Herr Burkhardt, was erwartet die überlebenden Flüchtlinge auf Lampedusa?
Sie werden noch unter Schock stehen. Italien wird zwar ein Asylverfahren aufnehmen, entlässt die Flüchtlinge aber in der Regel nach sechs Monaten in die Obdachlosigkeit. In den letzten Wochen sind vermehrt auch syrische Flüchtlinge in Italien angekommen, von denen wir wissen, dass ihre Angehörigen in Deutschland leben. Sie nehmen diesen gefährlichen und verzweifelten Weg über das Meer, weil es für sie keinen legalen Zugang nach Deutschland gibt.
Es heißt nach Unglücken wie diesem immer wieder, die europäische Flüchtlingspolitik sei gescheitert. Woran?
Die Abschottung der europäischen Außengrenzen hat dazu geführt, dass die Fluchtwege länger und gefährlicher werden. Seit etwa die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei abgeriegelt wurde, ist die Zahl der Flüchtlinge dort zurückgegangen. Die Fluchtroute verändert sich aber nur und führt nun wieder über das Mittelmeer nach Italien, Malta und Zypern.
Was muss sich ändern?
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Es muss für die Flüchtlinge einen legalen Zugang nach Europa geben. Gegenwärtig ist der Staat zuständig, der einen Flüchtling einreisen lässt. Deutschland und andere schieben sie dann zurück an den Grenzstaat. Das muss beendet werden. So kann Europa nicht funktionieren. Es tritt als Währungsunion und Hüterin der Menschenrechte auf, also muss es auch in der Lage sein, ein Asylrecht einzurichten, das auf Menschenrechten basiert.
Die EU-Kommissarin Cecilia Malmström fordert eine noch härtere Grenzüberwachung.
Das ist eine Bankrotterklärung. Es ist eine Schande für Europa, wie hier gehandelt wird. Und es grenzt an Heuchelei, wenn Malmström und andere jetzt ein härteres Vorgehen gegen die Schleuserbanden fordern. Die Grenzabschottung hat dazu geführt, dass die Flüchtlinge in die Hände von Schleppern getrieben werden.
Welchen Anteil hat die europäische Grenzschutzagentur Frontex an Unglücken wie diesem?
Frontex hat die Aufgabe, aufzuklären, wo und in welchem Umfang sich die Flüchtlingsströme bewegen. Frontex ist kein Seenotrettungsdienst, sondern soll die Einreise der Flüchtlinge nach Europa verhindern. Frontex ist das Symbol für die Abschottung Europas und trägt eine Mitverantwortung.
Wie sollte eine europäische Flüchtlingspolitik aussehen, die Ihren Forderungen entspräche?
Europa muss ein solidarisches Aufnahmesystem entwickeln und die Rückschieberei beenden. Die betroffenen Südstaaten sind auf die Solidarität Europas angewiesen. Somit ist auch Deutschland nicht unbeteiligt.
Das Gespräch führte Katja Tichomirowa.