Polizei zählt bis Anfang Mai bereits 50 Vorfälle / Israelitisches Krankenheim in Mitte zerstört: Zahl der antisemitischen Straftaten in Berlin steigt

Das ehemalige "Israelitische Krankenheim" der orthodoxen Jüdischen Gemeinde Adass Jisroel an der Torstraße (Mitte) ist von Unbekannten verwüstet worden. Wie die Gemeinde am Sonntag mitteilte, wurden das gesamte Mobiliar und Scheiben "systematisch zerstört". Dabei seien unter anderem "geschichtliche Zeugnisse unersetzbar vernichtet" worden. Anders als bei anderen jüdischen Einrichtungen war Gemeindeangaben zufolge die Bewachung des Gebäudes "vor geraumer Zeit eingestellt worden". Der neue Vorfall reiht sich ein in eine ganze Kette antisemitischer Straftaten. Bereits in den ersten drei Monaten dieses Jahres sind dem polizeilichen Staatsschutz in Berlin 33 antisemitische Vorfälle bekannt geworden. Bis Anfang Mai ist diese Zahl nach Informationen der "Berliner Zeitung" auf rund 50 Fälle angestiegen. Damit wurden während der ersten vier Monate dieses Jahres fast genauso viele antisemitische Straftaten wie im ganzen Jahr 2000 registriert. Besonders wegen des Nahostkonfliktes wird für 2002 damit gerechnet, dass die Zahl des Vorjahres deutlich überschritten wird. 2001 waren 106 antisemitische Straftaten festgestellt worden. Geringe Aufklärungsquote "Medienwirksame Ereignisse wie die Eröffnung des Jüdischen Museums, der Bau des Holocaustmahnmales sowie die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis in Nahost haben verstärkt anonyme Briefeschreiber zum Handeln veranlasst", heißt es im Bericht zur Kriminialitätsstatistik. Die Mehrzahl dieser Schreiben würden an den in Berlin ansässigen Zentralrat der Juden in Deutschland sowie an die Jüdische Gemeinde Berlin adressiert."Hoffnungsvoll stimmt der Rückgang der Gewalttaten", sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bei einem Vortrag in der Jüdischen Gemeinde. Körting bezweifelte aber mit Blick auf die Vorfälle der vergangenen Wochen, dass sich daraus ein Positivtrend ergibt. Erst Ende April kam es beinahe zu einem Brandanschlag auf die Synagoge am Kreuzberger Fraenkelufer. Er wurde in letzter Minute verhindert. "Solche Vorfälle sprechen für sich selbst", sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Alexander Brenner. Besonders beunruhigt ist die Gemeinde, dass von den Anschlägen auf jüdische Einrichtungen bislang kein einziger aufgeklärt worden sei. Ohnehin würden viele antisemitischen Vorfälle gar nicht erst angezeigt, berichtete das Zentrum demokratische Kultur. Da gibt es das Poesiealbum, in dem eine Schülerin als ihren größten Wunsch beschreibt, auf die Realschule zu kommen und "dass alle Juden sterben". "Das ist ein Judenladen", sagte ein anderer Schüler beim Anblick einer Kaufhaustüte eines großen Warenhauses. Eine Gruppe Jugendlicher pöbelte in einer gut besetzten S-Bahn Fahrgäste mit antisemitischen Sprüchen an. Ein junger Mann, der dazwischenging, wurde attackiert und musste im Krankenhaus behandelt werden. Krankenhaus wird geschützt Die Sicherheitsmaßnahmen für das Jüdische Krankenhaus in Wedding sind seit Freitag deutlich verschärft worden. Wie ein Polizeisprecher sagte, habe man sich nach einer "Neubewertung" der Sicherheitslage dazu entschlossen, die bei vielen jüdischen Einrichtungen bestehenden Schutzmaßnahmen auch auf diese Klinik auszudehnen. Die Heinz-Galinski-Straße, in der sich das Krankenhaus befindet, bleibe für den Verkehr gesperrt.Die Polizeistatistik // Im Jahr 2000 wurden dem Staatsschutz insgesamt 56 antisemitische Straftaten gemeldet. Bei 48 Straftaten handelte es sich um Volksverhetzung und um so genannte Propagandadelikte. Wegen Verleumdung bzw. übler Nachrede wurden drei Anzeigen gestellt. Fünf Anzeigen richteten sich gegen Sachbeschädigungen.Im Jahr 2001 hat sich die Zahl der registrierten antisemitischen Vorfälle in Berlin gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt - auf 106. 93-mal ging es um Volksverhetzung beziehungsweise um die Propagierung und Verherrlichung des NS-Regimes.Im Jahr 2002 wurden in Berlin bis Ende März bereits 33 antisemitische Straftaten registriert. Bis Anfang Mai ist diese Zahl auf rund 50 angestiegen.