Schulleistungsvergleich der Bundesländer: Klassenprimus Ostdeutschland

Ostdeutsche Schüler rechnen besser, könnte die Quintessenz des diesjährigen Schulleistungsvergleichs der Bundesländer lauten. Oder: In Mathematik und Naturwissenschaften sind die ostdeutschen Neuntklässler leistungsstärker als der Großteil der gleichaltrigen Westdeutschen. Wir vergleichen gern, und besonders gern den Bildungsstand der eigenen Bevölkerung, durch alle Schulklassen und -formen, Alters- und Herkunftsgruppen und über Landesgrenzen hinweg. In der Regel bildet das Ergebnis dann ein deutliches Nord-Südgefälle ab. Bayern liegt üblicherweise weit vorn, die Stadtstaaten Bremen und Hamburg hinten. Nicht so im diesjährigen Vergleich des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB).

Besondere Wertschätzung in DDR

Über das Ergebnis des Leistungsvergleichs von mehr als 44.000 Schülern der neunten Klassen aller Schulformen in der Bundesrepublik in den Fächern Mathematik, Biologie, Chemie und Physik dürfen sich diesmal die ostdeutschen Bundesländer freuen. Sie liegen in allen Fächern deutlich vorn und zwar auch vor dem üblichen Klassenprimus Bayern.

Freuen dürfen sich aber vor allem die ostdeutschen Fachlehrer für Mathematik, Biologie, Chemie und Physik. Denn es sind offenbar nicht die unterschiedlichen Schulsysteme – das zweigliedrige Schulsystem im Osten gegenüber dem in der Regel noch dreigliedrigen im Westen –, durch die sich der Vorsprung der ostdeutschen Schüler erklären lässt. Ausschlaggebend ist vielmehr der Unterricht. Ein Großteil der Lehrer, die diese Fächern unterrichten, wurde noch in der DDR ausgebildet und das zu einer Zeit, in der auf die Fachlehrerausbildung in Mathematik und Naturwissenschaften besonderer Wert gelegt wurde.

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Brunhild Kurth, Staatsministerin für Kultus in Sachsen, die die Studie am Freitag zusammen mit ihrer Kollegin aus Rheinland-Pfalz, Doris Ahnen, und dem derzeitigen Präsidenten der Kultusministerkonferenz, Stephan Dorgerloh aus Sachsen-Anhalt, vorstellte, war selbst Biologie- und Chemielehrerin im sächsischen Burgstädt. Wer Naturwissenschaften lehrte, galt zu DDR -Zeiten in der Regel als politisch unverdächtig. „Das bot uns eine Nische“, erklärt Kurth die besondere Wertschätzung des Ostens für diese Fächer, „und wir hatten eine gute, sehr praxisnahe Ausbildung“. Dass Deutschland von einer promovierten Physikerin regiert wird, ist also kein Zufall.

Damit der Osten in diesen Fächern vorn bleibt, werden in den kommenden Jahren aber Lehrkräfte neu eingestellt werden müssen. Die noch zu DDR-Zeiten ausgebildeten Lehrer sehen inzwischen ihrer Pensionierung entgegen.

Im Westen werden Mathematik und Naturwissenschaften im Durchschnitt mit deutlich geringerem Erfolg unterrichtet. Nur Bayern und Rheinland-Pfalz erzielten in diesen Fächern Leistungswerte, die „statistisch bedeutsam“ über dem Durchschnitt liegen; in Einzelbereichen auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Versetzungsgefährdet sind Nordrhein-Westfalen, Bremen und Berlin. Der Leistungsabstand zwischen dem Primus Sachsen und dem Schlusslicht Bremen macht im Fach Mathematik rund zwei Schuljahre aus.

Viele fachfremde Mathelehrer

Stephan Dorgerloh, der Präsident der Kultusministerkonferenz und selbst Kultusminister in Sachsen-Anhalt, will nun die Aus- und Weiterbildung von Fachlehrern für Mathematik und Naturwissenschaften verbessern. Eine Erkenntnis der Studie war, dass 15 Prozent der Lehrer, die heute an den Schulen Mathematik unterrichten, dieses Fach gar nicht studiert haben. Nur an Gymnasien konnten Eltern demnach wirklich sicher sein, dass ihre Kinder im Fach Mathematik auch von Mathematiklehrern unterrichtet wurden. „Die Fachlehrerversorgung ist ein wichtiges Thema“, sagt Dorgerloh.

Es gibt allerdings noch weitere drängende Themen. Wie alle Bildungsstudien und -rankings belegt auch der bundesweite Schulleistungsvergleich, die hohe Abhängigkeit des Schulerfolgs von der sozialen Herkunft. Im internationalen Vergleich ist sie in kaum einem anderen Land ausgeprägter als in Deutschland. Schüler aus sozial besser gestellten Familien erreichen in Mathematik im Durchschnitt 82 Punkte mehr als ihre Mitschüler aus sozial schwachen Familien.

Das entspricht einem Leistungsvorsprung von von fast drei Schuljahren.