscheidung des Bundestages hat die Ukraine die zugesagten Waffen nicht erhalten“, stellte der Oppositionsführer fest. Mitglieder der Bundesregierung würden außerdem falsche Behauptungen über geheime Nato-Liefervereinbarungen verbreiten. Und wieso wolle der Kanzler eigentlich nicht sagen, dass die Ukraine den Krieg gewinnen soll?
Oppositionsführer @_FriedrichMerz und Bundeskanzler @OlafScholz diskutieren im Bundestag über Kriegsziele und den Ukraine-Kurs der Bundesregierung. #Generaldebatte pic.twitter.com/k4OOCwzyOx
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) June 1, 2022
In seiner anschließenden Rede kündigte Scholz dann plötzlich die Lieferung von Flugabwehrsystemen für Städte und Mehrfachraketenwerfern an. Waffen, über deren Vergabe an die Ukraine Deutschland bisher noch nie gesprochen hatte. Seit zwei Monaten geht das schon so.
Als die Ukrainer sich Marder und Leoparden wünschten, bekamen sie überraschend Geparden zugesagt. Als sich herausstellte, dass es für die Flugabwehrpanzer keine Munition gibt, wurden Panzerhaubitzen angekündigt. Jetzt, wo beides immer noch nicht in der Ukraine angekommen ist, sollen Lenkflugkörper kommen – Ankunftsdatum unbekannt.
Scholz vermittelt so den gleichen Eindruck wie bisher: Im Vordergrund wird militärische Solidarität beschworen, im Hintergrund bei Waffenlieferungen gebremst. Das ist aber keine Führung, sondern eine Sowohl-als-auch-Taktik.
Damit den Bürgern eine Zeitenwende gefällt, braucht sie diese Zutat
Der Kanzler hat offenbar weiterhin Sorge, er könne mit robusten Lieferungen friedensbewegte SPD-Abgeordnete und kriegsskeptische SPD-Wähler verschrecken. Doch mit seinem Hin und Her verprellt er sie – und gleichzeitig auch diejenigen, die sich mehr Unterstützung für die Ukraine wünschen.
Scholz verkennt, dass ein Kanzler sich mit einer klaren Entscheidung, egal ob für oder wider, die Unterstützung von Skeptikern sichern kann. Wenn die Menschen Führung bestellen und bekommen, stellen sie sich hinter den Kanzler. Dafür aber braucht es Mut. Vielleicht ist das die fehlende Zutat der Zeitenwende.