Schlechte Noten für Fahrradfahren in Hessen

Frankfurt/Main - Das Klima für Fahrradfahrer in Hessen hat sich einer Umfrage zufolge verschlechtert. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hatte Radfahrer gebeten, das Radeln in ihrer Stadt anhand von 32 Fragen mit Schulnoten zu bewerten. Im Vergleich zu den Vorjahren zeige sich dabei „eine klare Tendenz zu schlechteren Noten”, berichtete der ADFC am Dienstag in Frankfurt.

„Immer mehr Menschen wollen Radfahren”, sagte ADFC-Landesgeschäftsführer Norbert Sanden, „gleichzeitig fühlen sich viele unbehaglich im Straßenverkehr”. Die Erwartungen der Radfahrer stiegen schneller, als die Kommunen diese erfüllen könnten - das sei die Ursache, dass die Noten schlechter würden, obwohl die Städte sich durchaus anstrengten: „Wo Verbesserungen eingeleitet wurden, sind Tempo und Umfang der Maßnahmen noch viel zu gering.”

Nur sieben hessischen Kommunen gelang es, ihre Noten leicht zu verbessern. Dagegen haben sich elf leicht und zehn sogar deutlich verschlechtert. Die Befragung ist nicht repräsentativ, sei aber als „subjektives Stimmungsbarometer” sehr hilfreich, sagte Sanden. Teilgenommen haben rund 12 700 Menschen in Hessen. Ausgewertet wurden die Ergebnisse aus 71 Städten. Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die Städte in Größenklassen sortiert. In Berlin wurde parallel der bundesweite „Radklima-Test” 2018 vorgestellt. Die Befragung wurde zum achten Mal durchgeführt.

Die besten Noten in Hessen bekamen kleinere Städte, die Großstädte schnitten tendenziell schlechter ab. Über alle Größenklassen hinweg waren die drei am besten bewerteten Kommunen BAUNATAL (Kreis Kassel, Note 2,67), KRIFTEL (Main-Taunus-Kreis, Note 3,09) und MÖRFELDEN-WALLDORF (Kreis Groß-Gerau, Note 3,17).

BAUNATAL belegte auch deutschlandweit Platz eins bei Kommunen zwischen 20 000 und 50 000 Einwohnern. Der ADFC lobte die „fahrradfreundliche Verkehrspolitik”: Es gebe eine gute Wegweisung, viele Abstellmöglichkeiten und seit der Fertigstellung einer Bahnhofsunterführung auch eine direkte Radverbindung nach Kassel.

Die schlechtesten Noten über alle Größenklassen hinweg waren BAD HOMBURG (Hochtaunuskreis, Note 4,54), WIESBADEN (Note 4,42) und KELSTERBACH (Kreis Groß-Gerau, Note 4,39).

WIESBADEN holte aber auf. Die Landeshauptstadt gab die „rote Laterne” ab, es gebe „einen spürbaren politischen Willen zur Verbesserung des Fahrradklimas”, urteilte der ADFC: mehr Haushaltsmittel, ein „Radbüro”, neue Wegweisung, neue Radstreifen, ein Vermietungssystem und bessere Ampelschaltungen. Das habe auch dazu beigetragen, ein Diesel-Fahrverbot abzuwenden.

Die größte Verbesserung bei den Noten seit der letzten Befragung 2016 gelang KARBEN (Wetteraukreis), DREIEICH (Kreis Offenbach) und LIMBURG. Klar verschlechtert haben sich OBERTSHAUSEN (Kreis Offenbach), SCHWALBACH AM TAUNUS (Main-Taunus-Kreis) und HANAU.

Neben Wiesbaden stufte der ADFC auch OFFENBACH als „Aufholerstadt” ein. Dort habe man „ein zugkräftiges Konzept” und einen informativen Internet-Auftritt. Das Radeln am Mainufer sei verbessert worden und 20 Pedelecs stünden zum Ausleihen bereit.

Hessens größte Stadt FRANKFURT hat sich verschlechtert (3,94), liegt aber bundesweit auf Platz vier aller Städte mit mehr als einer halben Million Einwohner - nach Bremen, Hannover und Leipzig. Positiv finden die Radfahrer die geöffneten Einbahnstraßen, größtes Problem sind die vielen Falschparker und zu schmale Radwege. DARMSTADT (Note 3,8) liegt hessenweit im Mittelfeld, KASSEL (Note 4,18) schafft es gerade mal auf Platz 57 von 71 Städten.

Am meisten leiden die Radfahrer in ganz Hessen laut ADFC unter „Mischverkehr”: sie wünschen sich eine klare Trennung von Rad und Auto. In fast allen Städten ärgern sie sich über Falschparker und dass die Kommunen zu wenig dagegen tun - Frankfurt bekommt hier die schlechtesten Noten in ganz Hessen. Und Eltern, die ihre Kinder mit dem Rad fahren lassen, haben oft kein gutes Gefühl.

Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sichert zu, den Radverkehr im Land weiter kräftig zu unterstützen. Für den Ausbau des Radwegenetzes werde die Landesregierung in den kommenden Jahren eine Rekordsumme bereitstellen, sagte der Minister der Deutschen Presse-Agentur in Wiesbaden.

Die Bürgerbegehren für einen Radentscheid stehen unterdessen vor dem Aus: In Kassel hatte die Stadtverordnetenversammlung am Montagabend den Radentscheid als unzulässig abgelehnt. In Frankfurt empfahl der Magistrat der Stadtverordnetenversammlung, den Radentscheid ebenfalls abzulehnen. Darmstadt hatte das Bürgerbegehren schon 2018 abgelehnt. Als Grund wurden stets mangelhafte Aussagen zur Finanzierung genannt.

Der ADFC kritisierte am Dienstag, dass die Kommunen sich auf Formalitäten zurückziehen: „Letztlich ist das eine politische Entscheidung”, sagte Hessen-Geschäftsführer Sanden. Der ADFC und andere Initiatoren bereiten jetzt einen hessenweiten Radentscheid vor. Dafür müssen laut Verkehrsclub Deutschland (VCD) aber erst auf Landesebene die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen werden. (dpa/lhe)