Wie verändert sich Schlaf in den Wechseljahren? Kann man wieder gut schlafen?
Mit dem Alter verändert sich auch der Schlaf. Warum man sich morgens wie gerädert fühlt, was man beeinflussen kann und sollte – eine Schlafmedizinerin verrät’s.

Je älter wir werden, desto mehr verändert sich unser Körper. Auch bei Männern, vor allem aber bei Frauen, die die Hormonumstellung in Form der Wechseljahre meistens besonders stark spüren. Das ist körperlich, aber auch psychisch anstrengend. Erschwert wird das Ganze, wenn sich auch noch der Schlaf ändert, die nächtliche Regenerationsphase kürzer wird.
Prof. Dr. Maritta Orth ist Internistin, Pneumologin und Schlafmedizinerin und arbeitet in einem Mannheimer Krankenhaus. Zudem ist die Ärztin Spezialistin für Frauenschlaf bei der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Sie weiß, was man für guten Schlaf braucht und was man tun sollte, wenn die Nächte nicht mehr erholsam sind.
Wie verändert sich der Schlaf in den Wechseljahren?
Wenn man jung ist, schläft man vergleichsweise schneller ein, hat weniger nächtliche Unterbrechungen und mehr Tiefschlafphasen. „Mit zunehmendem Alter nehmen jedoch sowohl der Tiefschlafanteil, der für die körperliche Erholung maßgeblich ist, als auch der Traumschlaf ab, der für die psychische Gesundheit wichtig ist“, weiß Prof. Dr. Maritta Orth. Für Frauen ist das doppelt hart, weil sie schon in jungen Jahren häufig „über gestörten Schlaf und auch Schlaflosigkeit klagen. Spezielle Untersuchungen zur Schlafarchitektur zeigen aber, dass junge Frauen meistens besser schlafen als die Männer. Das subjektive Empfinden ist jedoch anders.“
In der Menopause kommt es aufgrund von hormonellen Veränderungen zu Ein- und Durchschlafstörungen. Je nach Dauer und Schweregrad werden diese unter dem Fachbegriff Insomnie zusammengefasst. Zehn Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. „Unter anderem ist Östrogen ein schlafinduzierendes Hormon, dessen Produktion im Zuge der Wechseljahre zunehmend eingestellt wird“, sagt Prof. Dr. Maritta Orth. Das bislang so empfundene schlechte Schlafen wird nunmehr für viele Frauen tatsächlicher Teil der Schlafroutine. Und das schlaucht!
Die Folgen: Man ist tagsüber oft sehr müde, möchte immer und überall am liebsten schlafen, fühlt sich matt und erschöpft. „Vielfach wird das missinterpretiert und nicht als Insomnie erkannt, die wiederum ein Kriterium der Depression ist. Und dann wird den Frauen gesagt, sie sollten mehr auf ihre Schlafhygiene achten“, erklärt die Medizinerin.
Zu einer guten Schlafhygiene gehört – unabhängig vom Alter –, dass man beispielsweise das Schlafzimmer abdunkelt und möglichst nicht beheizt, dass man abends ein Ritual hat, mit dem man zur Ruhe kommt, also beispielsweise einen Tee trinkt, nicht mehr schwer isst und auch im Bett weder fernsieht noch andere Technikgeräte nutzt, die blaues Licht ausstrahlen. Dieses nämlich hemmt die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin.
Warum fangen Frauen in den Wechseljahren an, zu schnarchen?
Fakt ist: Mit zunehmendem Alter wird es wahrscheinlicher, dass man nachts schnarcht. Durch die prämenopausale Hormonumstellung wird auch die Produktion des weiblichen Hormons Progesteron eingestellt. Dieses jedoch ist ein Schutzhormon, das die Atmung stimuliert. „Es wirkt auf die Muskulatur im Bereich der oberen Atemwege“, so Prof. Dr. Maritta Orth. „Im Rachen befindet sich der Musculus genioglossus, der den Rachenraum offen hält. Er sorgt für eine Grundspannung, sodass auch im Schlaf eine gleichmäßige Atmung möglich ist.“
Wenn nun aber immer weniger Progesteron zur Verfügung steht, verliert der Genioglossus seinen Tonus, weshalb das Gewebe erschlafft und die Atmung erschwert wird, gar stockt: Schlafapnoe. Das Problem dabei: „Sobald es zu Atmungsaussetzern kommt, fällt der Sauerstoffgehalt im Blut ab und der eigentlich ruhende Sympathikus wird aktiviert“, sagt die Expertin. „Die Sympathikusaktivierung hat Folgen für das Herz-Kreislauf-System. Der Blutdruck in der Nacht steigt, ebenso die Herzfrequenz bis hin zu Herzrhythmusstörungen.“
Eine Schlafapnoe bedeutet für den Körper also akuten Stress. Je häufiger die Aussetzer auftreten, desto gestresster ist der Organismus. Auch hier sind die Auswirkungen vor allem am Tage zu spüren, weil man sich sehr müde und ausgelaugt fühlt; manch einer neigt zum Sekundenschlaf, hat das Gefühl, in einer Blase zu leben. Die wahre Ursache, nämlich das Aussetzen der Atmung im Schlaf, wird nur selten erkannt, was auch an einer etwas aufwendigeren Diagnostik (siehe unten) liegt.
Was kann ich tun, um trotz Hormonumstellung wieder gut zu schlafen?
Besprechen Sie Ihr Befinden mit Ihrem Hausarzt oder der Hausärztin, wenn Sie mögen auch in der Gynökologiepraxis Ihres Vertrauens. „Zunächst muss man ausschließen, dass es äußere Faktoren für den schlechten Schlaf gibt, etwa einen Schicksalsschlag oder große Sorgen“, empfiehlt Prof. Dr. Maritta Orth.
„Kurzfristig, nicht länger als vier Wochen, kann man sich ein Schlafmittel verschreiben lassen“, sagt die Schlafmedizinerin. „Dieses ändert jedoch nichts an der Ursache für die Insomnie, sondern bekämpft lediglich die Symptome.“ Bei entsprechendem Leidensdruck ist es gut, sich für kurze Zeit Erleichterung zu verschaffen. Bei fortdauernden Beschwerden sollte man einen Schlafmediziner oder eine Schlafmedizinerin aufsuchen.
Schlafapnoen müssen sicher diagnostiziert werden, um sodann behandelt werden zu können. Es muss hierfür oftmals eine Reihe von Tests gemacht werden. Die bekannteste Untersuchung ist die Schlafüberwachung in einem Labor. Hierfür brauchen Sie eine Überweisung, die Krankenkassen übernehmen die Kosten.
Bei einer Insomnie beziehungsweise einer Depression hilft eine Therapie, idealerweise eine klassische Verhaltenstherapie, in der man an seinem Umgang mit dem Schlaf arbeitet. Auch der Besuch einer Schlafschule wäre denkbar. In solchen Seminaren lernt man unter anderem viel Theorie zum Thema Schlaf, bekommt schlaffördernde Verhaltensweisen erklärt und führt ein Schlaftagebuch.
Ganz wichtig: Auch wenn Sie sehr müde sind, sollten Sie es vermeiden, tagsüber Mittagsschlaf zu halten. „Höchstens ein Powernap, maximal 20 Minuten“ seien okay, so die Schlafmedizinerin. „Und vorher sollte man einen Espresso trinken, um dann schnell wieder in die Gänge zu kommen.“
Abends ist es wichtig, dass Sie nur ins Bett gehen, wenn Sie wirklich müde sind. Hinlegen und auf Müdigkeit warten? Immer zur gleichen Zeit ins Bett? Keine gute Idee. „Selbst wenn Sie früher zu einer bestimmten Uhrzeit schlafen konnten, sollten Sie akzeptieren, dass sich Ihr Körper umstellt und die Zeiten sich ändern“, so die Ärztin. „Legen Sie sich hin, wenn Sie müde sind. Das Herumwälzen stresst Sie nur noch mehr.“
Helfen Hausmittel und frei verkäufliches Melatonin?
In Drogerien und Apotheken gibt es allerhand Tabletten, Tees und Pastillen, die mit beruhigenden Wirkstoffen wie Lavendel, Hopfen oder Baldrian angereichert sind und so den Schlaf fördern sollen. Darüber hinaus gibt es seit einiger Zeit Melatoninsprays, -kapseln und -dragees.
„Vor allem das Melatonin wirkt natürlich schlaffördernd, ändert aber eben nichts an der zugrunde liegenden Problematik, die man angehen sollte“, warnt Prof. Dr. Maritta Orth. „Auch Schlaftees und andere Mittel können helfen, sofern sie Teil einer entspannten Abendroutine sind.“ Bei Wirkstoffen in Tablettenform muss man meistens ein paar Wochen Geduld haben, bis man eine tatsächliche Verbesserung spürt.
Was sich in Studien als grundsätzlich schlaffördernd herausgestellt hat, und das wussten schon unsere Großeltern, ist die tägliche Bewegung an der frischen Luft. Das natürliche Licht hilft unserem Körper, ein Gleichgewicht aus den Schlaf- und Wachhormonen herzustellen beziehungsweise aufrechtzuerhalten. Unsere innere Uhr reagiert auf die blauen Lichtanteile. Zudem sorgt ausreichend Bewegung – die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt etwa eine halbe Stunde pro Tag – dafür, dass der Körper eine gewisse Form von Erschöpfung spürt.
Die Bewegung an der frischen Luft, und sei es nur ein Verdauungsspaziergang, ist für körperlich schwer arbeitende Menschen ebenso wichtig wie für jene, die im Büro arbeiten. Beim Spaziergang werden andere Muskelgruppen angesprochen, die Bewegung fördert zudem die Darmtätigkeit.
Helfen Hormone, den Schlaf in den Wechseljahren zu verbessern?
Ja. „US-Studien haben belegt, dass die Gabe von entsprechenden Hormonen während und nach den Wechseljahren einen klaren positiven Effekt auf den Schlaf und auch auf die Aussetzer hat“, fasst Prof. Dr. Maritta Orth zusammen. „Jedoch hat man festgestellt, dass es ein gewisses Brustkrebsrisiko birgt, weshalb die Therapie in Verruf geraten ist und heutzutage nicht mehr in der Form eingesetzt wird.“
Das Brustkrebsrisiko durch Hormongabe (Östrogen, Progesteron) sei, so die Expertin, dann erhöht, wenn man bereits während der Wechseljahre damit anfange. „Frauen, die die Therapie im oder kurz nach dem Menopausenalter begonnen hatten, wiesen ein höheres Risiko für ein Brustdrüsenkarzinom auf als Frauen, die die Therapie mehr als fünf Jahre nach dem Eintritt der Menopause begannen.“ In jedem Fall sollte jede Medikation wohlüberlegt sein.