Presseschau zu Mollath: Lehren aus dem Fall Mollath

Am Tag nach der von ihm verfügten Freilassung Gustl Mollaths wird das Oberlandesgericht Nürnberg von der Presse gelobt und gefeiert wie schon seit langer Zeit kein bayerisches Gericht. Zwar wird der Beschluss des 1. Strafsenats des Gerichts, im Fall Mollath eine Wiederaufnahme des Verfahrens anzusetzen, ausnahmslos gutgeheißen, doch zugleich ist die Forderung unüberhörbar, mit einer Strafrechtsreform die Kriterien für Psychiatrie-Einweisungen und deren Kontrolle zu verschärfen.

In der Süddeutschen Zeitung kommentiert Heribert Prantl: „Den Richtern Wankel, Hoefler und Sauer gebührt also Dank: Sie haben getan, was schon längst hätte getan werden müssen. Doch bei allem Respekt: Man darf, man muss fragen, ob Mollath auch ohne die gewaltige öffentliche Aufmerksamkeit nun am Dienstag, nach sieben Jahren in der Psychiatrie, freigekommen wäre. Die Antwort: Mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht. Schon deswegen nicht, weil es ohne die Verve der Öffentlichkeit zu einem Wiederaufnahmeverfahren gar nicht gekommen wäre. Das ist der Grund, warum der Fall Mollath auch nach seiner jüngsten, erfreulichen Wende so beklommen macht: Denn man sieht die im Lichte – die im Dunkeln sieht man nicht.

Die forensische Psychiatrie ist und bleibt vorerst die Dunkelkammer des Rechts; und der Paragraf 63 Strafgesetzbuch, mittels dessen die Verurteilten dorthin verbracht werden, bleibt ein Paragraf, der in Theorie und Praxis rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht genügt. Es gibt aber die Hoffnung, dass sich das nun, im Lichte des Falles Mollath, ändert. Sowohl die Bundesjustizministerin als auch die bayerische Justizministerin haben Überlegungen zu einer grundlegenden Reform vorgelegt; das Bundesverfassungsgericht, das demnächst über die Verfassungsbeschwerde im Fall Mollath entscheidet, wird hierzu kräftige Hinweise geben. Das ist der Kollateralnutzen des Falles; man wird die neuen Paragrafen Mollath-Paragrafen nennen dürfen.“

Auch Christian Rath von der Tageszeitung ist zufrieden, und auch er verlangt vom Gesetzgeber deutliche Konsequenzen: „Als Lehre aus dem Fall Mollath muss daher vor allem über einen besseren Schutz gegen vorschnelle Psychiatrisierung und übertriebene Gefahrenprognosen diskutiert werden. Denn mit großer Wahrscheinlichkeit ist der freigelassene Franke nämlich kein Einzelfall.“

Die Sorge, selbst in einem Rechtsstaat der Gewalt der Justiz schutzlos ausgeliefert zu sein, spricht auch aus dem Kommentar der Osnabrücker Zeitung: „Mollaths Schicksal ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein Mensch in die Mühlen der Justiz geraten und deren Opfer werden kann, wenn diese nicht ordentlich arbeitet. Zwar lässt sich oft nur schwer beurteilen, ob jemand tatsächlich die Allgemeinheit gefährdet oder nicht, ob jemand ein Querulant ist oder die Wahrheit sagt. Aber gerade wenn Zweifel bestehen, darf nicht leichtfertig das Recht auf Freiheit eingeschränkt werden.“

Die Reaktion auf den Beschluss der Nürnberger Richter ist also gleichermaßen bestimmt von Erleichterung und – Skepsis.