Reinickendorf hat alles: Natur, Eiffelturm und sogar Buddhismus

Lernen Sie meditieren, besuchen Sie Berlins ältesten Baum, entdecken Sie TXL neu: Reinickendorf in unserer Wochenend-Serie über die Bezirke.

Idylle in Berlin-Reinickendorf: Blick auf den Tegeler See.
Idylle in Berlin-Reinickendorf: Blick auf den Tegeler See.Imago/Jürgen Ritter

Berlin ist ein Dorf. Sagt man so, und das stimmt auch, wenn man genauer hinguckt. Aber wer tut das schon? Wer fährt einfach mal in einen anderen Kiez, um zu gucken, was da so los ist? Das wollen wir ändern. In der Bezirke-Serie stellen wir alle zwölf Berliner Bezirke vor, lassen Einheimische zu Wort kommen, verraten Geheimtipps, tauchen ein in die Vielfalt der Möglichkeiten. Heute: Reinickendorf.

Reinickendorf ist der zwölfte Verwaltungsbezirk Berlins und hat nach Spandau die (zweit)niedrigste Bevölkerungszahl. Der Bezirk besteht aus elf Ortsteilen, darunter auch Tegel, das bis zur Bezirksreform 2001 noch eigenständig war. Verstecken muss sich der Berliner Nordwesten jedoch nicht: „Das grüne Paradies der Hauptstadt – in Berlin ganz oben“, wirbt der Tourismusverein vollmundig.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Reinickendorf zum Französischen Sektor, was an vielen Stellen heute noch erlebbar ist, unter anderem am Centre Francais (Müllerstraße 74), einem sehr engagierten Kulturzentrum mit eigenem Hotel. Oder umgekehrt, je nach Sichtweise. Apropos Blickwinkel: Vor dem Gebäude steht ein Miniatur-Eiffelturm, der aber immerhin auch 15 Meter hoch ist (Original: 330 Meter). Ein total schönes Fotomotiv, das außerhalb von Reinickendorf und Touri-Büchern nicht sonderlich bekannt ist.

Haben Sie Lust, auch die anderen Bezirke kennenzulernen? Dann folgen Sie uns doch nach Pankow, Neukölln, Mitte, Spandau, Charlottenburg-Wilmersdorf, Lichtenberg, Friedrichshain-Kreuzberg, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Steglitz-Zehlendorf.

Was macht Reinickendorf so besonders?

Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen (SPD): „Reinickendorf, das urbane Dorf im Berliner Nordwesten, vereint lebhaftes Großstadttreiben und ländliche Idylle. Neben den zahlreichen historischen Dorfkernen bietet der Bezirk umfangreiche Shopping- und Freizeitmöglichkeiten.“

Dass der Flughafen Tegel geschlossen wurde, erfreute die meisten Anwohnerinnen und Anwohner – obwohl viele andere Menschen den Flughafen Otto Lilienthal, wie er eigentlich hieß, mit den kurzen Wegen vermissen. Der Bezirk hat mit dem Areal Großes vor; es gibt sogar kostenfreie öffentliche Führungen (120 Minuten), die an den Wochenenden angeboten werden.

„Einzigartig in Berlin ist die Entwicklung auf dem ehemaligen Gelände des Flughafens Tegel. Hier entstehen die Urban Tech Republic, der Innovationspark für urbane Technologien, und das Schumacher-Quartier, in dem ein Leben in der ‚Stadt der Zukunft‘ geschaffen werden soll. Nicht nur mit dem wichtigsten Projekt in der Region Berlin-Brandenburg hat Reinickendorf die größten Chancen und Potenziale aller Bezirke der Stadt. Hier entsteht eine Zukunftswerkstatt für Berlin“, so Bürgermeister Uwe Brockhausen.

Nah am Wasser gebaut: So schön ist Reinickendorf

„Blau trifft grün“ hat der Tourismusverein Reinickendorf seine Website genannt und trifft damit ziemlich genau, was den Bezirk, vor allem Tegel, ausmacht: Wasser und Wald, Tegeler See und Tegeler Forst. Beides einzigartige Ausflugsziele, die sich hinter Müggelsee und Tiergarten nicht verstecken müssen.

Der Tegeler Forst, ein Landschaftsschutzgebiet, bietet sich herrlich für einen Waldspaziergang an. Zwei echte Berliner Superlative können Sie hier bestaunen: Im südlichen Teil des Forstes steht Berlins größter Baum, eine Lärche, die 1795 gepflanzt wurde und mehr als 42 Meter hoch ist. Ganz in der Nähe, unweit der Tegeler Hafenbrücke, steht die sogenannte Dicke Marie, der dickste und älteste Baum der Stadt. Getauft wurde die mehr als 800 Jahre alte Eiche zu Zeiten, als es noch kein Bodyshaming gab, von den Humboldt-Brüdern.

Die 'Dicke Marie' gilt als der älteste Baum der Stadt Berlin.
Die 'Dicke Marie' gilt als der älteste Baum der Stadt Berlin.imago/Stefan Zeitz

Bevor oder nachdem Sie sich den Tegeler Forst erwandert haben, sollten Sie sich auch den Tegeler See angucken, einmal die Greenwichpromenade entlangflanieren, von wo auch die Ausflugsdampfer starten, und die berühmte Hafenbrücke erkunden, die von Einheimischen Sechserbrücke genannt wird. Diese Fußgängerbrücke überspannt die Einfahrt zum Hafen und die Mündung des Tegeler Fließes – superschön!

Vis-à-vis und mit fantastischer Aussicht befinden sich die Tegeler Seeterrassen und die Hafenbar Tegel (Wilkestr. 1–5), deren Betriebsleiter Daniel Schüler ein waschechter Reinickendorfer ist: „Oft höre ich, wenn ich in der Hafenbar Tegel hinterm Tresen stehe und den Konzertbesuchern ihre Getränke serviere, folgenden Satz: ‚Ich war bisher noch nicht in Tegel. Aber ihr habt das ja echt schön hier. Ich glaube, ich muss mal wieder herkommen.‘ Diese Aussage spiegelt sehr gut unseren Bezirk wider. Für den Großteil der Metropolbewohner ist Reinickendorf einer dieser Bezirke, die ihr unspektakuläres Dasein „janz weit draußen“, kurz vor der Grenze nach Brandenburg, fristen.“

Doch dieser Eindruck verfliege schnell, „wenn man sich die Zeit und Muße nimmt und den Reinickendorfer Charme auf sich wirken lässt. Denn der Bezirk hat so viel mehr zu bieten, als man auf den ersten Blick vermuten würde“, weiß Daniel Schüler. „Wer eine Vorliebe für ländliche Regionen hat, der wird von den historischen Ortskernen von beispielsweise Heiligensee, Lübars oder Tegel begeistert sein. Für ausgedehnte Spaziergänge in der Natur habe ich einen Geheimtipp: die langen Wanderwege entlang des Tegeler Fließes. Da sind Ruhe und Entspannung vorprogrammiert.“

Meditieren lernen in Frohnau

Apropos Ruhe und Entspannung: Kennen Sie das Buddhistische Haus? Dann nichts wie nach Frohnau. Hier lebt der 1987 in Sri Lanka geborene Mönch Venerable Pelane Dhammakusala Thero. Im Buddhistischen Haus werden fünfmal pro Woche angeleitete Meditationen angeboten. Sie können es aber auch einfach selbst versuchen, sich informieren und beraten lassen, denn der Tempel, der als Meditationshalle dient, ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet.

Zudem gibt es eine sonntägliche Vortragsreihe sowie Führungen. Und falls Sie möchten, können Sie den Buddhismus auch studieren. Der öffentliche Kurs findet jeden Dienstag statt und kann jederzeit begonnen werden. Es werden keine Kursgebühren oder Eintrittsgelder erhoben, weder für die Mediation noch für die anderen Veranstaltungen, allerdings gehört es sich, einen kleinen Geldbetrag zu spenden.

Architektur: vom Märkischen Viertel über die Weiße Stadt bis ins Dorf

Viele Menschen verbinden mit Reinickendorf vor allem das Märkische Viertel (u. a. Senftenberger Ring) mit seinen Hochhäusern und einem rauen Kiez, den Sido einst populär gemacht hat. Gerade wird das in die Jahre gekommene Märkische Zentrum, Flanier- und Shoppingmeile des Viertels, aufwendig um- und neu gebaut. Aber Touris werden sich wohl auch nach der Fertigstellung kaum hierher verirren. Was nicht das Schlimmste ist, denn manchmal ist es auch ganz angenehm, unter sich zu bleiben.

Denn das Märkische Viertel, vom Fernsehturm aus zweifelsfrei erkennbar, hat zwei idyllische Seen, einen ziemlich coolen Skatepark sowie eine schöne Schwimmhalle mit einem orientalischen Imbiss, dessen Falafel vielleicht sogar die beste in ganz Reinickendorf ist, mindestens. Und: So nette Verkäufer finden Sie echt nicht überall. Probieren Sie’s mal.

Berlin Reinickendorf Großsiedlung Weiße Stadt rund um die Aroser Allee, UNESCO Welterbe, Siedlung der Berliner Moderne Berlin
Berlin Reinickendorf Großsiedlung Weiße Stadt rund um die Aroser Allee, UNESCO Welterbe, Siedlung der Berliner Moderne Berlinimago/Jürgen Ritter

Wem das MV architektonisch nicht anspruchsvoll genug ist, kann sich stattdessen ja die Weiße Stadt mit dem Brückenhaus über der Aroser Allee angucken, Stichwort Unesco-Welterbe. „Die Weiße Stadt (…) entstand zwischen 1929 und 1931 und zählt heute zu den sechs weltbekannten Siedlungen der Berliner Moderne“, schreiben die Hauptstadt-Fachleute von visitberlin.de. 1268 Wohnungen befinden sich in den weiß verputzten Häusern, die mit feinen farbigen Elementen versehen sind, etwa bunte Regenrinnen.

Für die Avantgardisten unter Ihnen hat Reinickendorf auch etwas zu bieten, und zwar den Artpark (Neheimer Straße 6), den Visit Berlin richtigerweise als Berlins höchste Open-Air-Galerie beschreibt. Ganz in der Nähe vom Tegeler See haben internationale Künstlerinnen und Künstler acht Hochhäuser bemalt. Bis zu 42 Meter hoch sind diese und werden Murals genannt.

Die acht Kunstwerke liegen nicht weit auseinander, sodass man sie sich beim Spazierengehen angucken kann. In der kostenlosen App Aboutberlin gibt es eine entsprechende Tour mit Hintergrundinfos und Hörgeschichten zu den einzelnen Murals.

Wer hingegen die dörfliche Architektur mit Gassen, Giebelhäusern und Mittelalterkirche liebt, darf Heiligensee nicht verpassen. Im alten Ortskern, in dem die Angerstruktur von einstmals erhalten geblieben ist, steht eine Kirche aus dem 15. Jahrhundert, rundherum Häuser, deren Fassaden mit klassizistischen Stuckelementen verziert sind. Auch sehenswert: die alte Schmiede, eine ehemalige Dorfschule und das Spritzenhaus der Feuerwehr.

Und wenn Sie gerade in Heiligensee sind, hat Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen noch einen Geheimtipp parat: „Ein Spaziergang über die Hinterlassenschaft aus der Eiszeit, die Binnendünenlandschaft zwischen Sandhauser Straße und Elchdamm, die wie ein kleines Sandgebirge anmutet, lässt Kinder toben und die Picknickdecke auf dem feinen ‚Sandstrand‘ ausbreiten. Die Route durch den Wald zum Waldspielplatz bis hin zur Badebucht an der Sandhauser Straße ist nicht nur für Familien mit Kindern sehr empfehlenswert.“

Reinickendorf für Kinder und solche, die es geblieben sind

Falls Sie Lust haben, sich mal richtig zu verausgaben, aber Sportstudios nicht so ganz Ihr Ding sind, fahren Sie doch mal ins Jump House (Miraustraße 38). Mit mehr als 120 Trampolinen auf rund 4000 Quadratmetern ist die Anlage Berlins größte Trampolinhalle: Springen Sie doch mal vom Trampolin aus auf unzählige weiche Schaumwürfel oder riesige Luftkissen. Zu erleben gibt es aber weitaus mehr, unter anderem einen atemberaubenden Kletterparcours in elf Meter Höhe.

Weniger schweißtreibend geht es im Feuerwehrmuseum (Veitstraße 5) zu: Draußen schwebt der Rettungshelikopter „Christoph 31“ in der Luft, ein Feuerwehrwagen scheint aus einer Gebäudeecke herauszufahren, drinnen gibt es ausgebrannte und verkohlte Zimmer zu sehen. Außerdem gibt es Sinneskästen zum Tasten, Riechen, Sehen und Hören. Erfahren Sie alles zur Berliner Brandbekämpfung aus den letzten 150 Jahren.

Das Feuerwehrmuseum beherbergt weiterhin eine große Sammlung an Löschfahrzeugen, von Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 1990er-Jahre hinein, aber auch nicht motorisierte Gerätschaften, die im 17. Jahrhundert und danach im Einsatz waren. Es gibt Fotos aus allen Epochen, und viele Ausstellungsstücke darf man sogar anfassen.

Ausstellungsstücke im Feuerwehrmuseum in Berlin Reinickendorf stellen die Arbeit der Feuerwehr dar. 
Ausstellungsstücke im Feuerwehrmuseum in Berlin Reinickendorf stellen die Arbeit der Feuerwehr dar. imago/Jürgen Ritter

Tiere gucken in Reinickendorf

Es muss nicht immer Zoo oder Tierpark sein, auch im Norden können Sie Tiere beobachten, etwa im sehr gediegenen Hermsdorf. „Beim Waldspielplatz an der Schulzendorfer Straße können Gäste einem Waldlehrpfad wenige Hundert Meter zum großzügigen Wildtiergehege folgen. Da einige Futterautomaten für Wildschweine, Rehe und Hirsche zur Verfügung stehen, sind die Tiere relativ zahm und gut zu beobachten“, so Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen. Das Wildtiergehege ist ganzjährig geöffnet, der Eintritt ist frei.

Wem Wasserbüffel keine Angst machen, sollte beim Spaziergang am Tegeler Fließ die Augen offen halten. Denn den ganzen Sommer über beweiden die schwarzfelligen Rinder das Gebiet an der Forststraße sowie entlang der Mühlenfeldstraße.

Reinickendorf für Leckermäuler: Hier gibt’s tolles Naschwerk

Na klar, Reinickendorf hat tolle Restaurants, feine Bars und coole Kneipen. Aber einzigartig sind die Süßwaren, die man hier zu kaufen kriegt, darunter die Pralinen von Berlins ältester Pralinenmanufaktur Sawade. 1880 wurde das erste Geschäft in Mitte, genauer Unter den Linden, gegründet und stieg schnell zum königlichen Hoflieferanten auf.

Heute residiert die Manufaktur in Reinickendorf, wo es auch den Werksverkauf (Wittestraße 26 d) gibt. Für die Pralinen werden „ausschließlich natürliche Zutaten und edle Rohstoffe verarbeitet“, steht auf der Website. Echte Butter, Edelmarzipan aus Mittelmeermandeln, Nugat, hmmm. Nicht umsonst wird Sawade immer wieder mit Auszeichnungen und Preisen bedacht.

Berlin Reinickendorf Wirtschaftsstandort SAWADE Pralinen Berlin
Berlin Reinickendorf Wirtschaftsstandort SAWADE Pralinen Berlinimago/Jürgen Ritter

Weniger schokoladig, dafür umso knuspriger geht es beim Bahlsen-Werksverkauf in Wittenau (Oranienburger Str. 173) zu. Das Outlet verkauft neben Bahlsen auch die zu Konzern gehörenden Produkte von Leibniz, Brandt und Pickup; es hat täglich außer sonntags geöffnet. Es gibt Waffeln, Röllchen, Kekse, Kuchen, Gebäckmischungen – alles deutlich günstiger im Vergleich zum Ladenpreis.