Sanktionen: Russland dreht am Gashahn

Während die EU in Brüssel noch beriet, ob und wann neue Sanktionen gegen Russland in Kraft treten sollen, zeigte die Führung in Moskau schon einmal ihr Muskeln. Wie europäische Energiekonzerne berichten, erhalten sie bereits seit Tagen weniger Erdgas aus Russland. Der polnische Versorger PGNiG teilte am Donnerstag mit, der russische Monopolist Gazprom habe am Tag zuvor 45 Prozent weniger Gas geliefert als angefordert.

Auch Deutschland ist betroffen. Der Düsseldorfer Eon-Konzern sprach von „aktuell geringen Liefereinschränkungen“. Sie hätten aber keinen Einfluss auf die Versorgungssituation hierzulande und bewegten sich im Rahmen normaler Schwankungen. Weniger Gas bekommt auch die Slowakei, die wie Polen ein wichtiges Transitland für russisches Erdgas ist: Der dortige Energiekonzern SPP erhielt am Donnerstag nach eigenen Angaben zehn Prozent weniger Brennstoff als bestellt.

Gazprom bestritt hingegen, die Lieferungen reduziert zu haben. Die Mengen seien unverändert.

Die EU ist in hohem Maße von russischen Energielieferungen abhängig. Ein Drittel des hier verbrauchten Gases stammt aus Russland. Die betroffenen Unternehmen und die Brüsseler EU-Kommission vermieden es am Donnerstag auffällig, die Regierung in Moskau für den verminderten Gasfluss verantwortlich zu machen. Schon gar nicht wollten sie eine Verbindung zu den neuen Sanktionen sowie zum Ukraine-Konflikt herstellen.

„Die Gründe für die reduzierten Gaslieferungen werden untersucht. Insbesondere geht es darum festzustellen, ob sie technischer oder kommerzieller Art sind“, erklärte die polnische PGNiG. EU-Energiekommissar Günther Oettinger ließ in Brüssel erklären, man gehe den Ursachen für die Einschränkungen noch auf den Grund. Erst wenn mehr Klarheit herrsche, könne die Kommission eine Bewertung vornehmen und mögliche weitere Schritte in Betracht ziehen. Die Bundesregierung in Berlin erklärte, es gebe keinen Hinweis auf eine Vertragsverletzung.

Trotz der reduzierten Lieferungen müssen sich Verbraucher in den EU-Staaten keine Sorgen machen, dass sie im Herbst und Winter ihre Wohnungen nicht heizen können. Denn es fließt weiterhin Gas, nur nicht in der bestellten Menge. Die Erdgas-Speicher sind überdies fast überall in der Union gut gefüllt. In Deutschland beträgt der Füllstand nach Angaben der Vereinigung Gas Infrastructure Europe derzeit mehr als 90, in Polen fast 100 Prozent. Die EU-Staaten können sich bei Liefer-Schwankungen auch gegenseitig helfen. Polen etwa gleicht die fehlenden Mengen derzeit aus, indem es Erdgas aus Deutschland und Tschechien einführt.

In den vergangenen Wochen und Monaten war in der EU immer wieder spekuliert worden, dass Russland in der Ukraine-Krise auf Sanktionen des Westens mit einer Drosselung der Energielieferungen reagieren könnte. Dagegen spricht, dass Moskau zur Finanzierung der Staatsausgaben auf die Einnahmen aus dem Gas- und Ölgeschäft angewiesen ist.

Nichts für die Ukraine

Erdgas spielt auch eine zentrale Rolle im bilateralen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Seit Monaten bereits liefert Moskau kein Gas mehr in das Nachbarland, beide Seiten streiten über unbezahlte Rechnungen und den künftigen Gaspreis. Die EU wiederum ist in der Lage, den Ausfall russischer Lieferungen in die Ukraine teilweise auszugleichen. So verfügen Ungarn, Polen und seit Anfang September auch die Slowakei über Pipelines, mit denen Gas wieder nach Osten zurückgepumpt werden kann.

Die russische Führung um Präsident Wladimir Putin fühlt sich durch diese Aktivitäten der EU herausgefordert. Vor wenigen Tagen berichtete die Financial Times unter Berufung auf EU-Quellen, Russland drohe „ziemlich offen“ damit, seine Gas-Exporte so weit zu drosseln, dass die EU-Staaten kein überschüssiges Gas mehr in die Ukraine liefern könnten.