Ungewollt kinderlos: Wie ein Algorithmus beim Kinderwunsch helfen kann

Der Weg zum Wunschkind ist für viele Frauen lang und schwer. Ein Start-up aus Berlin will schnellere Diagnosen ermöglichen und so helfen.

Der Moment der Wahrheit: Wenn der Schwangerschaftstest negativ ist, sind Paare mit Kinderwunsch enttäuscht.
Der Moment der Wahrheit: Wenn der Schwangerschaftstest negativ ist, sind Paare mit Kinderwunsch enttäuscht.dpa/Christin Klose

Paare, die sich ein Kind wünschen, aber keines bekommen (können), leiden oft jahrelang. Sie probieren es ewig auf natürlichem Weg, gehen irgendwann in ein Kinderwunschzentrum und hoffen, dass sie durch künstliche Befruchtung endlich ein Baby bekommen können.

Der Weg zum Kind zieht sich teilweise über Jahre hin, trotz modernster Diagnostik und Medizin. Ein Start-up aus Mitte will helfen, schneller ans Ziel zu kommen. Levy Health heißt das Unternehmen, das auch spezielle Kredite für Kinderwunschbehandlungen vermittelt. Seit September 2021 ist die von Levy Health angebotene Software, der Levy-Fertility-Code, als Medizinprodukt zertifiziert.

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„Im Schnitt dauert es viereinhalb Jahre, bis Paare wissen, weshalb es zu keiner Schwangerschaft kommt“, sagt Caroline Mitterdorfer, eine der drei Gründerinnen von Levy Health. „Und eines von sieben Paaren hat Schwierigkeiten, ein Kind zu bekommen. Das ist traurig.“

Levy Health hat die Ursachenfindung und Entschlüsselung der weiblichen Fruchtbarkeit mithilfe eines speziellen Algorithmus automatisiert und die Zeit bis zur Diagnose auf wenige Wochen reduziert.

„So können Fruchtbarkeitsstörungen zügig erkannt werden, und die Frauen verlieren nicht so viel Zeit. Denn das Alter der Frau ist bekanntermaßen einer der wichtigsten Faktoren, wenn sie schwanger werden möchte. Da zählt sozusagen jeder Monat“, sagt Caroline Mitterdorfer. „Rund 75 Prozent der Frauen erkennen zu spät, dass sie Hilfe bräuchten. Und bei etwa 70 Prozent der Diagnosen können Lebensstilumstellungen helfen, die Fruchtbarkeit zu erhöhen.“

Wie funktioniert die Hightech-Diagnostik?

In einem ersten Schritt „führen wir eine virtuelle Erstanamnese durch“, so Caroline Mitterdorfer. „Wir wollen wissen: Wie geht es Ihnen? Seit wann probieren Sie, schwanger zu werden? Gab es bereits Kinderwunschbehandlungen? Ist Ihr Zyklus regelmäßig? Wie verläuft die Periode? Haben Sie Schmerzen? Gab es Vorerkrankungen in der Familie?“ Dazu muss man sich ein passwortgeschütztes Konto anlegen.

Der Fragebogen umfasst je nach Antwortmuster bis zu 190 Fragen und die Beantwortung dauert im Schnitt 22 Minuten. Er wurde in Zusammenarbeit mit Reproduktionsmedizinerinnen und -medizinern erarbeitet und gleicht einem persönlichen Gespräch mit einem Kinderwunscharzt oder einer Kinderwunschärztin. „Sobald der Fragebogen ausgefüllt und das Profil vollständig ist, empfehlen wir eine Präzisionsdiagnostik“, sagt Caroline Mitterdorfer.

Im Zuge dieser Präzisionsdiagnostik wird der Frau Blut entnommen und „im Schnitt auf 27 Biomarker getestet“, erklärt die Unternehmerin. „Das geht ganz leicht mit einem QR-Code in einem unserer Partnerlabore, ohne Termin. Dafür braucht man vor Ort nur etwa 15 Minuten Zeit.“

Die Daten werden dann automatisch an Levy Health weitergeleitet, wo der Algorithmus die Fruchtbarkeitsanalyse vervollständigt. 65 mögliche Diagnosen und Verdachtsdiagnosen können so binnen kürzester Zeit gestellt werden. Gegebenenfalls sind dann weitere Untersuchungen (z. B. Ultraschall oder Eileiterdurchlässigkeitsprüfung) nötig.

Mit den gestellten Diagnosen werden auch Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Im Schnitt bekommen Frauen vier (Verdachts-)Diagnosen, mit denen gearbeitet werden kann.

„Wir sehen, dass 94 Prozent der Frauen, die zu uns kommen, bis dahin nichts von diesen Problemen wussten. Sie sind dann sehr erleichtert, zumal nur in etwa 30 Prozent der Fälle eine künstliche Befruchtung angeraten ist. Dann empfehlen wir, keine Zeit zu verlieren und relativ rasch einen Termin in der Kinderwunschklinik zu buchen“, so Caroline Mitterdorfer.

Bei jenen Frauen, wo eine künstliche Befruchtung nicht die Empfehlung ist, bietet Levy Health eine Online-Therapie an, die sogenannte Levy Lounge: eine Plattform, auf der man durch Kinderwunschberaterinnen und Kurse weitere Hilfe bekommt.

„Wir klären über den Zyklus auf, beraten zu Nahrungsergänzungsmitteln und der richtigen Ernährung. Aber vor allem lassen wir die Frauen nicht allein und sind für sie da“, erklärt die Firmenchefin. „Außerdem kann man sich eine objektive Meinung für laufende Behandlungen bei einer Kinderwunschärztin buchen, mit der man sich in Videosprechstunden austauschen kann.“ Hinzu kommen weiterführende Infos und Blogartikel. „Wir bieten gebündelte, evidenzbasierte und verständlich formulierte Informationen an.“

Was kostet das Kinderwunsch-Programm?

Inklusive der sogenannten Basishormondiagnostik, bei der zwölf Blutparameter bestimmt werden, kostet der Levy-Fertility-Code 399 Euro. Enthalten ist auch die Betreuung sowie die ärztliche Videosprechstunde.

Sollten weitere Untersuchungen nötig sein, muss man die selbst bezahlen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten bislang nicht. „Unser Ziel ist aber, das zu ändern. Wir wünschen uns, dass kein Paar das aus eigener Tasche bezahlen muss, sondern dass die Kosten übernommen werden, damit endlich alle Frauen und Paare direkten und leichten Zugang zur Reproduktionsmedizin bekommen“, so Caroline Mitterdorfer.