Reinigungsmittel verursachte Unglück am Spandauer Erdgasspeicher: Explosion durch falsche Chemikalie
Rund drei Monate nach der Explosion am Spandauer Erdgasspeicher gibt es erste konkrete Hinweise auf die Unfallursache. Nach einem vorläufigen Gutachten von Experten der Universität Clausthal wurde die Explosion an Berlins zentralem Gaslager durch eine erstmals eingesetzte Reinigungschemikalie verursacht. Das Gutachten wurde im Auftrag der Berliner Staatsanwaltschaft angefertigt. Sie un- tersucht, wie es zum dem schweren Unglück kommen konnte, bei dem im April drei Menschen schwer verletzt wurden.Der Expertise zufolge wurde am Unglückstag ein in 900 Meter Tiefe gelegener verstopfter Filter mit Wasserstoffperoxid gereinigt, das von der Oberfläche aus unter Druck in das Bohrloch geleitet und anschließend in einen Tankwagen gepumpt wurde. Aus dem Wasserstoffperoxid (chemische Formel H2 O2) habe sich im Bohrloch Sauerstoff (O2) abgespalten, der sich mit dem Erdgas zu einem zündfähigen Gemisch vereinigt habe, erklärte Gasag-Sprecher Klaus Haschker den Expertenbericht. Wie der Funke entstand, der das Gemisch zündete, ist noch nicht geklärt. Ebenso wenig steht fest, wer letztlich die Verantwortung für den fatalen Einsatz des Wasserstoffperoxids trägt: Die Gasag, die von ihr beauftragte Spezialfirma Fangmann aus Salzwedel oder das Landesbergamt Cottbus als Aufsichtsbehörde. "Die Ermittlungen dauern noch an", sagte Justizsprecher Michael Grunwald gestern. Vor dem Unglück wurde für die Reinigung der Filter, die am unteren Ende der Speicherbohrung Sand und andere unerwünschte Stoffe zurückhalten, unter anderem Zitronensäure oder Salzsäure verwendet. Klaus Thiele, Geschäftsführer der Firma Fangmann, sagte auf Anfrage, man habe in diesem Fall erstmals Wasserstoffperoxid benutzt, weil bestimmte mikrobiologische Ablagerungen im Filter, so genannte XC-Polymere, zu beseitigen waren. "Das hat im Test sehr gut funktioniert", sagte Thiele. Dass dabei in der Bohrung Sauerstoff entstehe, sei der Gasag und ihnen bekannt gewesen. Alle Beteiligten hätten dies jedoch für beherrschbar gehalten. Fangmann habe das Verfahren mit Wasserstoffperoxid, das bei Erdgaslagerbohrungen zuvor kaum angewandt worden sei, im Labor ausprobiert. "Theoretisch hätte es nicht zur Explosion kommen dürfen", sagte der Geschäftsführer. Die Verwendung des neuen Reinigungsmittels sei mit der Gasag abgestimmt und ordnungsgemäß dem Bergamt angezeigt worden. Dieses habe keine Einwände erhoben. Es habe eine so genannte Betriebsplanzustimmung des Amtes zum Einsatz des Wasserstoffperoxids vorgelegen. Der zuständige Abteilungsleiter im Bergamt Cottbus, Ralf Bischof, sagte, sein Amt habe auf die jahrzehntelange Erfahrung und Kompetenz der Firma Fangmann und der Gasag vertraut. Zwar sei Wasserstoffperoxid bei Reinigungsarbeiten an Gasspeichern bisher kaum eingesetzt worden, das Amt habe aber "auf Grund der Kenntnisse und der von Fangmann durchgeführten Experimente keine Bedenken gehabt". Künftig werde sich seine Behörde "bei der Prüfung solcher Verfahren aber nicht mehr nur auf die Angaben der Antragsteller verlassen", so Bischof.------------------------------Gasag erleichtert // Der Gasspeicher im Gestein unter Spandau und Charlottenburg ist seit dem Unglück im April außer Betrieb. Denn bisher war nicht auszuschließen, dass das Unglück nicht nur mit den Arbeiten an einer Einfüllöffnung (Sonde), sondern mit dem Speicher als solchem zu tun hatte.Erleichterung macht sich nun bei der Gasag breit, weil die laut Gutachten vermutete Explosionsursache auf einen technischen Fehler hinweist, nicht aber die Sicherheit des Speichers in Frage stellt. Das Un-ternehmen will den Speicher möglichst im August wieder in Betrieb nehmen, um preisgünstiges Erdgas zu günstigen Sommerpreisen für den Winter einkaufen zu können.Die Sondenbohrung, die durch die Explosion beschädigt wurde, muss zuvor jedoch vom Speicher getrennt werden. Experten arbeiten derzeit daran, am unteren Ende der Bohrung in rund 900 Meter Tiefe einen Stopfen aus Beton oder Metall zu setzen, der den Speicher nach oben abdichtet. Die Gasag muss dann gegebenenfalls dauerhaft auf die Bohrung verzichten, was die Kapazitäten beim Füllen und Entleeren des Speichers beeinträchtigt.------------------------------Foto: Die Explosion am Erdgasspeicher im April war so heftig, dass sie ein Tankfahrzeug völlig zertrümmerte.