Warum Sanktionen gegen Putins Oligarchen folgenlos bleiben könnten
Die EU hat viele russische Milliardäre auf die Sanktionsliste gesetzt. Ihre Vermögen sollen eingefroren werden. Doch das ist nicht so einfach.

Der Angriffskrieg gegen die Ukraine, den der russische Präsident Wladimir Putin vor einer Woche befohlen hat, bringt nun auch Unfrieden in die idyllischen Gemeinden rund um den Tegernsee. Dort hat etwa der russische Oligarch Alischer Usmanow offenbar gleich drei Villen in seinem Besitz – und das schon seit rund zehn Jahren. Er dürfte nicht der Einzige sein. In Bayern spekuliert man, dass es rund zehn Oligarchen sein könnten, die sich am Tegernsee eingekauft haben. Bislang wurde darüber nicht viel gesprochen, zumal örtliche Handwerker und Gastronomen bei Aufträgen Verschwiegenheitsklauseln in den Verträgen stehen hatten.
Doch nun ist es genug. Der CSU-Landrat des Kreises Miesbach, Olaf von Löwis, erklärte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag auf Nachfrage, dass bei Oligarchen wie Usmanow auch die Möglichkeit von Enteignungen geprüft werden müsse. Ähnlich hatte sich zuvor auch schon der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan geäußert, dessen Wahlkreis am Tegernsee liegt. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung präzisiert er: „Eine Enteignung würde ja eine Entschädigung nötig machen.“ Wenn, dann müsse man den Besitz beschlagnahmen. „Es darf da keine Denkverbote geben“, fordert der Bundestagsabgeordnete Radwan. Doch da sei man dann im Bereich des Strafrechts. Eine Beschlagnahme sei denkbar, wenn Usamanow etwa Geldwäsche nachgewiesen werden könne.
Dem 68-jährigen Russen kann bislang aber nicht mal zweifelsfrei der Besitz seiner drei Villen nachgewiesen werden. Eigentlich gehören die Immobilien einer Firma namens Tegernsee (IOM) Ltd., die sich wiederum einer Firma auf der Isle of Man zuordnen lässt, deren Spur dann auf den Cayman Islands verschwindet. Ein typisches Geschäftsmodell.
Das ist auch der Grund, warum Usmanows Jacht, die in einer Hamburger Werft vor Anker liegt, von den Behörden erst einmal mit spitzen Fingern angefasst wird. Auf Nachfrage der Berliner Zeitung verwies das Finanzministerium am Freitagabend auf den Senat der Hansestadt. Ansonsten verweist man darauf, dass die Umsetzung von Sanktionen Sache des Wirtschaftsministeriums sei. Doch das Habeck-Ministerium will sich erst einmal auf gar nichts festlegen lassen. Ein Sprecher erklärte diese Woche, die Bundesregierung sei „jetzt intensiv dabei, Maßnahmen zu treffen, um diese Sanktionen effizient und effektiv umzusetzen“. Das heißt im Klartext: Noch ist unklar, was wann und wie passiert.
Beim Netzwerk Steuergerechtigkeit kennt man die defensive Herangehensweise. Dort beklagt man, dass das Einfrieren von Vermögenswerten bei der Durchsetzung von Sanktionen gegen Oligarchen regelmäßig scheitert – weil die Zuordnung der Vermögensverhältnisse immer wieder misslingt. Siehe Alischer Usmanow. Dabei würde es sich durchaus lohnen, tiefer in die Materie einzusteigen. Nach Schätzung des Netzwerkes besitzen reiche Russen insgesamt eine Billion sogenanntes Offshore-Vermögen, also Summen, die dem rechtlichen Zugriff der Behörden entzogen sind. In Deutschland sollen davon rund 20 bis 50 Milliarden in Bank- und Sachguthaben wie Gemälden, Immobilien und eben Jachten angelegt sein.
„Die russischen Milliardäre sind keine Oligarchen im eigentlichen Sinn“
Selbst wenn man das Schwarzgeld natürlich aufspürt und beschlagnahmt, die politische Hoffnung, die dahintersteht, wird jedoch nicht aufgehen – nämlich, dass die betroffenen Oligarchen ihren Einfluss auf Putin geltend machen. Den haben sie nämlich gar nicht, sagt Fabian Burkhardt vom Leibniz-Institut für Osteuropa- und Südosteuropaforschung (IOS) in Regensburg. „Die Milliardäre, mit denen wir es hier zu tun haben, sind keine Oligarchen im eigentlichen Sinn“, sagt er.
Der Begriff besagt, dass die Betroffenen ihren Reichtum nutzen, um politischen Einfluss im Land auszuüben. Burkhardt teilt die russischen Milliardäre in drei Kategorien ein: Da sind einmal die Wirtschaftstycoons, die in den 90er-Jahren reich wurden. Dazu gehört Roman Abramowitsch, der sein Vermögen im Ölgeschäft machte und nach dem Gerichtsverfahren gegen Michail Chodorkowski einige seiner Anteile an russischen Unternehmen verkaufte. Auch Wagit Alekperows vermutlich zweistelliges Milliardenvermögen stammt aus dem Energiesektor. Er ist langjähriger Chef von Lukoil, das in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vom staatlichen Ölkonzern in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Abramowitsch und Alekperow haben mit ihrem Vermögen eine gewisse Unabhängigkeit von Putin, weswegen es nicht abwegig ist, dass gerade sie sich vorsichtig über den Krieg als „Tragödie“ geäußert haben. Eine Opposition formieren sie dabei aber noch lange nicht.
Loyalität gegen Protektion: Putins alte Seilschaft aus St. Petersburg
Auf die Gunst Putins komplett angewiesen sind die Oligarchen der beiden anderen Kategorien: Das sind jene alten Freunde aus Sankt Petersburg, die von ihm begünstigt wurden, etwa die Brüder Arkadi und Boris Rotenberg, Jurij Kowaltschuk und Gennadij Timtschenko, sowie jene, die in den Staatskonzernen Gazprom und Rosneft an der Spitze sitzen und traumhafte Summen verdienen. Für sie gilt besonders: Protektion des Präsidenten gibt es nur mit unbedingter Loyalität. „Solange Putin das Militär und die Sicherheitsorgane kontrolliert, werden sie alle abwarten“, sagt Burkhardt.
Er vermutet ohnehin, dass Kritik, nicht nur aus der Wirtschaft, den russischen Präsidenten nicht mehr erreicht. Das sei ein typisches Zeichen einer autoritären Regierung, die auf einen Mann an der Spitze zugeschnitten ist, sagt Burkhard: „Je länger dieser sich an der Macht hält, desto schlechter sind die Informationen, die er bekommt.“ Putins Krieg gegen die Ukraine kann als fürchterlicher Beweis dieser These gelten.