Sobald man draußen sitzt, dauert es nicht lange, und schon fängt das Summen an: Wespen umschwirren uns derzeit gefühlt immer und überall. Sie steuern unsere Getränke an, setzen sich auf Speisen, rücken uns nah zu Leibe.
Das nervt! Aber sind es dieses Jahr mehr Wespen als sonst? Und sind sie nicht irgendwie auch aggressiver? Nun: „In diesem Jahr haben wir dreimal so viele Beratungen wie im letzten Jahr, was darauf schließen lässt, dass es mehr Nester und somit mehr Wespen gibt“, sagt Diplom-Biologe Dr. Stephan Härtel, Wespen-Experte beim Berliner Nabu. „Man kann sich an uns wenden, wenn man beispielsweise ein Wespennest am Balkon, am Haus oder im Garten hat und wissen möchte, wie man sich richtig verhalten soll.“
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In der Regel raten die Naturschützer dann zur sogenannten Kooperation: Man lässt das Wespennest, wo es ist und geht den Insekten aus den Weg, verhält sich in ihrer Gegenwart besonders ruhig. „Wo das nicht möglich ist, klären wir, ob man das Nest umsiedeln kann.“ Das kommt aber nur selten vor, weil man meistens mit einfachen Tipps gut mit einem Wespenstaat leben kann.
Die Beratungen des Nabu-Hymenopterendienstes zu Wespen sind kostenlos. Hymenopteren sind Hautflügler: Neben Wespen sind das beispielsweise Bienen, Hummeln und Hornissen. Das Projekt wird von der Senatsumweltverwaltung gefördert. Die Beratungen finden telefonisch, per Mail oder Messenger, aber gegebenenfalls auch vor Ort statt.
Sind die Wespen derzeit aggressiver als sonst?
Es gibt in Deutschland etwa 620 Wespenarten, von denen im Wesentlichen vier ihre Nester in unmittelbarer Umgebung von Menschen errichten, also etwa an Häuserfassaden. „Zwei von ihnen, die Sächsische und die Mittlere Wespe, sind derzeit mit ihrer Entwicklung durch und stellen, wenn man so will, kein Problem mehr dar“, so Dr. Stephan Härtel.

Ganz anders die Gemeine Wespe und die Deutsche Wespe: Die beiden erreichen ihren Höhepunkt Mitte August. „Jetzt kommt die Zeit, in der die neuen Königinnen aufgezogen werden und sich verpaaren“, weiß der Experte. „Zugleich ist es so, dass die alte Königin schwächer wird und stirbt. Das heißt, dass sich für den Wespenstaat eine etablierte Ordnung fundamental ändert. Das stresst die Tiere.“
Im September nimmt die Zahl der Arbeiterinnen ab. Es kommt kein neuer Nachwuchs mehr, weil die alte Königin keine Eier mehr produziert, und die neuen noch kein eigenes Nest gründen. In jedem Winter stirbt das Wespennest aus und wird auch im nächsten Jahr nicht wieder bezogen. Es überleben nur die jungen Königinnen zur Bildung der nächsten Generation.
„Die Wespen sind im August nervös, weil die Nahrungsverfügbarkeit geringer ist und gleichzeitig sehr viel Brut versorgt werden muss“, erklärt der Nabu-Biologe. In anderen Worten: Die Insekten haben schlicht und ergreifend Hunger. Und darum stürzen sie sich auf unsere Speisen.
„Die Gemeine und die Deutsche Wespe sind auch jene Arten, die gern zu uns an den Tisch geflogen kommen“, so Dr. Stephan Härtel. „Man kann sie sogar leicht unterscheiden. Beide haben am Kopfschild eine unterschiedliche Zeichnung, wie wir es nennen, das sind die gelb-schwarzen Felder. Die Zeichnung bei der Gemeinen Wespe sieht aus wie ein Anker, bei der Deutschen Wespe sind es meist drei Punkte.“
Fazit: Den Lauf der Dinge abwarten
Aktuell sind die Wespen (beziehungsweise zwei der in unserer Nähe lebenden Arten) aggressiver als in den zurückliegenden Wochen, jedoch nicht mehr als im Vergleich zu den Vorjahren. Das liegt zum einen daran, dass sie immer weniger Nahrung finden, und ist zum anderen der Tatsache geschuldet, dass die alte Königin bald sterben wird – und mit ihr der gesamte Hofstaat. Die Insekten reagieren empfindlich auf derartige Veränderungen.
Uns allen bleibt aktuell nur: Den Lauf der Dinge abwarten und allen Wespen aus dem Weg gehen. In wenigen Wochen wird es viel weniger umherfliegende Insekten geben. Aber dann sitzt man auch nicht mehr draußen und genießt ein Eis mit frischen Früchten …