Prozess um Potzlow-Mord: Psychiater hält einen der drei Täter für nicht voll schuldfähig: Vermindert intelligent
NEURUPPIN. Der 17. Verhandlungstag im Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder des 16-jährigen Marinus Schöberl begann mit einem ungewöhnlichen Antrag. Thomas Weichelt, der Anwalt der Eltern von Marinus, forderte am Donnerstag im Saal 2 des Landgerichtes Neuruppin eine Schweigeminute für deren Sohn. Denn genau an diesem Tag hätte das Opfer seinen 18. Geburtstag feiern können, wenn die drei Angeklagten ihn nicht im Juli vorigen Jahres in einem ehemaligen Stall im Uckermark-Dorf Potzlow brutal getötet hätten. Richterin Ria Becher lehnte den Antrag ab. "Ein Gerichtssaal ist nicht der geeignete Ort, um eine Schweigeminute einzulegen", sagte sie.Gleich danach mussten die Prozessbeobachter und Journalisten den Gerichtssaal verlassen - der Prozess wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt. Denn der psychiatrische Gutachter Alexander Böhle äußerte sich zur Schuldfähigkeit der drei Angeklagten. Da der Hauptangeklagte Marcel Sch. und sein Mittäter Sebastian F. zur Tatzeit erst 17 Jahre alt waren, sollten Details aus ihrem Leben vor der Öffentlichkeit geschützt werden. Dies könnte ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung schaden, hieß es. Auch beim Gutachten über Marcels damals 23-jährigen Bruder Marco blieb das Gericht unter sich.Mit 14 Jahren alkoholkrank Laut Gutachten ist der ältere Bruder nur vermindert schuldfähig. Sein Anwalt Matthias Schöneburg sagte: "Der Gutachter ist zu dem Schluss gekommen, dass Marco alkoholkrank ist. " Die Abhängigkeit habe bereits im 14. Lebensjahr begonnen. Außerdem liege der Intelligenzquotient des Angeklagten bei 55, also weit niedriger als die Grenze für unterdurchschnittliche Intelligenz, die bei 75 bis 90 angesiedelt wird. Als Drittes habe der Psychiater bei Marco eine "krankhafte Persönlichkeitsstörung" festgestellt.Weil Marco zudem bei der Tat schwer angetrunken war, schließe der Gutachter nicht aus, dass Marco zur Tatzeit sein Handeln nicht vollständig steuern konnte und deshalb vermindert schuldfähig ist. "Meiner Meinung nach muss dies strafmildernd gewertet werden", sagte Schöneburg. Damit könnte aus einer möglichen lebenslangen Haft eine 15-jährige Haftstrafe werden.Trotz erheblicher Erinnerungslücken soll Marco dem Arzt glaubhaft berichtet haben, dass einer der beiden anderen Angeklagten das Opfer zwang, in einen Steintrog zu beißen. Dann soll Marcel plötzlich auf den Kopf von Marinus gesprungen sein. Alle Tatbeteiligten seien darüber entsetzt gewesen, sagte der Verteidiger. Später habe der jüngere Bruder das Opfer mit einem Stein erschlagen."Auch bei dem jüngeren Bruder besteht die Möglichkeit, dass er vermindert schuldfähig ist", sagte dessen Anwalt Volkmar Schöneburg. Allerdings sei der Befund nicht so eindeutig wie bei Marco. Marcel soll in seiner Entwicklung zurückgeblieben sein. Er sei unterdurchschnittlich intelligent, und war während der Tat schwer betrunken. Sein Anwalt erwartet, dass Marcel nicht die Höchststrafe von zehn Jahren nach dem Jugendstrafrecht erhält.Sebastian F. ist auch vermindert intelligent aber wahrscheinlich voll schuldfähig. Es hängt vom Gericht ab, wie es die starke Alkoholisierung des Jugendlichen während der Tat bewertet.