Wahl in Schleswig-Holstein: Das Desaster für SPD, FDP, AfD, Linke im Norden

Nach der Wahl ist vor der Wahl: Was die Parteien in Schleswig-Holstein gelernt haben und in Nordrhein-Westfalen besser machen wollen.

CDU-Parteichef Friedrich Merz und Daniel Günther, Wahlsieger in Schleswig-Holstein, am Montag im Konrad-Adenauer-Haus
CDU-Parteichef Friedrich Merz und Daniel Günther, Wahlsieger in Schleswig-Holstein, am Montag im Konrad-Adenauer-Hausimago/Reiner Zensen

Langes Wundenlecken ist nicht. Jedenfalls nicht, wenn es nach SPD-Chef Lars Klingbeil geht. Die SPD hatte am Sonntag in Schleswig-Holstein historisch schlecht abgeschnitten. „Aber man darf sich von Rückschlägen nicht beirren lassen“, sagt dazu Klingbeil. In Schleswig-Holstein habe es vielleicht „nicht gereicht“, aber die SPD habe viele Wahlkämpfe gewonnen – sechs Mal in den Ländern und im Bund in letzter Zeit. Nicht gereicht? In Schleswig-Holstein kam die SPD auf 16 Prozent, die CDU auf 43,4.

Der Tag nach der Wahl ist traditionell ein Tag der Aufarbeitung. So auch am Montag. Diesmal ist nicht nur die SPD bei vielen Wählern durchgefallen. Schlecht sind auch die Ergebnisse der mitregierenden FDP (halbiert auf 6,4), der AfD (raus aus dem Landtag mit 4,4). Die Linke ist kaum noch vorhanden (1,7). Neben der CDU konnten von den bundesweit antretenden Parteien nur die Grünen ihr Ergebnis steigern (18,3). Sie überflügelten die SPD.

Allerdings wird schon am kommenden Sonntag in Nordrhein-Westfalen gewählt und deshalb hieß es am Montag für die SPD kurz schütteln, den „schlimmen Abend“ (O-Ton Klingbeil) schnell hinter sich lassen und wieder aufstehen. Es stünden im Westen viele Arbeitsplätze auf der Kippe, sagt Klingbeil. Die Menschen machten sich Sorgen. Die SPD bietet sich als Stütze an. Im Bund habe die Partei die Entlastungspakete geschnürt. „Die Grundthese stimmt bei uns, deshalb bin ich zuversichtlich“, sagt Klingbeil.

In Krisen versammeln sich Menschen hinter einem starken Kanzler. Man fragt sich, warum das nicht passiert und das von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene sozialdemokratische Jahrzehnt in Schleswig-Holstein eine erste Delle bekam. Klingbeil erklärt es so: Die Aufmerksamkeit der Menschen sei beim Krieg in der Ukraine gewesen. Für Parteienforscher hat es aber gerade auch bei diesem Thema etwas mit dem zögerlichen Kurs und der undeutlichen Kommunikation von Scholz zu tun.

Bei der FDP spricht Parteichef Christian Lindner am Montag erst mal über den „sehr populären Ministerpräsidenten“ Daniel Günther, der alles Positive in dieser Regierung, an der auch die Liberalen beteiligt waren, auf sich vereinigt habe. Zum Glück, so sieht es Lindner, gebe es in NRW keine „vergleichbare Persönlichkeit“. Es stellt sich allerdings die Frage, warum die Grünen nicht unter dem Günther-Effekt gelitten haben.

Auch für die siegreiche CDU gibt es durchaus Gründe zum Nachdenken. Im Konrad-Adenauer-Haus stehen um die Mittagszeit Parteichef Friedrich Merz, der Wahlsieger aus Schleswig-Holstein Daniel Günther und Hendrik Wüst, der amtierende Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, hinter den Mikrofonen. Wüst will den Rückenwind aus dem Norden nutzen, um am kommenden Sonntag ebenfalls seine Landtagswahl zu gewinnen. Das ist allerdings ungewiss. Anders als in Schleswig-Holstein gibt es keinen klaren Favoriten, Union und SPD sind in den Umfragen quasi gleichauf.

Parteichef Merz lobt den natürlich „überragenden Ministerpräsidenten“ Günther. Der allerdings ist mit einem Konzept nach Berlin gekommen, das relativ wenig zu tun hat mit der Wirklichkeit in der Bundespartei. Es geht um Diversität. Frauen und Menschen verschiedener Herkunft seien im Norden entscheidend beteiligt, genauso wie Jung und Alt. Parität lautet das Schlüsselwort aus Günthers Zauberkasten – eine modern aufgestellte Partei. „So kann man auch in den Städten auf über 40 Prozent kommen“, sagt Günther.

Da stellt sich nun allerdings die Frage, ob der deutlich konservativere Merz diesen Stil überhaupt kopieren will. „Wir müssen auch in diesen Bereichen vorankommen“, sagt Merz dazu. Wüst setzt lieber auf Entlastungsversprechen bei den Steuern. Das letzte Wort hat dann Daniel Günther: Profil zeigen ist seine Empfehlung und mit einem liberalen Kurs könne man sogar die AfD aus den Parlamenten raushalten.

Die Angesprochene bestreitet allerdings, dass es sich hier um den Beginn eines Trends handeln könnte. Nach ausgefallener Pressekonferenz beschwichtigt der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla: „Das ist unsere erste Niederlage.“ Das passiere kleinen Parteien eben manchmal.

Zu guter Letzt bieten dann an diesem Tag noch die Grünen ein paar interessante Einblicke – besonders, wenn man vorher der CDU zugehört hat. Denn die Modernität, die Daniel Günther so betont, verbuchen die Grünen als ihr Verdienst in der Regierung im Norden. „Wir sind der Motor dieses Bündnisses gewesen“, sagt die Spitzenkandidatin Monika Heinold, beim Klimaschutz und der Energiewende, aber auch bei Sozialem. Nach ihrer Darstellung gibt es zukunftsorientierte Politik nur mit den Grünen. Ein mögliches Bündnis aus CDU und FDP hätten viele Schleswig-Holsteiner in schlechter Erinnerung. Für die Parteivorsitzende Ricarda Lang eine klare Parallele zur bevorstehenden NRW-Wahl, wo ein solches Bündnis regiert. Lang sieht Stillstand und Wechselstimmung in NRW. Das wird man dann wohl abwarten müssen – bis Sonntag.