Schlossfassaden gegen Altstadt

Wieder wird eine Privatisierungs-Sau über den Schlossplatz getrieben. Denn die Bundestagsabgeordneten haben zwar beschlossen, den Palast der Republik für einen Neubau mit barocken Fassaden abzureißen. Doch aus berechtigter Angst vor den Reaktionen der nicht-berlinischen Wähler trauen sie sich nicht, die für das preußische "Schloss" wenigstens 600 Millionen Euro frei zu geben. Also propagiert derzeit in Radios und Zeitungen der Berliner Rechtsanwalt und Immobilienfachmann Lür Waldmann - nicht zu verwechseln mit den Schlossbegeisterten um Wilhelm von Boddien - seine seit Jahren herumgereichte Idee, die Hohenzollernresidenz als reine Aktiengesellschaft zu rekonstruieren. Die Rendite soll der Bund erbringen, indem er das Schlossgelände an die Aktionäre verkauft. Da könnten dann in barocker Hülle vermietbare Büros, Läden, Hotels und Ausstellungsflächen entstehen. Für Kunst und Bildung, also das Humboldt-Forum der Staatlichen Museen, der Landesbibliothek und der Humboldt-Universität, ist allerdings kein Platz mehr. Also soll für sie, so Waldmann, noch ein Neubau errichtet werden, jenseits der Spree auf dem Gelände des Marx-Engels-Forums, völkerverbindend in vier Farben schillernd. Finanzieren könne der Bund das ja mit dem Erlös des Schlossplatzverkaufs.Immerhin: Waldmann macht im Vergleich zum Bundesfinanz- und zum Bundesbauministerium Nägel mit Köpfen. Die versuchen trotz allgemeiner Proteste immer noch, das Humboldt-Forum als Public-Private Partnership zu realisieren, um die Fassade bauen zu können. Es soll privat vorfinanziert und dann im Mietkauf abgestottert werden. Eine unseriöse Verlagerung der Kosten auf die nächste Generation. Waldmann hingegen will gleich die richtige Privatisierung des Schlossgrundes, will die Aufgabe der Staatsmitte, um Staatsfassaden zu imitieren.Mit Waldmanns Vorschlag ist jedoch die weitere Zerstörung des bürgerlichen Berlin verbunden. Der Historiker Benedikt Goebel zeigt in seinem hervorragenden Buch "Der Umbau Alt-Berlins zum modernen Stadtzentrum" (Verlagshaus Braun 2003), wie die Altstadt seit der Kaiserzeit vom Staat und von Verwaltungen okkupiert wurde. Das weite Marx-Engels-Forum der DDR vollendete diese Zerstörung. Man kann, sollte vielleicht trotz des Flächendenkmalschutzes über eine Reparatur dieser Katastrophe mit neuen Wohn- und Geschäftshäuser nachdenken. Stattdessen schlägt Waldmann vor, das seit mehr als 500 Jahren dem Staat dienende Gelände von Schloss und Palast auf der Spreeinsel zu privatisieren, die Grundstücke der bürgerlichen Altstadt Berlins aber endgültig zu verstaatlichen. Das nur absurd zu nennen, wäre höflich.