Roland Baar profiliert sich im Weltsportgremium als kritischer Geist und setzt hohe Erwartungen in den Präsidenten: Die Last des Vermächtnisses

MOSKAU, 16. Juli. Es passiert eher selten, dass sich die drei deutschen IOC-Mitglieder einig sind. Am Montag, nach der Wahl von Jacques Rogge an die Spitze des IOC, war das ausnahmsweise der Fall. NOK-Präsident Walther Tröger (72), Athletenvertreter Roland Baar (36) und IOC-Vizepräsident Thomas Bach (47) lobten Rogge in höchsten Tönen."Glaubwürdiger Präsident""Rogge ist eine sehr gute Wahl, mit der auch jene, die ihm heute nicht ihre Unterstützung gegeben haben, sehr gut leben können", sagte Tröger. "Rogge war mein Favorit, das sage ich ganz offen", bekannte Baar: "Auch wenn er schon 59 Jahre alt ist, verkörpert er für mich die junge Generation im IOC. Er ist für die Belange der Athleten immer offen ansprechbar." Thomas Bach sagte: "Rogge ist ein Präsident, der das IOC glaubwürdig vertreten wird." Indes kam gerade Bachs Aussage nicht unbedingt glaubwürdig daher. Es war schließlich Bach, der für den Kandidaten Kim mit seiner Unterschrift quasi als Bürge aufgetreten ist - gemeinsam mit dem Senegalesen Keba Mbaye und dem Chinesen He Zhenliang. Nachdem die Sache publik geworden war, wollte Bach seine Unterschrift nur noch als "rein notariellen Akt ohne Bindewirkung" verstanden wissen.Bach hat sich - wie übrigens auch Tröger - nie vom mehr als anrüchigen Kandidaten Kim Un Yong distanziert. Ganz anders Roland Baar, der nie Zweifel daran gelassen hat, dass Kim nicht in eine solche Führungsposition gehört. Als dann zum Wochenende bekannt wurde, dass Kim IOC-Mitgliedern eine jährliche Apanage zu zahlen gedenkt und auch über Summen diskutierte, kam von den ausgebildeten Juristen Tröger und Bach wieder keine Kritik. Baar indes sagte: "Die vielen Anwälte im IOC werden mir und der Öffentlichkeit jetzt sicher wieder erklären, dass das alles mit der Olympischen Charta in Einklang zu bringen ist. Für mich aber war es das Angebot eines Präsents. Ich hätte Kim verwarnt." Die Ethik-Kommission beließ es jedoch allein bei der Nennung des bloßen Zwischenfalls. Am Ende aber war auch das schon genug. "Im Geist der kleinen Reformen von 1999 hätte ich zwar mehr erwartet", erkläte Baar, "aber immerhin erhielt Kim kurz vor der Wahl eine symbolische Ohrfeige. Im IOC ist das schon viel Wert."Wenn einer der drei Deutschen auf dieser 112. Session an Profil gewonnen hat, dann war es Roland Baar. Er war der einzige Olympier überhaupt, der das Thema Menschrechte vor der Vergabe der Sommerspiele 2008 an Peking touchierte. Dagegen blieben Tröger und Bach stumm. Bachs Standardfloskel lautete diesmal, ihm sei wegen der strengen Ethik-Regularien im IOC "die Zunge gebunden". Bach bereitete die Wahl Rogges im übrigen Probleme im persönlichen Karriereplan. Sollte es ernsthafte Überlegungen gegeben haben, im Schatten des Kompagnons Kim Un Yong die eigene Präsidentschaft vorzubereiten, sind diese Planspiele nun obsolet. Rogge wird nach seiner achtjährigen Amtszeit vielleicht noch um weitere vier Jahre verlängern bis 2013 - das IOC wäre insgesamt 41 Jahre in europäischer Hand. "Ich gehe fest von zwölf Jahren Rogge-Präsidentschaft aus", sagt Baar, "danach hat kein anderer Europäer eine Chance."Der DopinggegnerBaar glaubt, dass der IOC-Präsident Rogge vor allem den Einfluss der Athleten stärken wird: "Wir wollen das Recht haben, in allen Kommissionen zu sitzen, auch in der Ethik-Kommission. Rogge steht für mich für eine Öffnung des IOC. Er weiß, dass er die Athleten auf seiner Seite hat." Neben den sportlichen Aspekten, dem Kampf gegen Doping, wird Rogge "auch in der China-Frage klar Stellung beziehen", meint Roland Baar. "Er wird ganz genau überprüfen, ob die vielen Versprechungen eingehalten werden." Insgesamt erwarte Rogge ein schwerer Job: "Denn Samaranch hat ihm kein besonders gutes Vermächtnis hinterlassen."