Wahlkampf im Saarland: Die Oskar-Partei

„De Oskar“ ist der Beste. Jedenfalls der beste Wahlkämpfer. Wer eine Parodie auf den „Müller-Pit aus Eppelborn“ hören will, den früheren saarländischen CDU-Regierungschef Peter Müller, der aus seiner schwarz-gelb-grünen Jamaika-Koalition in Saarbrücken nach Karlsruhe ans Bundesverfassungsgericht flüchtete, muss zu Oskar Lafontaine gehen. Wer kräftige Politattacken liebt, auch. „Denkmal für die Unfähigkeit der CDU“, „Weichei-Haltung des SPD-Vorsitzenden“, „die Grünen als gekaufte Truppe“ – mit solchen Sprüchen bringt Lafontaine, der Spitzenkandidat der Linken für die Landtagswahl im Saarland am kommenden Sonntag, seine Zuhörer in Stimmung.

Er ist jetzt 68 Jahre alt, aber mit Abstand der beste Wahlkämpfer. Da kommen die Spitzenkandidaten der anderen Parteien nicht hinterher, obwohl sie alle sehr viel jünger sind als er. Lafontaine hat immer noch Power. Aber bei seinem Nachnamen nennt ihn hier niemand. Hier im Saarland, wo er Oberbürgermeister von Saarbrücken war und von 1985 bis 1998 Regierungschef, hier, wo er nach dem Rücktritt als Bundesminister und SPD-Chef zurückgezogen sein Comeback vorbereitet hatte, nennen sie ihn nur „de Oskar“.

Wettern gegen Millionäre

Jetzt also spricht de Oskar in Hirstein, einem kleinen roten Dorf mit 1 022 Einwohnern inmitten des tiefschwarzen Landkreises St. Wendel, vierzig Kilometer nordöstlich von Saarbrücken gelegen. Bei Landtagswahlen holte die SPD hier 80 oder gar 90 Prozent. Früher. Jetzt ist hier auch die Linke stark. Denn „de Oskar“ schafft, was man in dem Ort kaum für möglich hielt: Die Kulturhalle, ganz draußen am Feldrand gelegen, ist mit über 150 Besuchern fast überfüllt, als der Chef-Linke mit leichter Verspätung einläuft. Lafontaine reißt die Zuhörer mit einer Mischung aus Invektiven und Witzchen („Alle Millionäre, bitte mal die Hand heben“) zu Begeisterungsstürmen hin. „Wir waren hier früher alle in der SPD“, sagt ein ergrauter Linker, der wegen Kanzler Gerhard Schröders Agenda 2010 sein Parteibuch zurückgab.

Ginge es nur um Prozente, eine rot-rote Koalition nach der Wahl am 25. März wäre kein Problem. In den jüngsten Umfragen liegt die SPD bei 34 Prozent, die Linke bei 15. Doch SPD-Landeschef Heiko Maas hat sich auf eine große Koalition mit der CDU von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer festgelegt, die im Januar die Jamaika-Koalition spektakulär platzen ließ. Am liebsten unter seiner Führung, versteht sich.

Zur Linken im Saarland, der Oskar-Partei, sagt Maas nur: „Die Linken sind nicht regierungsfähig.“ Der Grund: Die Linke wolle die Schuldenbremse, die harten Einschnitte im Etat, den Jobabbau in der Landesverwaltung nicht mittragen. Maas hat es so oft gesagt, morgens, mittags, abends, gefragt und ungefragt, dass er davon nicht mehr loskommt. Es hört sich an wie die saarländische Version des Ypsilanti-Gespensts.

Lafontaine ignoriert das. Unverdrossen bietet er der SPD eine Koalition an. Chancen rechnen die Linken sich aus, falls die Sozialdemokraten am Wahlabend hinter der CDU liegen sollten. Die SPD würde dann nur Juniorpartner der Union. „Mit uns kann Maas Ministerpräsident werden“, lockt Lafontaine. Er wäre dann der Königsmacher. Das ist sein Angebot der Milde.

Es gibt einen Satz Lafontaines über Maas, der zeigt, wie tief die Verletzung durch den Vorwurf der Regierungsunfähigkeit sein muss: „Wenn der Lehrling dem Meister sagt, er hat das Handwerk verlernt, ist das undankbar.“ Maas war unter Lafontaine einmal Umweltstaatssekretär. Er gilt als dessen politischer Ziehsohn. In praktisch jeder Rede des Linken-Wahlkämpfers kommt diese Äußerung vor.

In der Enge des Saarlandes, wo jeder jeden kennt, prägen persönliche Vorbehalte die Politik stärker als anderswo. Ein Beispiel geben auch SPD und Grüne. Im Bund wäre es eine Wunschkoalition. Im Saarland ist ihr Verhältnis unterirdisch – gerade auch durch die tiefe gegenseitige Abneigung der Spitzenleute. Grünen-Chef Hubert Ulrich fädelte 2009 plötzlich Jamaika ein, obwohl die politischen Schnittmengen mit SPD und Linken für Rot-Rot-Grün sprachen – und das Linksbündnis angeblich sogar schon verabredet war.

Maas hat seine Vorbehalte

Maas quittiert die aktuellen Avancen der Ökopartei, doch bitte wieder nett zu sein, überaus hart. Er demonstriert sein Sauer-Sein: „Die Grünen-Spitze ist und bleibt beliebig und flexibel wie eh und je, wenn es darum geht, sich an die Macht heranzupirschen.“ Die Grünen seien im Saarland schlicht überflüssig. Ulrich und die Spitzenkandidatin, Ex-Umweltministerin Simone Peter, versuchen, ihren Zorn darüber zu verbergen. Sie müssen um den Wiedereinzug ins Parlament bangen.

Doch wer glaubt, persönliche Vorbehalte seien an der Saar nur eine Spezialität des linken Lagers, liegt falsch. Auch das Verhältnis zwischen CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer und den Spitzenleuten der FDP ist zerrüttet – nicht erst, seit sie im Januar der FDP die Koalition aufkündigte. Von wegen bürgerliche Sittsamkeit. Die Vokabeln, die intern gebraucht werden, sind nicht zitierfähig.

Die politische Linke fetzt sich freilich öffentlicher. Maas holzte jüngst: „Ich habe Lafontaines Gequatsche satt.“ Das Angebot, eine rot-rote Regierung zu bilden, sei doch nur ein linkes Wahlkampfmanöver. Lafontaine habe ihm im persönlichen Gespräch erklärt, er werde Spitzenkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl 2013. Oskar Lafontaine, der vor drei Jahren wegen einer Krebserkrankung seine Berliner Ämter abgegeben hatte und mit seiner Heimkehr ins Saarland vor allem die Grünen so sehr erschreckte, dass sie in die Arme der CDU flüchteten, weist das zurück. Über seine Zukunft habe er noch nicht entschieden, sagt er. Er wolle die Landtagswahl abwarten.

Damit das Ergebnis gut ausfällt, tourt „de Oskar“ rastlos durch Land. Er lässt Polaroidfotos von sich und den Leuten machen, und dann unterschreibt er. Früher war es erfolgreich, jetzt kommt es arg Retro daher. Die Hoffnung, die SPD werde sich schon noch besinnen gibt er nicht auf. Er selbst, so Lafontaine jüngst, würde „mit jedem paktieren, auch wenn ich ihn überhaupt nicht ausstehen kann, wenn es dadurch gelänge, gemeinsame Inhalte durchzusetzen“.