Wegen Sanktionen: Russland erstmals seit 1918 Pleite?
Russland hat den ersten Zahlungsverzug für Staatsschulden verpasst – gibt jedoch an, die Schulden noch begleichen zu können.

Russland muss den ersten Zahlungsverzug für Zinsen auf Staatsschulden in Fremdwährung seit 1918 verbuchen. Die russische Zentralbank ließ eine Nachfrist für die Rückzahlung von 100 Millionen US-Dollar am Sonntag verstreichen, wie der Nachrichtendienst Bloomberg berichtet.
Die Rückzahlung wäre eigentlich schon am 27. Mai fällig gewesen, jedoch gilt eine Verzugsfrist von einem Monat. Auch diese ließ Russland jedoch verstreichen. Dies gilt als Folge der harten westlichen Sanktionen, die gegen Russland nach dem Beginn der großflächigen Invasion in der Ukraine verhängt wurden. So gibt das russische Finanzministerium laut einem Bericht, der der BBC vorliegt an, dass das Land in der Lage sei zu zahlen. Wegen der Sanktionen könne Russland jedoch das Geld nicht an die Investoren auszahlen. So habe man das Geld an die Bank Euroclear überwiesen. Dort stecken die 100 Millionen US-Dollar jedoch fest.
Die Eurobonds des Landes laufen bereits seit März auf Ramschniveau. Die wichtigsten Banken des Landes sind zudem vom internationalen Zahlungssystem SWIFT abgeschnitten. Die Inflation liegt bereits im zweistelligen Bereich.
Einen Zahlungsausfall hatte Russland letztmalig im Jahr 1918. Damals hatte der kommunistische Führer Wladimir Lenin sich geweigert, Schulden des russischen Zarenreiches zu begleichen. Selbst in den Krisenjahren in den 1990ern hatte Russland seine Auslandsschulden beglichen. Russland hat derzeit Auslandsschulden im Wert von rund 40 Milliarden US-Dollar.
Ist das Pleite oder nicht?
Wie der Nachrichtendienst Bloomberg weiter berichtet, sei der aktuelle Zahlungsverzug Russlands, im Englischen sowie im Russischen als Default bezeichnet, vorerst hauptsächlich symbolisch und spiele für die Russen, die mit einer zweistelligen Inflation und dem schlimmsten wirtschaftlichen Rückgang seit Jahren zu kämpfen hätten, kaum eine Rolle.
Während die Medien dafür gerne den Begriff Pleite oder Staatspleite verwenden, warnt der Ökonom und Politikwissenschaftler Prof. Dr. Alexander Libman von der Freien Universität Berlin vor einem inflationären Gebrauch des Begriffs. Er besteht darauf: Eine Pleite sei wirtschaftlich gesehen etwas, was man bei Privatpersonen und Firmen kenne, also wenn diese ihr Vermögen verlieren. Beim Staat passiere das aber nie, argumentierte Libman Anfang Juni in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung.