Prozeß um Anschlag auf "Maison de France": Ex-MfS-Offizier Voigt vor Gericht: Ein Pakt der Stasi mit den Terroristen?
Am 25. August 1983 erschütterte eine Explosion das französische Kulturzentrum "Maison de France" am Kurftirstendamm. Ein Mensch starb, 23 wurden verletzt. Eine Tat, zu der sich der international gesuchte Terrorist "Carlos" später bekannte. Aber auch das damalige DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unterstützte nach Erkenntnissen der Berliner Staatsanwaltschaft den Sprengstoffanschlag. Wegen Beihilfe zum Mord muß sich ab morgen der frühere Leiter der MfS-Unterabteilung Terrorismus, Helmut Voigt (51>, vor dem Landgericht verantworten.Im April 1979 bucht ein untersetzter Mann im Hotel "Stadt Berlin" am Alexanderplatz ein Zimmer. Seinen Namen gibt er mit Ahmed- dil Fawez an, jemenitischer Diplomat. Doch dahinter verbirgt sich der international gesuchte Terrorist "Carlos", der Venezolaner lirich Raniirez Sanchez. Das MiS, das von dem Besuch weill, läßt den Gesuchten unbehelligt. Ebenso ein Jahr später, als sich "Carlos", der Chef der wegen Bombenanschlägen gefürchteten "Separat-Gruppe , erneut in Ost-Berlin aufhält. Ermittler: Stasiunterstützte AttentateNicht nur er bleibt ungeschoren. Auch sein Vertrauter, Johannes Weinrich, der Chef der westdeutschen terroristischen "Revolutionären Zellen" (RZ), kann sich ungehindert in der Hauptstadt der DDR aufhalten.Es ist die Zeit, in der Helmut Voigt die Leitung der MfS- Unterabteilung XXII/ 8, Bekämpfung des internationalen Terrorismus, übernommen hat. Unter der Führung des gelernten Schlossers umwirbt die Stasi Terroristen, um sich ihrer im gemeinsamen Kampf gegen den Klassenfeind den Imperialismus zu bedienen. Nach den Erkenntnissen der Berliner Staatsanwaltschaft ging die Zusammenarbeit sogar so weit, daß das MiS die Terroranschläge der "Separat-Gruppe" unterstützte.Noch im Jahr 1982 war das MIS mißtrauisch. Als Weinrich bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Schönefeld mit 24 Kilogramm Plastiksprengstoff mi Gepäck hat, wird der Sprengstoff beschlagnahmt. Weinrich lieferte den SchlüsselVersuche, ihn zurückzuerhalten, scheitern bis die Stasi im Hotelzimmer Weinrichs Unterlagen findet. Aus ihnen, so heißt es in einer Notiz vom Mai 1983, gehe hervor, daß das französische Kulturzentrum "Maison des France" am West-Berliner Kurfürstendanim "vermutlich von der Separat-Gruppe" als ein Zielobjekt für einen terroristischen Anschlag ausgewählt worden ist."Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erfährt auch Voigt spätestens im Frühjahr 1983 von den Bomben-Plänen und sorgt dafür, daß Weinrich den Sprengstoff zurückerhält und ihn in der syrischen Botschaft in Ost-Berlin deponieren kann. Als im August 1983 weitere Mitglieder der "Carlos-Bande" nach Ost-Berlin kommen, wird der Sprengstoff über die Grenze geschafft. Zwei Tage später, am 25. August, detoniert er im französischen Kulturzentrum, tötet einen und verletzt 23 Menschen. Weinrich verläßt die Stadt.Obwohl sich "Carlos" später zu dem Anschlag bekennt, bleiben die Hintergründe bis 1990 unbekannt. Zu diesem Zeitpunkt beschlagnahmt der Generalstaatsanwalt der DDR die MfS-Akten zum Operativvorgang "Separat", die später der Bundesrepublik Übergeben werden. Gegen Helmut Voigt wird Haftbefehl erlassen. Doch er kann sich rechtzeitig nach Griechenland absetzen. Erst im Juli vergangenen Jahres wird der frühere Oberstleutnant ausgeliefert. Auch RAE-Mitglieder finden UnterschlupfVoigt gilt als "einer der erfolgreichsten Abteilungsleiter" des Mf S. Unter der Ägide des sljährigen finden auch die Terroristen der "Roten Armee-Fraktion (RAF) Christian Klar, Ulrike Mohnhaupt Inge Viett und Adelheid Schulz im Mf 5-Ausbildungslager bei Briesen Unterschlupf. Auf den Truppenübungsplätzen werden sie ausgebildet, erhalten Schießtlbungen und werden im Panzerfaustschießen trainiert. Dabei sollen der Anschlag auf den pfälzischen US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein im August 1932, bei dem 20 Personen verletzt werden, und auf den US-General Federick Kroesen vorbereitet worden sein. Davon ist jedenfalls die Berliner Staatsanwaltschaft überzeugt.Im Prozeß vor dem Landgericht, der zwei Monate dauern soU, wird es allein um den Berliner Anschlag gehen. Voigt wird vermutlich der einzige bleiben, der sich deshalb verantworten muß. Die Drahtzieher Weinrich und "Carlos" sind in Syrien untergetaucht. Das deutsche Ersuchen, Weinrich auszuliefern, blieb bislang unbeantwortet. Der Attentäter, ein Libanese, soll in seiner Heimat im Bürgerkrieg ums Leben gekommen sein. Sigrid AvereschDas französische Kulturzentrum ~Maison de. Franc." am Kurförstendamm nach dem Sprengstoffanschlag Im August 1963. Foto: Ullstein