Schwimmflügel, Bauchgurt, Badeweste: Welche Schwimmhilfe ist gut, welche nicht?

Kann man sein Kind bedenkenlos mit Schwimmhilfen ins Wasser lassen? Ein erfahrener Schwimmlehrer und ein DLRG-Rettungsschwimmer erklären, was zu beachten ist.

Ring, Flügel, Gürtel: Der Markt an Schwimmlernhilfen ist riesig.
Ring, Flügel, Gürtel: Der Markt an Schwimmlernhilfen ist riesig.Roshanak Amini für die Berliner Zeitung am Wochenende; Bilder: imago (3)

Wer mit seinem Kind planschen geht, packt in aller Regel auch die Schwimmflügel ein. Denn das Kleine soll ja sicher sein und sich möglichst frei im Wasser bewegen können. Oft werden die aufblasbaren Flügel auch zum Schwimmenlernen verwendet. Aber ist das überhaupt richtig?

Der Markt an Schwimmlernhilfen ist riesig. Es gibt die Wasserunterstützer in allen Farben und Formen: Badeanzüge mit integrierten Schaumstoffkissen, Badewesten, Armringe, aufblasbare Stoffkissen. Und natürlich gibt es nach wie vor auch noch den guten alten Schwimmring.

Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Produkten sind gewaltig. Die Stiftung Warentest hat zuletzt 2011 einige Schwimmhilfen getestet und riet: „Achten Sie beim Kauf von Schwimm­hilfen unbe­dingt auf die Kenn­zeichnung EN 13138. Sie gibt an, dass die Schwimm­hilfe nach der richtigen Sicher­heits­norm geprüft wurde. Schwimm­flügel, -gürtel und -westen sind kein Wasser­spielzeug, sondern persönliche Schutz­ausrüstungen, die Kindern beim Schwimmen­lernen helfen sollen.“

Gerade bei Wasserbooten und anderen Produkten für kleine Kinder sei es wichtig, so die Tester weiter, dass es zwei Luftkammern gebe. Falls nämlich eine kaputt gehe, könne die andere ein Untergehen verhindern oder zumindest verlangsamen. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass insbesondere die Plastikverschlüsse dder Aufblasventile leicht abreißen können.

Was gilt als Schwimm(lern)hilfe?

Fachleute unterscheiden zwischen Schwimmhilfen und Schwimmlernhilfen. Letztere dienen dazu, das Schwimmenlernen zu erleichtern beziehungsweise zu unterstützen, beispielsweise eine Poolnudel oder sogenannte Schwimmkissen (siehe unten), wohingegen Schwimmhilfen – Flügel, Gurte, Westen – in erster Linie zum Planschen geeignet seien und lediglich dafür sorgen, „dass das Kind nicht untergeht“, sagt der Präsident des Schwimmlehrerverbandes Alexander Gallitz.

Seine Expertise speist sich aus gut 35 Jahren Schwimmlehrererfahrung: „Wenn Eltern viel mit ihrem Kind schwimmen und planschen gehen, schon von Anfang an, kann ein Kind bereits mit drei Jahren das Seepferdchen machen. Das setzt aber auch voraus, dass man dem Kind ermöglicht, im Wasser eine natürliche Position einzunehmen und den Auftrieb zu spüren. Dem entgegen stehen im Prinzip alle Schwimmhilfen für Babys und Kleinkinder, bei denen sie sich aufrecht im Wasser bewegen.“

Das Problem: Um schwimmen lernen zu können, muss man sich waagerecht im Wasser befinden, die Arme sollten frei beweglich sein. Wer Schwimmflügel, -westen oder andere Hilfsgeräte umgeschnallt hat, ist aufrecht im Wasser, und die Arme befinden sich seitlich, das Kind paddelt irgendwie umher. „So kann man die nötige nach vorn und dann seitlich-rückwärts gerichtete Schwimmbewegung der Arme nicht lernen“, sagt Gallitz.

Das sei eine Hürde unmittelbar beim Schwimmkurs, aber auch grundsätzlich. Denn: „Das Gehirn speichert eine falsche Körperhaltung im Wasser ab, es ist sozusagen ein hinderliches Training. Das Schwimmenlernen wird unnötig erschwert“, so der Schwimmlehrer weiter.

Besser sei es, sein Kleinkind – natürlich unter Beobachtung – mit einer Poolnudel üben zu lassen, über die das Kind sich legt; die Nudel ist unter die Brust und entlang der Achseln gelegt. „So spürt das Kind den Auftrieb, kann mit den Beinen strampeln und die Arme vor dem Körper bewegen. Das ist eine ideale Voraussetzung, um schnell das Schwimmen zu erlernen“, fasst der Vereinspräsident zusammen.

Er selbst verwendet im Schwimmunterricht neben der Poolnudel auch sehr gern sogenannte Schwimmkissen, an deren Weiterentwicklung er beteiligt war. „Man schnallt sie dem Kind um den Bauch und kann sie ohne Ventil im nassen Zustand aufpusten“, erklärt Alexander Gallitz. „Außerdem kann man auch Luft ablassen und so den Auftrieb gut regulieren.“

Schwimmkissen gibt es bereits seit den 1920ern. Entwickelt hat sie die Firma Schlori, das ist ein Akronym für Schwimmen lernen ohne Risiko. Das Patent ist längst abgelaufen. Mittlerweile gibt es die Schwimmkissen unter anderem als Flipper Swim Safe, die Weiterentwicklung in Knallorange.

Schwimmflügel, Schwimmwesten, Schwimmgürtel: Was ist sicher für Kinder?

Sofern das Wasserprodukt geprüft und zertifiziert ist (siehe oben), gilt es als sicher. Achten Sie zum Beispiel auch auf das CE-Siegel. Schwimmflügel, -westen und -gürtel sorgen dafür, dass das Kind im Wasser nicht untergeht. Dennoch sollten Sie Ihr Kind keinesfalls unbeobachtet lassen, auch nicht kurz. Kinder ertrinken still, ohne Geschrei, weil sie in Schockstarre verfallen und sich sowieso darauf konzentrieren, bloß kein Wasser in den Mund zu bekommen. Und dazu kann schon sehr flaches Wasser reichen.

Gerade Kleinkinder haben einen im Verhältnis zu ihrem Körper schweren Kopf. Die Muskulatur reicht nicht, um ihn aktiv aus dem Wasser zu heben. „Halten sich Kinder im Wasser auf, sollte man sie stetig im Auge behalten. Denn geraten sie in Not, reagieren sie völlig anders als Erwachsene. Das gilt vor allem für Kinder bis etwa acht Jahre“, schreibt polizei-dein-partner.de, eine Website, die einer Tochtergesellschaft der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gehört.

Und auch Michael Neiße, Rettungsschwimmer seit den frühen 1970ern und Pressesprecher bei der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) in Berlin, bestätigt: „Kleine Kinder können sogar in Pfützen ertrinken beziehungsweise ersticken, denn sie halten instinktiv die Luft an. Die meisten Schwimmhilfen bieten nur eine scheinbare, eine trügerische Sicherheit, weil sie keinen Kragen haben, der das Gesicht oberhalb der Wasserlinie hält, beispielsweise im Falle einer Ohnmacht.“

Jedes Wochenende ist Michael Neiße im Einsatz, hat schon so viele Menschen – Erwachsene und Kinder – aus dem Wasser gerettet, dass er vor Jahren aufgehört hat zu zählen. „Natürlich kann man Schwimmflügel und auch andere Hilfsprodukte nutzen, um mit seinem Kind im Wasser zu planschen. Aber man darf es auch dann nicht aus den Augen lassen, sollte stets daneben stehen und muss jederzeit griffbereit sein.“

Bei der DLRG bringt man Kindern das Schwimmen in der Regel ohne Hilfsmittel bei. „Hierfür ist es sinnvoll, wenn schon Babys viel im Wasser waren und keine Angst vor Wasserspritzern im Gesicht haben. Das nämlich ist ein Hinderungsgrund, wenn ein größeres Kind schwimmen lernen möchte, aber damit nicht vertraut ist. Hinzu kommt, dass Kinder zu wenig Körperspannung aufbauen, wenn sie Schwimmhilfen tragen. Auch das trägt zum guten Schwimmenlernen nicht gerade bei. Vielmehr müssen die Kinder lernen, dass sie sich bewegen müssen, um nicht unterzugehen“, fasst Verbandssprecher Michael Neiße zusammen.

Schwimmreifen lehnen die Fachleute im Übrigen ab. Beide Experten sagen, dass ein Schwimmreifen zum Spielen in Ordnung ist, letztlich aber keine Sicherheit bietet, weil die Kinder hindurchrutschen oder leicht vornüberkippen können. Das ist insbesondere dann gefährlich, wenn man als Elternteil nicht unmittelbar daneben steht, um das Kind schnell wieder aus dem Wasser ziehen zu können.

Deshalb rät DLRG-Sprecher Michael Neiße auch, dass Eltern eben nicht auf einer Liege am Beckenrand lesen und ab und zu einen Blick aufs Kind werfen oder sich nebenbei mit jemandem unterhalten sollten. Ein Kind am oder im Wasser brauche die ungeteilte Aufmerksamkeit und die Nähe seiner Eltern.

Insofern gilt: Keine Schwimm(lern)hilfe bietet absolute Sicherheit vor dem Ertrinken. „Als Sicherungsmaßnahme sind Schwimmflügel und andere Produkte durchaus geeignet, doch sie ersetzen nicht das Aufpassen eines Erwachsenen“, sagt der Rettungsschwimmer.