Xi Jinping zu Besuch bei Putin: Was sagen die ukrainischen Medien?

Nächste Woche trifft sich der chinesische Premier Xi Jinping mit Wladimir Putin. Wie schätzt die Ukraine die möglichen Ergebnisse ein? Ein Medienüberblick.

Russlands Präsident Putin und Chinas Präsident Xi schworen sich wenige Wochen vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in Peking „grenzenlose Freundschaft“.
Russlands Präsident Putin und Chinas Präsident Xi schworen sich wenige Wochen vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in Peking „grenzenlose Freundschaft“.Pool Sputnik Government/AP

Seit Freitag steht es fest – der chinesische Premier Xi Jinping fährt zu Wladimir Putin nach Moskau. Das Ziel der Reise vom 20. bis 22. März ist einfach, so der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Wang Wenbin: Zum Frieden aufzurufen und Verhandlungen zu fördern. Was die Folgen für die Ukraine sein werden, ist noch ungewiss – die USA warnen, dass Xi möglicherweise schwere Waffen an Russland liefern will; Peking dementiert dies vehement. Und nach der Veröffentlichung Chinas zwölfteiligem Plan für ein Ende der „Ukraine-Krise“ stellt sich auch die Frage, welche eigenen Interessen China mit seinem Eingreifen in den Krieg verfolgen will.

Die Augen der ukrainischen Medien sind schon auf den Besuch gerichtet. Alina Hrytsenko, Chefberaterin des ukrainischen Nationalen Instituts für Strategische Studien, sagte dem ukrainischen Dienst des britischen BBC, bei diesem Besuch werden wohl keine großen Entscheidungen getroffen werden, obwohl bestimmte Vereinbarungen im Bereich der Verteidigung und der Luftabwehrsysteme möglich seien. „Für China wird es wichtig, Russland zu zeigen, dass sie Partner bleiben, dass sie freundschaftliche Beziehungen unterhalten, obwohl sie nicht auf einer Seite der Barrikade stehen“, meint sie. Der Besuch soll auch russischen Propagandazwecken dienen. „Mit diesem Besuch können die Russen sagen: Nicht nur der Iran und Nordkorea sind mit uns befreundet, sondern auch das mächtige China“, so Hrytsenko.

Für Xi dürfte das Treffen eine Gelegenheit sein, vor allem seine eigenen Ziele in Bezug auf Taiwan zu fördern. In einer Analyse der Kyiv Independent, die vor der offiziellen Bestätigung des Besuchs erschien, schreibt Alexander Khrebet, China beobachte den russischen Krieg besonders aufmerksam, da es selbst die vollständige Kontrolle über Taiwan anstrebt. Er hält chinesische Waffenlieferungen für wahrscheinlich – und befürchtet die Folgen für die Ukraine auf dem Schlachtfeld. „Um seinen Interessen zu dienen, könnte China Russland militärische Hilfe anbieten, was den Krieg verlängern, die Zahl der Todesopfer erhöhen und es wahrscheinlicher machen würde, dass Russland zumindest einige seiner imperialistischen Ziele erreichen würde.“

Ukrainischer Politologe: Russland und die Ukraine sind beide Instrumente für China

In einer Nachrichtensendung des Fernsehkanals 1+1 am Freitag schätzte der politische Kommentator Taras Semenyuk ein, Xi werde vor allem mit wirtschaftlichen Zielen nach Moskau fahren. „China betrachtet Russland viel mehr als Ressource, die zur Deckung seiner wirtschaftlichen Bedürfnisse benötigt wird“, sagt er. Russland und die Ukraine seien „Instrumente“, mit der Xi die Position Chinas stärken will. „Mit dem Krieg in der Ukraine will Xi eine globale Opposition gegen die USA stiften – aber China hat auch ein Interesse daran, Russland zu schwächen.“

Eine militärisch-technische Zusammenarbeit zwischen China und Russland schließt Semenyuk nicht aus, erinnert aber daran, dass ein solcher Schritt von den USA und der EU als Grund für Sanktionen angesehen würde. „China hat Angst vor Sanktionen, weil es noch nicht autark ist“, sagt er. Das sollte die EU schon jetzt möglichst klar machen, so Yurii Poita, Leiter der Asien-Pazifik-Abteilung des ukrainischen Forschungszentrums für Armee-, Konversions- und Abrüstungsstudien, in einer weiteren Analyse der Kyiv Independent.

Es wäre auch ein starkes Zeichen im Vorfeld des Besuchs, so Poita, den Beginn des Verfahrens für die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine bekannt zu geben – denn China betrachte die Ukraine als Teil einer postsowjetischen russischen Einflusssphäre und den Krieg als Stellvertreterkonflikt mit dem Westen. „Das würde zeigen, dass der Westen die Ukraine als integralen Bestandteil und nicht nur als Pufferzone betrachtet.“

Taras Semenyuk versteht den Besuch wiederum als ein Signal Chinas an die USA – wirtschaftlich, aber auch in Bezug auf Taiwan. „Einige der größten amerikanischen Unternehmen haben ihre Produktion in China, eine kurzfristige Verlagerung dieser ist nicht realistisch – die Botschaft an die USA ist also, dass es sich lohnt, eine Zusammenarbeit zu suchen“, so Semenyuk. Auch der Zwölf-Punkte-Plan zum Beenden des Krieges sei eher ein Signal als ein ernsthafter „Friedensplan“: Die prominenten Verweise darin auf die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine seien dabei ein weiteres Signal in Bezug auf Taiwan, das China als Teil seiner eigenen „territorialen Integrität“ sieht.

Nach „Friedensplan“: Xi soll auch bald mit Selenskyj telefonieren

Viele Medien erinnern neben deren Analysen um Xis Reise nach Moskau daran, dass er seit Kriegsbeginn kein Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geführt hat; jede Kommunikation zwischen Kiew und Peking lief über die jeweiligen Außenminister, Dmytro Kuleba und Wang Yi. Die Nachrichtenseite Hromadske bemerkt aber, dass, obwohl die Ukraine nicht mit allen Aspekten des Zwölf-Punkte-Plans zufrieden war, es zumindest ein wichtiges Zeichen gewesen sei, dass China sich mit der Ukraine beschäftigt. Selenskyj hat seinen Wunsch nach einem persönlichen Treffen mit Xi geäußert; ein Telefonat wird jetzt nach dem Moskau-Besuch erwartet.

Im Vorfeld des Gesprächs erinnerte die ukrainische Journalistin Nika Melkozerova an dem Inhalt des letzten Gesprächs zwischen Xi und Selenskyj im Juli 2021. „[Selenskyj] hat damals die unveränderte Position der Ukraine in der Frage eines geeinten Chinas bestätigt“, twitterte sie. „Xi sagte, er respektiere den vom ukrainischen Volk gewählten Weg der Unabhängigkeit und unterstütze die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine.“ Die Frage, ob Xi an dieser Äußerung noch festhält und diesen Punkt im Gespräch mit Putin durchsetzt, bleibt offen.

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