Schon die DDR plante einen Interkontinental-Flughafen - und eine perfekte Verkehrsanbindung: Mit der U-Bahn nach Schönefeld
SCHÖNEFELD. Wenn morgen mit reichlich Pomp und vielen Ehrengästen in Schönefeld der symbolische erste Spatenstich für den Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) gesetzt wird, geht eine 14-jährige Planungszeit zu Ende. Sie war begleitet von diversen Pleiten, Pannen und Peinlichkeiten und dem nachvollziehbaren Widerstand tausender Anwohner, die den Standort als den denkbar schlechtesten überhaupt ansehen.Doch genau genommen begannen die Planungen für einen "Interkontinental-Flughafen Schönefeld" schon vor 50 Jahren. Mangels Bedarf und Möglichkeiten - über die geschätzten Kosten sind keine Angaben bekannt - entstand bis 1976 zwar nur eine stark abgespeckte Variante. Doch der nun geplante BBI nähert sich zum Teil erstaunlich den Visionen der DDR-Verkehrsplaner an. Die hatten schon in den 60er-Jahren den "ansteigenden Luftverkehr in einem wiedervereinten Deutschland" im Blick, wie aus Beiträgen in alten Flieger-Jahrbüchern der DDR hervorgeht. Schon 1959 gingen die Autoren für das "Berlin der Zukunft" von mindestens 6,5 Millionen Passagieren aus. Drei Jahre später prognostizierten sie einen noch rasanteren Anstieg des Luftverkehrs und sagten für die 80er-Jahre 14 Millionen Passagiere voraus - "unter Voraussetzung eines einheitlichen Deutschlands und eines sozialistischen Wirtschaftsraumes". Die Zahl wurde 2001 erreicht.Am Standort Schönefeld, wo bis Kriegsende die Henschel-Flugzeugwerke Flugzeuge bauten, gab es nie Zweifel. "Seine Einflugschneisen sind zum überwiegenden Teil Freiflächen oder nur offen bebaute Ortsteile", urteilten die DDR-Experten im Jahr 1962. Seinerzeit stimmte die Einschätzung durchaus.Ein wichtiger Unterschied zur BBI-Planung allerdings war in der DDR, dass Tempelhof und Tegel für den Kurzstreckenbetrieb weiter genutzt werden sollten, auch wenn in Tempelhof zum Beispiel die "starken Geräuschbelastungen" weit über das erträgliche Maß hinausgingen. Deshalb sollten die beiden West-Berliner Flughäfen von dem zu erwartenden Luftverkehr stark entlastet werden. "Es wäre aber unverantwortlich, diese Anlagen mit ihren riesigen Gebäudekomplexen zu kassieren oder sie in einen Vergnügungspark umzugestalten", heißt es in dem Jahrbuch von 1962. Drei Viertel des Luftverkehrs sollten in Schönefeld abgewickelt werden.Schönefeld sollte überwiegend, aber nicht nur den Langstreckenverkehr aufnehmen. Allerdings sollten die Kurzstreckenflugzeuge nicht auf den selben Rollbahnen starten: "Bedeutend wirtschaftlicher ist eine Trennung des Pistensystems in Pisten für die Lang- und Mittelstrecke und Pisten für die Kurzstrecke."Als günstigste Lösung erachteten deshalb die Ostberliner Fachleute, zwei nebeneinander liegende Flughäfen mit den jeweiligen Pistensystemen zu bauen - verbunden durch ein gemeinsames Terminal. "In einem gemeinsamen, zentral gelegenen Empfangs- und Abfertigungsgebäude werden die Passagiere aller Verkehrsmittel betreut und abgefertigt. An dieses Gebäude schließen sich ... die eigentlichen Flughafengebäude mit ihren Warte- und Abrufräumen, ihren 'Fingern' und Gaststätten an", wird das Projekt beschrieben. Als "Finger" wurden die jeweiligen Zugänge zu den Kurz- und Langstrecken-Startbahnen bezeichnet. Dem Zentralgebäude, wie es der DDR vorschwebte, entspricht vom Ansatz her das "Midfield-Terminal" des BBI. Alles unter einem Dach, hieß es damals und heißt es heute. Entscheidender Unterschied: Während die DDR ihr Projekt ebenerdig anlegte, bringt das BBI-Terminal sämtliche Funktionen auf sechs Geschossen unter, tief im Keller den Bahnhof - sehr schön, aber mit fast einer halben Milliarde Euro Baukosten auch sehr teuer.Der Nutzen einer "komplexen Verkehrsplanung" für Schönefeld war auch der DDR bewusst. Eisenbahn, S-Bahn, kreuzungsfreie Straßen, es fehlte an nichts. Sie plante sogar etwas ein, an das die BBI-Erbauer nicht einmal zu denken wagen. Die Schnellverkehrsmittel könnten "durch eine kurze Anschlußstrecke der U-Bahn ab Rudow ... wirkungsvoll ergänzt werden", heißt es im Flieger-Jahrbuch - vor genau 40 Jahren.------------------------------Zivile Nutzung auf sowjetischem Befehl1934: Baubeginn für die Henschel-Flugzeugwerke in Schönefeld mit Start- und Landemöglichkeiten. Bis 1945 werden fast 15 000 Kriegsflugzeuge produziert.1946: Die sowjetische Fluggesellschaft Aeroflot nimmt Flüge nach Schönefeld auf.1947: Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) befiehlt den Aufbau eines Zivilflughafens in Schönefeld.1955: Gründung der Deutschen Lufthansa der DDR, die Umwandlung in Interflug erfolgt 1958.1961: Die erste neue Start- und Landebahn geht in Betrieb. Länge: 3 000 Meter1965: Übergabe der zweiten 3 000-Meter-Rollbahn. Beide Pisten wären zu verlängern.1969: Die ersten Düsenverkehrsflugzeuge fliegen Schönefeld an.1976: Das Terminal (Kapazität: 2,5 Millionen Passagiere) wird eingeweiht.1990: Gründung der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH.ab 1991: Modernisierungs- und Erweiterungsarbeiten erhöhen die Flughafenkapazität auf jetzt sieben Millionen Passagiere pro Jahr.1996: Brandenburg, Berlin und der Bund beschließen den Ausbau Schönefelds zu einem Großflughafen.------------------------------Foto: Modell des Flughafens Schönefeld (1962): links das Abfertigungsgebäude, rechts Bahnsteige für Fern-, S- und U-Bahn.------------------------------Foto: Seit 60 Jahren in Schönefeld: Die seinerzeit sowjetische Fluggesellschaft Aeroflot eröffnete ein Jahr nach Kriegsende den Flugbetrieb nach Ost-Berlin.