19-Jähriger warnt vor Abdriften der Letzten Generation: Radikalisierung schadet
Der Jugendrat der Generationenstiftung unterstützt die klimapolitischen Ziele der Letzten Generation. Hier erklärt er, warum er aber die Methoden ablehnt.

Die Generationenstiftung, die 2017 von der Unternehmerin Claudia Langer gegründet wurde und ihren Sitz in Berlin hat, unterstützt die Forderungen der Klimabewegung. Sie hat sich aber nun von der Letzten Generation und den Straßenblockaden distanziert. Arthur Kießling vom Jugendrat der Stiftung, der aus 21 Schülern und Studierenden im Alter von 16 bis 25 Jahren besteht, erklärt, warum.
Herr Kießling, die Generationenstiftung hat sich öffentlich von der Letzten Generation distanziert. Tragen Sie das als Jugendrat mit?
Im Prinzip ja. Wir distanzieren uns von allem, was mit einer Radikalisierung zu tun hat, die der Bevölkerung nicht vermittelbar ist. Der Jugendrat steht für den Einsatz für Generationengerechtigkeit, und das bedeutet für uns: der gemeinsame Kampf gegen den Klimawandel und für soziale Gerechtigkeit. Wir betonen dabei das Wort „gemeinsam“.

Er studiert Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der Universität Mannheim. Kießling arbeitet auch als Werkstudent für einen SPD-Bundestagsabgeordneten.
Was macht die Letzte Generation aus Ihrer Sicht falsch?
Wir haben ähnliche Sorgen und Befürchtungen wie die Letzte Generation. Das Problem ist nicht der einzelne Autofahrer, der zur Arbeit muss, sondern eine Politik, die die fossile Energie- und Autolobby unterstützt, statt jetzt schnell eine Verkehrs- und Energiewende einzuleiten. Wir glauben, dass es effektiver ist, unseren Protest direkt gegen die politischen Akteure zu richten. Unserer Erfahrung nach ist diese Form des Aktivismus auch besser nachvollziehbar für die breite Gesellschaft und sorgt so nicht für Frustration bei Menschen, die eigentlich mit uns Seite an Seite kämpfen könnten. Für den Jugendrat gilt: Jede Radikalisierung tut uns weh.
Gibt es eine Vorgeschichte zu der öffentlichen Distanzierung? Ist der Diskurs über die Strategie innerhalb der Klimabewegung so unfruchtbar, dass Kritik lieber nach außen getragen wird?
Die Frage ist doch, wer in solchen großen Gruppen die richtige Strategie bestimmt. Das ginge nur in Hinterzimmern. Die Klimabewegung war und ist keine homogene Masse. Auch bei uns gibt es Debatten über politische Ausrichtungen und Methoden. Wir stehen für Transparenz und können auf keinen Fall immer alle Entscheidungen einzelner Akteure der Klimabewegung unterstützen. Immer öfter werden wir mit der Letzten Generation und ihren Aktionen gleichgesetzt. Deshalb unterstützen wir die Klarstellung der Generationenstiftung.
Sie erklären, dass Sie wie die Letzte Generation einen Systemwandel anstreben. Welches System meinen Sie eigentlich? Das der Bundesrepublik?
Wir sind überzeugte Demokraten. Aber dennoch sagen wir: Das System, in dem wir leben, ist ungerecht. Das trifft schon heute Menschen in vielen Teilen der Erde, die die Folgen unseres Lebensstils tragen. Morgen wird es die jungen und kommenden Generationen auf der ganzen Welt treffen – auch bei uns. Wir wollen die Demokratie verändern und kämpfen an allen Fronten für mehr Generationengerechtigkeit. Konkret fordern wir endlich Kinderrechte ins Grundgesetz und mehr Mitsprache der jungen Generation in der Gesetzgebung. Zudem sind wir der Meinung, dass diejenigen, die Schäden auf dieser Welt verursachen, ganz nach dem Verursacherprinzip auch dafür haften müssen.
Sie teilen die Sicht der Letzten Generation, dass nur noch wenige Jahre zur Verhinderung der Klimakatastrophe bleiben. Erscheint es in dieser Logik nicht zwingend, zu immer radikaleren Protestformen zu greifen?
Die Klimakrise ist eine so große, allumfassende Krise, dass es geradezu absurd erscheint, notwendige Schritte nicht umzusetzen, weil fundamentale Veränderungen angeblich „Zeit brauchen“. Wir kommen aber um die Zustimmung der Menschen in diesem Land und auf dieser Welt nicht umhin. Die Bewegung zu radikalisieren, würde uns um Jahrzehnte in der Aufklärungsarbeit zurückwerfen. Auch wenn ich den Frust über das politische Nichtstun mehr als verstehen kann: Unsere Aufgabe ist es weiterhin, alle Anstrengungen zu unternehmen, Mehrheiten für unsere Sache zu gewinnen.
Die Generationenstiftung spricht in ihrer Distanzierung auch die Sorge vor einer „grünen RAF“ an. Wie berechtigt ist die Angst vor gewaltbereiten Klimaschützern?
Wenn radikale Gruppen der Mehrheit etwas aufzwingen, egal wie richtig es ist, dann ist das das Ende der Demokratie, und damit haben wir ein gewaltiges Problem. Der Begriff „grüne RAF“ kommt dabei nicht von uns, er ist in letzter Zeit sehr häufig in den Medien gefallen und prägt die Debatte innerhalb und außerhalb von Klimaschützerkreisen. Ja, wir beobachten, dass der jungen Generation in der politischen Debatte kaum Gehör geschenkt wird und der Frust tatsächlich wächst. Nichtsdestotrotz können wir nicht tolerieren, dass sich innerhalb einiger Bewegungen mehr und mehr frustrierte Aktivisten, auch außerhalb von Deutschland, für Gewalt aussprechen. So sehr ich die Beweggründe dahinter sehe – diesen Weg einzuschlagen, ist einfach falsch.
Wie diskursfähig können Sie überhaupt sein, wenn Sie für sich beanspruchen, den einzigen Weg zur Rettung des Planeten zu kennen? Widerspruch muss bei so hohen Ansprüchen ja moralisch verdächtig erscheinen.
Wir stehen für einen respektvollen Umgang miteinander in der Debatte. Und Demokratie und Generationengerechtigkeit sind für uns kein Widerspruch. Es untergräbt die Demokratie, wenn die junge Generation sich nicht gehört fühlt und das Gefühl hat, dass die Politik sehenden Auges ihre Lebensgrundlagen zerstört. Wir sehen aber auch aktuell einige Chancen. Es gibt beispielsweise ein nie dagewesenes Bewusstsein in der breiten Mitte der Gesellschaft für die Gefahren des Klimawandels. Deshalb lehnen wir auch die Blockaden auf der A100 ab. Für uns bleibt das Kanzleramt ein besserer Adressat unseres Protestes.