Warum der Ukraine-Krieg soziale Ungleichheit in Deutschland verschärft

Beim Kongress „Armut und Gesundheit“ geht es vor allem um die Folgen der Corona-Pandemie, doch die Eröffnung überlagert der Konflikt mit Russland.

Armut macht krank: Zwei Rettungssanitäter sprechen mit einem Obdachlosen, der in einer Unterführung liegt.
Armut macht krank: Zwei Rettungssanitäter sprechen mit einem Obdachlosen, der in einer Unterführung liegt.dpa/Sebastian Gollnow

Berlin - Mit dem Zusammenhang zwischen sozialer Stellung und der Anfälligkeit für Krankheiten beschäftigt sich der Kongress „Armut und Gesundheit“. Bis Donnerstag diskutieren insgesamt rund 2000 Teilnehmer, äußern sich an die 500 Experten zu unterschiedlichen Themen. Das übergeordnete Motto lautet: „Was jetzt zählt“.

Die Folgen der Corona-Pandemie und die Auswirkungen der Klimakatastrophe gehören zu den Schwerpunkten der dreitägigen Veranstaltung. Bei der Eröffnung an diesem Dienstag spielte allerdings Russlands Angriffskrieg in der Ukraine eine Rolle. So verwies die Soziologin Jutta Allmendinger in ihrer Einleitung darauf, dass Ukrainer mit höherem Einkommen diese existenzielle Krise besser bewältigen könnten. Diese hätten unter anderem besser gesicherte Häuser und einen besseren Zugang zu Schutzräumen sowie eigene Transportmittel, um dem Schrecken zu entkommen, erläuterte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung in Berlin.

Besonders hart würden ältere Ukrainer vom Krieg getroffen, sagte Allmendinger weiter, da sie meist weniger mobil seien und zurückbleiben müssten. Kinder und Jugendliche wiederum litten unter „tiefgreifenden Prozessen der Angst“. Dies lasse sich auch bei den Geflüchteten feststellen, die am Berliner Hauptbahnhof ankommen, wo die Auswirkungen sozialer Ungleichheit ebenfalls sichtbar würden. Diejenigen zum Beispiel, die der englischen Sprache mächtig seien, stellte Allmendinger fest, „werden ganz anders behandelt“.

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Das Kernthema des Kongresses sind die Konsequenzen aus Armut für die Gesundheit hierzulande. „Was ist nach der Pandemie?“, so hat Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, die zentrale Frage formuliert, sogleich aber darauf hingewiesen, dass der Krieg in der Ukraine auch die soziale Ungleichheit in Deutschland vergrößern werde – mit Folgen für die Gesundheit. „Die Energiekosten gehen gigantisch in die Höhe, und das wird zu einem neuen Armutsrisiko für viele, viele Menschen in unserem Land führen.“

Corona erhöht das Armutsrisiko

Ohnehin hat die Corona-Krise das Armutsrisiko in Deutschland erhöht, die Armutsquote ist gestiegen, die Zahl jener, die weniger als 60 Prozent des nationalen Durchschnittseinkommens beziehen. Das hat unter anderen die Hans-Böckler-Stiftung nachgewiesen. Welche Weiterungen dieser Trend hat, ist unklar.  Doch bei allen Ungewissheiten – manche Gewissheiten haben sich in der Pandemie offensichtlich relativiert, sagte Schlimper: „Zum Beispiel haben Bildung und sozialer Status Auswirkungen auf die Möglichkeiten, Gesundheitskompetenz zu erlangen. Vielen von denen, die Corona geleugnet haben, würde man grundsätzlich Bildungsferne zuschreiben.“

Es ist die 27. Auflage des alljährlichen Kongresses. Zum dritten Mal findet er digital statt.