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MAINZ, 12. Juni. Auf unterschiedliche Reaktionen ist der Wunsch von Bundespräsident Roman Herzog gestoßen, die katholische Kirche solle im System der Schwangeren-Konfliktberatung verbleiben. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, dankte Herzog am Freitag auf dem Katholikentag in Mainz ausdrücklich für seine Äußerungen zu diesem Thema. Herzog habe mit seinem Wunsch zum Verbleib der Kirche in der Schwangerschaftsberatung für die große Mehrheit der Katholiken und der Bischofskonferenz gesprochen, so Meyer. Auch der Limburger Bischof Franz Kamp-haus und Reformkräfte begrüßten Herzogs Appell.Der Vorsitzende der Bischofskonferenz Karl Lehmann wollte sich zu Herzog nicht direkt äußern. Er sagte: "Die Politik befreit mich von nichts. Ich will eine theologisch saubere Lösung und keinen faulen Kompromiß." Erzbischof Johannes Dyba sagte dagegen, er halte eine Rückkehr ins Beratungssystem in seinem Bistum für "völlig überflüssig". Als einzige deutsche Diözese stellt Fulda seit fünf Jahren keine Beratungsscheine aus, die Dyba als Lizenz zum Töten bezeichnet hatte.Bei einem der vielen Foren formulierten Vertreter aus Politik, Unternehmen und Kirche die Erwartungen der Gesellschaft an die Kirche. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Chef der Industriegewerkschaft Chemie Hermann Rappe wünschte sich von der Kirche, daß sie sich mehr einmische und die Gesellschaft mehr mit ihren Problemen konfrontiere. Das Sozialwort der Kirchen aus dem vergangenen Jahr sei das gründlichste Papier, das es zu dieser Problematik gebe. "Aber es ist bei den Politikern in den Schubladen verschwunden", sagte Rappe. Der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG, Johannes Ludewig, vermißte in der Kirche die Unruhe, die sie angesichts der Probleme, etwa beim Umweltschutz oder bei der Asylpolitik, umtreiben müßte. Die Kirche beschäftige sich immer noch zuviel mit sich selbst.Martina Patenge von der katholischen Telefonseelsorge in Mainz sagte, Anrufer berichteten von überforderten Priestern, die "besserwisserische Antworten auf unlösbare Probleme" gäben, und von Unbarmherzigkeit. In der Kirche fehle es an "beziehungsfähigen Menschen", die zuhören können, so ihre Erfahrung.Die Grünen-Abgeordnete Halo Saibold faßte die Meinungen vieler so zusammen: "Ich erwarte ein stärkeres Eingehen auf die lebenswichtigen Fragen der Menschen, auf die Bedürfnisse nach Spiritualität, nach Lebenssinn und die Vermittlung von mehr Hoffnung in die eigene Stärke."