Schon immer großes Kino: Acht altgediente Lieblings-Kinos in Ost-Berlin
Kleiner, aber feiner: Wir stellen acht Programmkinos in der Ost-Berliner Innenstadt vor, die sich seit Jahrzehnten gegen die großen Filmpaläste behaupten.

In Berlin haben wir das große Glück, trotz Kinosterbens noch immer viele schöne alte Kinos zu haben, prunkvolle Säle ebenso wie abgerockte und improvisierte. Hier laufen nicht nur Blockbuster, sondern vielfach Arthouse-Filme oder kleine Produktionen von unbekannten Regisseuren, Dokumentationen, die es nie auf die große Leinwand schaffen, aber trotzdem sehenswert sind, Themen, die nicht unbedingt den Mainstream-Geschmack treffen.
Der Besuch in diesen alten Kinos ist immer auch mit einem besonderen Gefühl verbunden, der Geruch, das Ambiente, die Haptik der knarzenden Sessel. Man geht eben nicht in einen Komplex mit zehn Sälen und Ticketscannern, sondern in einen Laden, wo die Menschen nicht nur die Karten verkaufen und abreißen, sondern auch das Popcorn selbst machen und nebenbei fantastische Vorträge über die Independent-Filmszene halten können.
Ganz klar: Kino ist und bleibt etwas Besonderes, vor allem, wenn man einen Lieblingsort dafür gefunden hat. Aacht davon möchten wir Ihnen vorstellen – oder wieder ins Gedächtnis rufen.
Mitte: Kino International
In der schönen „Familie Brasch“-Doku aus dem Jahr 2018 ist die bezaubernde Bettina Wegner, Liedermacherin und Berliner Urgestein, an einer Stelle kurz verdutzt und sagt dann sinngemäß: ‚Na dieset Kino da anna Mokka-Milch-Eisbar‘ – und meint das Kino International. Das eine ist seit Ewigkeiten geschlossen, das andere lebendiger denn je. Und eines der letzten Kinos, das noch immer handgemalte Filmplakate der aktuell laufenden Streifen aufhängt.
Zu DDR-Zeiten war das International das Premierenhaus des Ostens, und auch heute noch finden viele Uraufführungen hier statt. 1987 lief sogar ‚Dirty Dancing‘ – mehr als 100.000 Ostdeutsche kommen, um den damals schon kultigen Film zu sehen.
Das Gebäude, 1961 bis 1963 erbaut, steht unter Denkmalschutz, ist mittlerweile auch klimatisiert und gehört seit 1992 zur Yorck-Gruppe. Sowohl von außen, als auch von innen wirkt das Kino zeitlos elegant. Und in wohl keiner Kinobar möchte man lieber einen Absacker trinken: Die Panoramabar mit den riesigen Fenstern und Blick auf den Vorzeige-Pracht-Boulevard des deutschen Sozialismus‘ ist der schönste Ort, um den gerade gesehen Film nochmals auf sich wirken zu lassen.
Kino International, Karl-Marx-Allee 33, 10178 Mitte, U-Bahnhof Schillingstraße (U5).
Weißensee: Kino Toni
Kindervorstellungen, Dokumentar-Premieren, Hollywood-Blockbuster. Das Kino Toni (1919 erbaut, 1920 eröffnet) mit seinem großen Saal sowie dem kleinen, der Tonino getauft wurde, hat für jeden was zu bieten. Eine heimelige Atmosphäre, der warme Duft frischen Popcorns, gemütliche Einrichtung. Es finden auch Lesungen und politische Diskussionen statt.
Kino Toni, Antonplatz 1, 13086 Weißensee, Straßenbahn-Haltestelle Antonplatz (Tram 12, 50, M1, M2, M4, M13)
Mitte: Kino Central
Das Kino in den Hackeschen Höfen kennt wohl jeder. Und das ist auch gut so. Denn es ist ein wunderschönes, mit viel Liebe geführtes Kino (wenn nur die vielen Treppenstufen nicht wären!) und mit sehr angenehmem Publikum. Dennoch möchten wir an dieser Stelle ein paar Hauseingänge weiterziehen, wo Mitte noch ein bisschen wie früher aussieht, so unfertig und irgendwie verwunschen.
Das Kino Central wurde 1996 gegründet, hat zwei Säle und bietet im Sommer Open-Air-Kino an. Gezeigt werden Filme in Originalsprache mit Untertitel (OmU), manchmal auch Defa-Klassiker oder Kultfilme, die man zwar schon x-Mal im Fernsehen gesehen hat, aber immer wieder gerne schaut.
Kino Central, Rosenthaler Str. 39, 10178 Mitte, U-Bahnhof Weinmeisterstraße (U8) oder Bahnhof Hackescher Markt (S3, S5, S7, S9 bzw. Tram M1, M4, M5, M6)
Friedrichshain: Kino Intimes
Vor rund 100 Jahre wurde das Lichtspiel-Haus gegründet, überlebte Krieg, DDR und Corona-Pandemie: Das Intimes mit seinen zwei Sälen hat sich im Laufe der Jahrzehnte zwar verändert, ist sich selbst aber immer treu geblieben: ausgewählte Filme, ein Mix aus internationalen Streifen und Budget-Produktionen, eine gewisse Lässigkeit im Miteinander. Zum Kino gehört auch eine kleine Kneipe, innen gemütliche Sessel, draußen Bierbänke. Serviert wird eigenes Hausbier, die Preise sind fair und das Personal ebenso cool wie nett.
Schon im Eingangsbereich vergisst man den Trubel, der draußen vor der Tür herrscht, wo sich die Tourimassen vorwärts schieben und alles irgendwie sehr kneipenmeilig ist. Die Leuchtreklame am übervoll beklebten und mit Graffiti versehenen Haus wirkt so schön aus der Zeit gefallen und ist zu Recht eines der beliebtesten Fotomotive Friedrichshains.
Kino Intimes, Boxhagener Str. 107, 10245 Friedrichshain, U-Bahnhof Samariterstraße (U5).
Prenzlauer Berg: Lichtblick Kino
Dort, wo früher mal eine Fleischerei war und wo es auch immer noch ein bisschen nach Verkaufsraum aussieht, ist seit Mitte der Neunziger der Vorraum vom Lichtblick Kino. Der Saal selbst befindet sich im hinteren Teil, wo einstmals die Wohnung des Fleischers war, und hat gerade mal 32 Sitzplätze. Gezeigt werden Dokus, Filmklassiker und so mancher Geheimtipp. Das Lichtblick ist ein unabhängiges Programkino und wird von einem Kollektiv geführt.
Lichtblick Kino, Kastanienallee 77, 10435 Prenzlauer Berg, U-Bahnhof Eberswalder Straße (U2).
Friedrichshain: B-ware Ladenkino
„Wir sind nicht nur kein Kino. Nein, wir sind viel mehr. Unser Haus ist eine Wundertüte voller Überraschungen: eine Cinethek, eine Whiskybar, ein Labyrinth, ein interstellarer Treffpunkt, ein im Rokoko-Stil gehaltenes Café, ein Museum für analoge Filmprojektoren, ein Perpetomobile… Ein Ort der Träume und der Phantasie. Hier wird das Wunder des Kinos gefeiert und die Filmgeschichte zum Leben erweckt“, steht auf der Website des B-ware Ladenkinos.
Und all das ist kein bisschen übertrieben. In den Nuller Jahren startete man als Videothek mit ausgesuchten Independent-Filmen – hier bekam man all jene Streifen, die es sonst nirgends gab. Vor rund zehn Jahren kam das Kino dazu. Drei Säle gibt’s aktuell, es wird zu allen möglichen Uhrzeiten gespielt, sodass jeden Tag rund 20 Filme im Programm sind, darunter auch regelmäßige Kinderwagen-Vorführungen mit etwas mehr Licht und etwas weniger Lautstärke.
Gezeigt wird, was den Macherinnen und Machern gefällt. Das kann ein Blockbuster sein, aber auch ein total skurriler Nischenfilm. Leihen kann man hier auch noch: Mehr als 17.000 DVDs stehen zur Auswahl.
B-ware Ladenkino, Gärtnerstr. 19, 10245 Friedrichshain, U-Bahnhof Samariterstraße (U5).
Prenzlauer Berg: Kino Krokodil
Das kleine Alternativkino hat sich auf Werke aus Russland und Osteuropa spezialisiert, zeigt Filme und Dokus in Originalsprache mit Untertiteln (OmU), manchmal auch Stummfilme, weshalb es zwei Klaviere im Vorführraum gibt. Seit 1912 besteht das Erdgeschosskino besteht an dieser Stelle und wurde bis 1963 betrieben. Danach kaufte die Yorck-Gruppe es auf, scheiterte, es kam zum erneuten Besitzerwechsel. 2001 schloss das Kino.
Seit 2004 nun laufen im Krokodil Streifen aus Osteuropa und erweitern damit unseren Horizont, ermöglichen neue Blickwinkel, neue Gedanken, andere Empfindungen. Das Krokodil ist wie eine Reise, die einen ganz weit weg von Zuhause und vom Alltag führt. Und die Bestuhlung ist genau das: Klappstühle, so wie es früher in Kinos üblich war. Im vorderen Teil des Vorführraums stehen auch ein paar Polstersessel bereit.
Kino Krokodil, Greifenhagener Str. 32, 10437 Prenzlauer Berg, U- und S-Bahnhof Schönhauser Allee (Ringbahn, S2, S8, S 42, S46, S85, U2, Tram1).
Mitte: Kino Babylon
Es ist das einzige kommunale, also mit öffentlichen Geldern geförderte Kino der Stadt – und hat trotzdem den Ruf, ein ziemlich unabhängiges, cooles und anders-als-andere Kinos zu sein. Das Babylon wurde 1929 eröffnet ist somit eines der ältesten Lichtspielhäuser der Stadt; das Gebäude steht unter Denkmalschutz.
Zu NS-Zeiten diente das Kino zeitweise Regimegegnern als Zufluchtsort. Nach dem Krieg eröffnete es 1948 wieder, galt in der DDR als Spartenkino. Erhalten blieb eine originale Stummfilmorgel (großer Saal, vorne links), die einzige Deutschlands, die bis heute am Originalort steht und 2019 restauriert wurde.
Rund 1000 Filme werden im Babylon pro Jahr in den drei zur Verfügung stehenden Sälen gezeigt. Aber es gibt auch diverse andere spannende Veranstaltungen, etwa die regelmäßigen Vorträge von Deutschlands bekanntestem und unterhaltsamsten Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke.
Kino Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, 10178 Mitte, U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Straße (U2)