Amsel, Meise, Rotkehlchen: Warum sind gerade so wenige Vögel am Futterhaus?
Im Winter stellen viele Menschen Vogelhäuser und Futterstationen auf. Doch derzeit sind kaum Vögel zu sehen, sie fliegen immer wieder weg. Ist das normal?

Da stellt man ein besonders hübsches Vogelhäuschen auf, hängt Meisenknödel daneben, installiert eine Futterstation, drapiert allerlei Fressmöglichkeiten an Baum und Borke – und dann lässt sich kaum ein Vogel blicken. Wie kann das sein?
Für uns Menschen ist es ein schöner Anblick, den Vögeln dabei zuzusehen, wie sie an den zur Verfügung gestellten Futterplätzen picken und fressen. Hinzu kommt das wohlige Gefühl, etwas Gutes zu tun, den Tieren das Überleben zu sichern.
„Die meisten Vögel, denen wir mit der Winterfütterung helfen wollen, brauchen unsere Futterhilfe nur indirekt“, weiß Wildtierreferent Derk Ehlert von der Senatsumweltverwaltung. „Die Vögel, die an die Futterstellen kommen, sind in der Regel keine gefährdeten Arten.“
Schlimm oder schädlich sei das Füttern aber normalerweise nicht – im Gegenteil. Nur müsse man sich klarmachen, so der Fachmann, dass man mit der Zufütterung sicher keine Vogelarten rette, wohl aber die heimischen Vögel kennenlernt. Jene Vogelarten, die hingegen dringend unsere Unterstützung bräuchten wie beispielsweise die Vögel der Agrarlandschaft, erreichen wir mit dem gezielten Füttern leider nicht.
„Wirklich helfen kann man den Vögeln in der Stadt, indem man naturnahe Gärten anlegt und mehr Wildnis zulässt“, so Derk Ehlert. Heißt konkret: Nicht ständig Rasen mähen, nicht alles begradigen, Sträucher eher wuchern lassen, heimische Pflanzen mit reifenden Beeren und Samen pflanzen, Totholz liegen lassen – dort nämlich leben dann Insekten, die Futter für die Vögel sind. Im Dickicht können sie sich verstecken, heimische Pflanzen bieten Früchte zum Fressen.
„Viel wichtiger noch als das gezielte Füttern wäre in der Stadt auch der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, an denen immer noch zu viele unserer Singvögel sterben“, sagt Derk Ehlert.
Warum sind gerade kaum Vögel am Vogelhaus?
„Aktuell fällt auf, dass man kaum Vögel zu Gesicht bekommt“, beobachtet auch er. „Das liegt aber nicht daran, dass es weniger Vögel gibt, sondern an der aktuellen Witterung. Der Boden ist nicht gefroren, es ist relativ warm. Und so finden etliche der hier überwinternden Vögel auch genug natürliche Nahrung, Regenwürmer zum Beispiel.“
Für den Experten ist klar: „Wer isst schon aus der Konserve, wenn es etwas Frisches gibt?“ Weil es derzeit also so mild ist und die Vögel ihre Lieblingsspeisen in der Natur suchen, ist der Hunger nicht so groß, dass sie zur Futterstelle fliegen müssten.
Möglicherweise sind der Standort oder die Aufhängung auch nicht optimal. Vögel kommen nur dann, wenn sie sich nicht in große Gefahr begeben. Futterspender sollten so aufgehängt werden, dass die Vögel freie Sicht haben und nicht etwa eine Katze sich aus dem Hinterhalt anschleichen kann. Zugleich sollte aber auch ein Baum, ein Strauch oder eine Hecke in der Nähe sein, wohin sich die Vögel flüchten können, falls plötzlich Gefahr droht. Auch sollten Futterhäuschen in einer Höhe von mindestens 1,50 Meter aufgestellt werden.
Darüber hinaus rät der Nabu: „Wählen Sie Futterspender (Futtersilos), bei denen die Tiere nicht im Futter herumlaufen und es mit Kot verschmutzen können. Auf diese Weise minimieren Sie die Übertragung und Ausbreitung von Krankheitserregern.“
Was sollte man Vögeln füttern?
Auch beim Vogelfutter selbst sollten Sie überlegen, wen Sie anlocken möchten: Körnerfresser wie Grün- oder Buchfinken oder doch eher Amseln und Rotkehlchen, die weiches Futter bevorzugen? In jedem Fall gilt: „Wenn Sie füttern, dann regelmäßig und auch nicht zu viel. Die Vögel sollten wissen, dass es diesen Futterplatz gibt.“ Falls Sie ihn gerade erst angelegt haben, kann es auch sein, dass es sich sozusagen erst einmal herumsprechen muss.
Stellen Sie zu viel Futter bereit, kann es sein, dass es verschmutzt wird oder aber unerwünschte Gäste – Ratten, Waschbären – angelockt werden. Deshalb rät der Experte dazu, offene Futterhäuschen und auch Trinkschalen abends möglichst abzuräumen. „Zudem sollte man die Futterstellen gänzlich entfernen, wenn man beobachtet, dass sich ein Vogel merkwürdig verhält. Es könnte die Vogelgrippe oder eine andere ansteckende Krankheit sein“, warnt Derk Ehlert.
Zu den unerwünschten Gästen zählen für viele Menschen auch Tauben und Nebelkrähen. „Von beiden haben wir relativ hohe Bestände in Berlin“, so der Experte. Man wird sie also niemals gänzlich von den Futterstellen vertreiben oder fernhalten können, sondern muss sich mit ihnen arrangieren. „Es wird nicht funktionieren, dass sie nur einige bestimmte Vogelarten füttern. Zwar können Sie Krähen oder Tauben verscheuchen, aber beide Arten sind klug, warten kurz ab und kommen dann zurück.“
Wenn Sie mögen, können Sie auch im Winter Tränken aufstellen, aus denen die Vögel trinken oder in denen sie baden können. „Vögel sind sehr reinliche Tiere, die gern baden“, weiß der Wildtier-Fachmann. „Das Wasser in der Schale sollte täglich erneuert werden und darf nicht zu tief sein, sodass die Vögel noch immer darin stehen können.“
Sollte man Bio-Vogelfutter kaufen?
Wenn Sie das Geld übrig haben, ist hochwertiges Bio-Vogelfutter die bessere Wahl. Und zwar aus mehreren Gründen, wie der Nabu ausführt: „Billiges Vogelfutter wird meist mit großen Anteilen an Weizenkörnern gestreckt. Diese werden von den Vögeln erst dann gefressen, wenn alle anderen Samen aufgebraucht sind, sonst aber aus der Futterstelle entfernt. Dies führt daher meist zu großen Mengen ungenutzten Vogelfutters am Boden.“
Das wiederum kann Ratten anlocken, die Allesfresser sind und auch Vogelfutter mögen. Zudem könnten durch das billige Vogelfutter „invasive Pflanzenarten, wie zum Beispiel die stark allergieauslösende Ambrosie, verbreitet werden“, warnt der Nabu.
Mit dem Kauf von Bio-Vogelfutter tun Sie aber nicht nur den Vögeln in Ihrem Garten etwas Gutes, sondern auch jenen Arten, die wir kaum zu Gesicht bekommen und die als gefährdet eingestuft werden, darunter der Eisvogel und die Feldlerche.
Das meiste Vogelfutter, das es zu kaufen gibt, wird angebaut in „der konventionellen Landwirtschaft, die heute kaum mehr geeigneten Lebensraum für unsere gefährdeten Agrarvogelarten bietet“, schreibt der Nabu. „Daher ist es sinnvoll, Vogelfutter aus biologischem Anbau zu kaufen. Für unsere Gartenvögel ist es besser, da Vogelfutter aus konventionellem Anbau durchaus mit Pestiziden belastet sein kann. Biologisches Futter bietet auch den Vögeln im Anbaugebiet einen besseren Lebensraum.“
Warum fliegen die Vögel ständig wieder weg?
Wer die Futterstation beobachtet, stellt schnell fest, dass die Vögel immer wieder kommen, um etwas aufzupicken, aber sofort wieder wegflattern, um kurz darauf erneut zum Fressen zu kommen. Warum fressen sie sich nicht satt? Ist das nicht wahnsinnig anstrengend, immer wieder hin- und herzufliegen?
Vollkommen normal und typisch sei das, so der Wildtierexperte: „Futterplätze sind auch immer Jagdplätze für Greifvögel und Bodenfeinde, insofern versuchen die meisten Vogelarten, dort nur so kurz wie irgend möglich zu verweilen.“