Streit, Schweigen, Sex: Wann sollte man zur Paartherapie gehen?

Wie funktioniert eine Paartherapie? Was kostet das? Für welche Probleme ist sie geeignet? Welcher Zeitpunkt ist gut, um sich Hilfe zu suchen? Ein Ratgeber.

Die Körpersprache sagt alles: Wenn Resignation und Frust die Partnerschaft dominieren, kann eine Paartherapie helfen.
Die Körpersprache sagt alles: Wenn Resignation und Frust die Partnerschaft dominieren, kann eine Paartherapie helfen.imago stock&people

Man kann eine Beziehung auch einfach laufen lassen, sich in ihr und den Gegebenheiten einrichten – und damit sogar glücklich sein. Doch für die meisten von uns bedeuten Liebe und Partnerschaft auch Arbeit. Man regelt den Alltag, streitet um Kleinigkeiten, debattiert stundenlang übers große Ganze oder beschweigt Dinge, die ausgesprochen werden müssten.

So kann es passieren, dass die Beziehung unwillentlich auf dem Abstellgleis landet und man nur noch Organisatorisches miteinander zu bereden hat. Das dann in Angriff zu nehmen, um die Liebe zu retten, kostet Kraft. Die Überwindung, sich einzugestehen, dass man sich komplett verhakt hat, ist groß.

Die Lösung in solchen Situationen heißt für viele: Paartherapie. „Das ist ein wichtiger Schritt, wenn man an die Beziehung glaubt“, sagt die Kreuzberger Paartherapeutin Anja Wermann. „Allerdings ist es so, dass die meisten Paare tendenziell zu spät kommen.“

Wann sollte man zur Paartherapie gehen?

Am besten, so sagt es nicht nur Wermann, sollte man regelmäßig über seine Beziehung reflektieren – und zwar schon bevor es dauernde Streitigkeiten gibt. „Ich finde es sinnvoll, wenn man als Paar etwa alle drei Monate vorsorglich zu einer Beratung geht, um darüber zu sprechen, ob sich nicht doch Themen entwickeln, an denen man arbeiten sollte, damit sie nicht zu groß werden“, sagt die Expertin. Und selbst wenn der Vergleich etwas hinkt: Mit seinem Auto geht man schließlich auch regelmäßig zum Check-up.

Aber die meisten Paare gehen erst zu einem Therapeuten, wenn ein Problem überdeutlich ist und vielleicht sogar die Beziehung bedroht. „Das ist in Ordnung, meistens kann man die Liebe retten“, so Anja Wermann. „Es dauert dann im Zweifel nur länger, als wenn das Paar früher gekommen wäre.“ So kann es auch passieren, dass aus einer Paarberatung eine Trennungsberatung wird. In aller Regel lassen sich die Fronten aber wieder aufweichen, sodass beide sich wieder aufeinander zubewegen.

Wie läuft eine Paartherapie ab?

Grundsätzlich geht man als Paar zu einer Paartherapie, nicht als einzelne Person. „Man kann selbstverständlich auch Einzelpersonen therapieren, aber dann ist es natürlich keine Paartherapie. Man kann keine Paartherapie durchführen, wenn nicht beide Beteiligten dabei sind“, so die Fachfrau.

Man sitzt sich gegenüber und spricht über das, was einen bewegt. Die Therapeutin oder der Therapeut moderiert das Gespräch, stellt Fragen, gibt Denkanstöße, ergreift aber nicht Partei. Manchmal sitzen einem auch sowohl ein Therapeut als auch eine Therapeutin gegenüber, um sicherzustellen, dass Sie und auch Ihre Partnerin oder Ihr Partner sich repräsentiert sehen.

Wie oft man kommt, hängt vom Problem und der Dringlichkeit ab. Manch ein Paar geht jede Woche zur Therapie, ein anderes nur einmal im Monat. Eine Sitzung dauert – je nach Anbieter – zwischen 50 und 90 Minuten.

Was kostet eine Paartherapie?

Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine Paartherapie nicht, Sie müssen also alles selbst zahlen. Rechnen Sie im Schnitt mit etwa 100 Euro pro Sitzung, zudem sollte Ihnen klar sein, dass Sie eventuell mehrere Sitzungen brauchen, um alles wieder in den Griff zu kriegen. Erfragen Sie die Kosten am besten im Vorfeld, sofern sie nicht auf der Homepage der beratenden Person angegeben sind.

Sie können zu niedergelassenen Therapeutinnen oder Therapeuten gehen, ebenso bieten kommunale Familienberatungsstellen Hilfe an. Diese sind bei den Bezirksämtern angesiedelt. Darüber hinaus gibt es Paarberatungen bei Vereinen wie Pro Familia oder kirchlichen Einrichtungen, etwa der Caritas.

Sie müssen nicht konfessionell gebunden sein, um die Hilfe einer kirchlichen Einrichtung in Anspruch zu nehmen. Mitunter sind deren Angebote kostenlos und können auch online stattfinden. Online-Beratungen werden aber auch von niedergelassenen Fachleuten angeboten. Fragen Sie am besten kurz nach, wenn Ihnen das wichtig ist.

Ist schlechter Sex ein Grund, zur Paartherapie zur gehen?

Das Thema Sex ist einer der häufigsten Gründe, weshalb Paare eine Therapie beginnen. Entweder ist der Sex ganz eingeschlafen oder aber einer der beiden möchte mehr, der andere weniger. „Meistens, aber nicht immer, ist es die Frau, die das Gefühl hat, es wird von ihr erwartet. Dass sie sozusagen liefern soll“, sagt Wermann. „Und umgekehrt leidet der Mann unter der mangelnden körperlichen Zuwendung, hinter der oft auch der Wunsch nach Bestätigung steckt, was dann zu Frustration und Rückzug führt.“

So nachvollziehbar die individuellen Empfindungen auch sein mögen – gesund für die Beziehung sind sie nicht. „Natürlich gibt es auch Paare, die ohne Sex leben und glücklich sind. Das ist okay, kein Sex ist nicht unbedingt ein Therapiegrund“, so die Psychologin weiter. „Und selbstverständlich gibt es immer mal wieder Phasen, wo der Sex in den Hintergrund tritt, vielleicht weil man kleine Kinder hat oder anderweitig Stress, beispielsweise durch die Pflege von Angehörigen, Jobverlust oder eigene Krankheit.“

In solchen Zeiten hilft es, Nähe übers Kuscheln, zärtliche Gesten und anerkennende Worte herzustellen. Wird die Enthaltsamkeit jedoch zum Dauerzustand, könnte eine Paartherapie sinnvoll sein. Sind Sie als Paar schon seit Längerem der Meinung, dass Ihr Sexleben nicht so ist wie es mal war oder sein sollte, scheuen Sie sich nicht, Hilfe zu suchen.

„Man guckt dann, was wirklich dahintersteckt“, erklärt Therapeutin Anja Wermann. „Normalerweise lehnt eine Person den Sex nicht grundsätzlich ab, sondern es geht um etwas ganz anderes. Es kann sein, dass der Sex, so wie er in der Beziehung stattfindet, nicht mehr als erfüllend empfunden wird.“ Möglicherweise gibt es unausgesprochene Fantasien, die ausgelebt werden wollen.

Was auch vorkomme: „Viele Frauen klagen darüber, dass sie mehr im Haushalt erledigen, sich damit nicht gesehen fühlen und einfach erschöpft sind von den vielen Aufgaben, die auf ihnen lasten“, sagt die Expertin. Wenn diese oder andere schwelende Konflikte besprochen und aus dem Weg geräumt seien, würde es auch im Bett bald wieder besser laufen, so Wermann: „Manchmal klappt das schon in einer Sitzung. Man muss halt nur zu dem eigentlichen Knackpunkt vordringen.“

Der heimliche Beziehungstod: Wenn (trotz vieler Worte) geschwiegen wird

In sterbenden Beziehungen gibt es zwei Arten des Schweigens: erstens das offensichtliche Schweigen, wenn man sich so gar nichts mehr zu sagen hat, und zweitens jenes Schweigen, das schwierige Themen einfach ausklammert. Man bespricht dann Alltagsdinge wie Einkäufe oder wer das Kind abholt – aber über das, was schwierig ist, wird kein Wort verloren.

„Wenn man einen Bogen um Themen macht, die eigentlich wichtig, weil problembeladen sind, dann schläft die Beziehung ein“, so Anja Wermann. „Und natürlich ist es auch anstrengend, so etwas in Angriff zu nehmen, aber wenn man seine Beziehung retten möchte, muss man wieder ins Gespräch kommen.“

Ziel einer Paartherapie ist es nicht nur, wieder miteinander über alles reden zu können, sondern auch herauszufinden, woran es lag, dass man anfing, sich anzuschweigen. Oftmals liegt es daran, dass man als Kind nicht gelernt hat, mit Konflikten umzugehen, etwas anzusprechen und auszudiskutieren. Oder aber das Paar hat das, was es zu besprechen gibt, schon gefühlt tausendmal diskutiert und ist zu keinem Schluss gekommen. Und dann wird das Thema ausgeklammert, weil die ewige Streiterei darum zu keiner Lösung führt.

„Außerdem kann es auch sein, dass eine Person Angst hat, die andere zu verlieren, weil sie ein heikles Thema, vielleicht einen bestimmten Fetisch, anspricht“, sagt Anja Wermann. „In einem geschützten Rahmen wie bei einer Paartherapie sind viele Dinge eher sagbar als zu Hause. Das gilt für jedwedes Problem. Nichts ist zu groß oder zu klein, als dass man nicht nach Ursachen und Lösungen gucken könnte.“

Kann man in einer Paartherapie jeden Streit beheben?

Grundsätzlich kann und sollte man bei einer Therapie alles besprechen, was einen bewegt und Auswirkungen auf die Beziehung hat. Sicher lässt sich nicht jede (alte) Verletzung aus der Welt schaffen, schon gar nicht sofort, aber für die meisten Alltagssituationen gibt es Lösungen, auf die man selbst nicht kommt. Oder aber es können Wege aufgezeigt werden, künftig besser damit umzugehen, sowohl einzeln als auch als Paar.

Permanenter Streit führt häufig dazu, dass zumindest bei einer oder einem der Beteiligten der Wunsch wächst, sich professionelle Hilfe zu suchen. „Wenn einer von beiden die Zankerei als Problem sieht, dann ist es zugleich ein Problem fürs Paar“, erklärt Anja Wermann. „Und dabei ist es egal, ob der andere das alles doch gar nicht so gemeint oder sich bereits mehrfach entschuldigt hat.“

So kann es auch gut sein, dass man als Paar darüber streitet, ob man überhaupt zu einer Therapie gehen sollte. Nicht immer ist man sich da einig. Und dann? „Wenn einem wirklich etwas an der Beziehung liegt, dann wird die andere Person über kurz oder lang sicher mitkommen, und sei es nur zu einer ersten Sitzung, um sich anzuhören und anzugucken, wie eine Paartherapie abläuft“, so die Fachfrau.

Bei Menschen, die einer Paartherapie skeptisch gegenüberstehen, fragt Anja Wermann oft: Was glauben Sie, warum Ihr Partner, Ihre Partnerin herkommen wollte? Wie lange, glauben Sie, wird die Beziehung noch halten, wenn Sie jetzt nicht handeln? Meistens hilft das, um ins Gespräch zu kommen.

Je nach Antwort kann das aber auch ein Wachrütteln für den anderen sein, endlich zu handeln. Denn nicht immer ist es klug, an einer Beziehung festzuhalten, etwa wenn einer von beiden sich als beratungsresistent entpuppt und gar nicht an sich arbeiten möchte.

Fazit

Fest steht: Probleme lösen sich so gut wie nie von alleine. Und Beziehungen brauchen Pflege, Fürsorge, auch Streit und Arbeit, damit sie gelingen und gedeihen. Es ist gut, wenn man jemanden hat, der die Gemengelage als unbeteiligte, aber geschulte Person analysieren und Tipps geben kann. Wer den Weg zur Paartherapie findet, hat schon einen großen Schritt Richtung Verbesserung getan. Denn es bedeutet auch, dass Sie offen sind, an sich zu arbeiten. 

Für die meisten von uns reicht ein Stupser in die richtige Richtung. Manchmal kommt man eben nicht von selbst auf die Lösung. Oder es braucht ein bisschen externe Motivation, um den Willen zu haben, doch noch etwas zu ändern. „Und vor allem hilft eine Paartherapie, den anderen oder die andere besser zu verstehen“, sagt Anja Wermann. Und wenn wir einander verstehen, sind wir nachsichtiger und kooperativer – das trägt dazu bei, dass Beziehungen glücklich sind.