Was tun bei Fieberkrampf? Ein Kinderarzt sagt, was Sie (nicht) machen sollten

Ein Fieberkrampf ist eine erschreckende Erfahrung, die Eltern hilflos und ängstlich macht. Wie hilft man seinem Kind? Wann sollte man den Krankenwagen rufen?

Wenn das Kind Fieber hat, kann es einen Krampf erleiden. Wichtig ist, dass Eltern ruhig bleiben und besonnen handeln.
Wenn das Kind Fieber hat, kann es einen Krampf erleiden. Wichtig ist, dass Eltern ruhig bleiben und besonnen handeln.dpa

Die Hilflosigkeit und die Angst sind das Schlimmste. Nicht zu wissen, was man tun kann, damit es dem eigenen Kind wieder gut geht, die Furcht vor dem, was weiter passiert. Ein Fieberkrampf ist eine erschütternde Erfahrung. Aber sie ist nicht lebensbedrohlich.

Rund zwei bis fünf Prozent aller Kinder sind im Laufe ihrer Kindheit von einem Fieberkrampf betroffen, vorrangig im Alter von etwa sechs Monaten bis sechs Jahren. 

Wenn ein Kind einmal einen Fieberkrampf hatte, ist es wahrscheinlicher, dass das wieder passiert. Bei etwa einem Drittel müsse man laut der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) mit wiederkehrenden Fieberkrämpfen rechnen. Allerdings treten Fieberkrämpfe normalerweise ab dem Grundschulalter nicht mehr auf.

Was Sie wissen und beachten sollten, was Sie auf keinen Fall tun dürfen und wann man den Notruf wählen sollte, verrät Kinderarzt, Podcaster und Buchautor Dr. Nibras Naami*.

Wie entsteht ein Fieberkrampf?

Wie genau ein Fieberkrampf entsteht, ist medizinisch bislang noch nicht abschließend geklärt. Allerdings weiß man, dass drei Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. „Definitionsgemäß gehört natürlich das Fieber dazu. Meistens steigt es sprunghaft an, binnen kürzester Zeit, bevor es zum Krampf kommt“, erklärt Naami.

Zweitens spielt das noch nicht ausgereifte Hirn eine Rolle. „Aufgrund der Unreife ist es anfälliger dafür, bei Fieber einen Krampfanfall zu erleiden“, so der Mediziner. „Und drittens gibt es eine familiäre Häufung. Wenn die Eltern als Kinder Fieberkrämpfe hatten, hat das Kind ein erhöhtes Risiko.“ Das heißt aber nicht, dass das Kind zwangsläufig auch einen Fieberkrampf bekommen muss oder – umgekehrt – dass das eigene Kind keinen Fieberkrampf bekommen wird, weil man selbst als Kind davon verschont geblieben ist.

Grundsätzlich kann jeder Mensch einen Fieberkrampf bekommen. Es gibt bei den drei Faktoren gewisse Schwellenwerte, die individuell verschieden sind. Aber sobald diese überschritten werden, kann es zum Fieberkrampf kommen. „Es ist aber nicht die Höhe des Fiebers, die den Krampf auslöst, sondern der schnelle Temperaturanstieg“, stellt der Experte klar. Mitunter geht das so schnell, dass man als Elternteil erst beim Krampf selbst feststellt, dass das Kind Fieber hat.

Die Infektion selbst hat mit dem Fieberkrampf wenig zu tun, aber grundsätzlich kann jeder fieberhafte Infekt zu einem Krampf führen. Einen „Klassiker“ gibt es jedoch: das Drei-Tage-Fieber. „Es ist am häufigsten mit einem Fieberkrampf vergesellschaftet. Aber natürlich sind auch andere Ursachen möglich, sodass sich also anhand der Infektion keine sinnvollen Schlüsse darauf ziehen lassen, wie wahrscheinlich das Kind einen Fieberkrampf bekommen könnte“, sagt Naami.

Durch einen Fieberkrampf wird das Gehirn nicht geschädigt. Auch das „Risiko, später eine Epilepsie (Anfallsleiden ohne Fieber) zu entwickeln, ist nicht entscheidend erhöht“, teilt die DGKJ mit.

Woran erkenne ich einen Fieberkrampf?

Ein Fieberkrampf ist ein „durch Fieber ausgelöster epileptischer Anfall. Bei einem solchen Anfall breiten sich elektrische Reize im Gehirn unkontrolliert aus“, so Naami. „Das Kind ist plötzlich nicht mehr ansprechbar, hat einen starren Blick. Manchmal sind die Augen auch in eine Ecke verdreht. Arme und Beine zucken beidseitig und rhythmisch.“ Es kann auch sein, dass sich die Lippen bläulich verfärben oder das Kind absolut schlaff ist.

Das Kind ist in dieser Zeit nicht ansprechbar. Es krampft und zuckt, wirkt komplett weggetreten. In der Regel geht der Fieberkrampf so plötzlich, wie er gekommen ist. Im Schnitt dauert er weniger als drei, maximal fünf Minuten, die sich aber wie eine Ewigkeit anfühlen. „Viele Eltern berichten, dass sie Angst gehabt hätten, dass ihr Kind stirbt. Das ist eine verständliche, aber vollkommen unbegründete Sorge“, weiß Dr. Nibras Naami. „Aber es dürfte in der Medizin kein Phänomen geben, das so dramatisch aussieht und zugleich so harmlos ist.“

Wenn Ihr Kind krampft und kein Fieber hat, könnte es einen epileptischen Anfall haben. Auch einseitiges Arm- oder Beinzucken oder das Zucken der Augenlider deuten eher auf einen Epilepsie-Anfall hin. Tun können und müssen Sie eigentlich nichts, außer aufzupassen, dass Ihr Kind sich nicht verletzen kann – und später das Ganze mit Ihrer Kinderärztin oder dem Kinderarzt besprechen.

Was kann ich tun, wenn mein Kind einen Fieberkrampf hat?

Die allerwichtigste Grundregel lautet: Bleiben Sie ruhig! Sagen Sie sich, dass es zwar schlimm aussieht, Ihr Kind aber sicher nicht daran sterben wird. Es geht vorüber. Atmen Sie, berühren Sie Ihr Kind vorsichtig, streicheln Sie Kopf oder Hand. „Aber halten Sie es nicht fest oder versuchen Sie, es wachzurütteln. Aus einem Krampf kann man niemanden erwecken. Sorgen Sie stattdessen dafür, dass es nirgends runterfallen kann oder sich anderweitig verletzt“, rät Naami

Sie müssen auch keine Angst haben, Ihr Kind könnte seine Zunge verschlucken. Das wird nicht passieren. „Deshalb ist es auch nicht nötig, dass Sie Ihrem Kind in den Mund fassen“, erklärt der Experte. „Und bitte kommen Sie auch nicht auf die Idee, kaltes Wasser ins Gesicht zu schütten oder Ähnliches. Es bringt gar nichts, außer Stress für alle Beteiligten.“ Versuchen Sie auch nicht, Ihrem Kind etwas zu trinken einzuflößen – es könnte sich verschlucken und ersticken.

Reden Sie gern beruhigend auf Ihr Kind ein oder geben Sie sanfte Laute von sich („Schschsch“), summen Sie, wenn Sie mögen – das wird auch Sie beruhigen. „Je weniger Sie tatsächlich machen, desto besser“, so der Mediziner. „Ich weiß, dass das schwer ist, aber im Prinzip müssen Sie nur ein paar Minuten überstehen und danach für Ihr Kind da sein.“ Und das gelingt am besten, wenn Sie selbst nicht komplett außer sich sind. Ihr Schatz wird sich jedoch nach dem Krampf an nichts erinnern. Die Kinder haben eine Gedächtnislücke rund um die Zeit des Fieberkrampfes.

„Beim ersten Fieberkrampf ist es völlig in Ordnung, den Rettungsdienst zu rufen, aber nicht zwingend notwendig“, so der Kinderarzt. „Nach dem Fieberkrampf sollte das Kind aber stets ärztlich untersucht werden, beim ersten auch gerne in einer Klinik, um den Vorfall gut abzuklären. Falls es noch mal auftritt, müssen Sie nicht zwingend ins Krankenhaus, sondern können nach Ende des Ereignisses in die Kinderarztpraxis gehen.“

Wahrscheinlich bekommen Sie für die Zukunft ein Notfallmedikament, weil die Möglichkeit besteht, dass Ihr Kind nochmals einen Fieberkrampf bekommt. „Dieses Medikament ist krampflösend. Es ist in einer Tube und wird über den Po verabreicht, aber gerne erst, wenn der Krampf nach drei Minuten noch nicht vorüber ist“, fasst Naami zusammen.

Sollten Sie solch ein Medikament bereits zu Hause haben, schauen Sie zu Beginn des Krampfes auf die Uhr und behalten die Zeit im Blick. Sollte es Ihrem Kind nach drei Minuten nicht besser gehen, verabreichen Sie ihm den Tubeninhalt. Bewegen Sie Ihr Kind dabei vorsichtig, um ihm nicht unabsichtlich wehzutun. Am einfachsten ist das, wenn Sie nicht alleine sind.

Falls Sie mit Ihrem Kind allein in der Wohnung sind, alarmieren Sie am besten den Rettungsdienst. Dieser hat das Medikament standardmäßig dabei. Alternativ können Sie auch Nachbarn anrufen, Ihr Kind so absichern, dass es beispielsweise nicht vom Sofa stürzen kann, und dann schnell die Tür öffnen, sodass Sie bei der Gabe des Notfallmedikaments Unterstützung haben.

Falls der Fieberkrampf Ihres Kindes länger als fünf Minuten dauert, werden Sie sehr wahrscheinlich die 112 wählen. Und das ist auch gut. Zwar sind länger dauernde Fieberkrämpfe aufgrund der Länge nicht unbedingt bedenklicher als kurze, aber es kann dennoch sein, dass professionelle Hilfe nötig ist. „Fälle, in denen ein Fieberkrampf schwerwiegend ist, sind wirklich sehr, sehr selten“, beruhigt Naami. „Wir reden hier von einem etwa 15-minütigen Krampf, der nicht von alleine aufhört und wo dann weitere Untersuchungen nötig werden. Aber das kommt, wie gesagt, ausgesprochen selten vor.“

Übrigens: Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin schreibt, dass es kein Mittel gebe, mit dem man einen erneuten Fieberkrampf zuverlässig verhindern könne – „auch nicht durch konsequente Fiebersenkung, weil die Krampfanfälle häufig im Fieberanstieg auftreten und deswegen gar nicht vorherzusehen sind“, so die DGKJ. „Eltern sollten sich daher keine Vorwürfe machen oder sich mit Schuldgefühlen quälen, wenn ihr Kind einen weiteren Fieberkrampf erleidet.“

*Dr. Nibras Naami, Dr. Florian Babor: High Five. Die fünf Säulen einer gesunden und glücklichen Kindheit, dtv-Verlag, 448 Seiten, 24 Euro.