Sebastian Jacob verkauft das Bier "Quartiermeister" und unterstützt mit den Erträgen soziale Projekte in Neukölln: Der Kiezverbesserer
Nordneukölln ist eine Gegend, in der manche Menschen ihre Probleme mit Alkohol lösen. Zwei oder drei Bier in einer verrauchten Eckkneipe, schon verflüchtigen sich die Sorgen. Doch nach dem Ausnüchtern folgt oft die Ernüchterung: Der Rausch ist weg, das Geld genauso - und der Kiez ist immer noch so grau und trostlos wie zuvor.Der 30-jährige Wahlneuköllner Sebastian Jacob will diesen Kreislauf durchbrechen und durch einen anderen ersetzen - einen, der den Leuten auf der Straße weiterhilft. Sein Plan ist, das Trinkverhalten seiner Nachbarn für das Gemeinwohl zu nutzen: Die Gewinne aus dem Verkauf seines Biers "Quartiermeister" sollen komplett in soziale Projekte im Neuköllner Kiez fließen.Noch steckt das Unternehmen in den Kinderschuhen, Jacob liefert sein Bier mit dem Fahrrad aus. Er hat einen Anhänger angeschraubt, auf den die Kästen gestapelt werden. Laut klirrend radelt Jacob über das Kopfsteinpflaster im Reuterkiez, um das Bier für den Kiez an den Mann zu bringen.Bier mit sozialem MehrwertDie Idee für "Quartiermeister" kam dem leidenschaftlichen Kneipengänger beim Lernen für das Jura-Examen. Die günstigen Mieten und die kulturelle Vielfalt hatten ihn nach Neukölln gelockt, er fühlte sich auf Anhieb wohl: "Die Leute sind hier nicht so aufgesetzt, jeder hat ausreichend Platz zum Entfalten", sagt er. Er habe seinem Viertel etwas zurückgeben wollen. Um die nötigen Mittel zu erwirtschaften, verfiel er auf den Gerstensaft: "Was auch passiert, Bier trinken die Leute immer", spricht Jacob eine elementare Weisheit des Lebens aus.Jacob ging Klinken putzen, tingelte durch die Kneipen Neuköllns. Sein Angebot an die Wirte: Ein solides Bier zum fairen Preis - inklusive sozialem Mehrwert. "Die großen Bierkonzerne machen gewaltige Gewinne, die Menschen sehen nichts davon", bemängelt er. "Ich will einen lokalen Konsumkreislauf schaffen: Ich biete ein Produkt aus dem Kiez für den Kiez an, und die Erträge gehen an die Leute zurück."Die Reaktion der Kneipenwirte war positiv. Antje Borchardt, die Inhaberin des "Freies Neukölln" an der Weser-/Ecke Pannierstraße, sagt: "Ich war ohnehin auf der Suche nach einem neuen Flaschenbier. Becks war mir zu banal, Schult- heiss passte weder geschmacklich noch vom Image." Das "Freies Neukölln" ist eine von acht Gaststätten in Neukölln, Kreuzberg und Friedrichshain, in denen "Quartiermeister" derzeit erhältlich ist. Weitere sollen in Kürze folgen.Nicht ganz einfach war für Jacob die Suche nach dem passenden Bier, um der Idee auch geschmacklich genügend Substanz zu verleihen. In Berlin fand er keine geeignete Sorte. "Die Berliner Marken gehören alle zu Großbrauereien, wir aber leben von unserer Glaubwürdigkeit", sagt er. Nach einem ausgiebigen Probetrinken im Freundeskreis fiel die Wahl auf das Pils "Garley Premium" aus einer Privatbrauerei im anhaltinischen Gardelegen.Maximilian Hösl ist Geschäftsführer vom "Garley Traditionsbrauhaus", in dem das Pils hergestellt wird. "Eine feine Sache" sei die Idee von Jacob - und da sie einem guten Zweck diene, habe er ihm einen Rabatt von 15 Prozent eingeräumt. Zunächst seien nur zwei Paletten ausgeliefert worden, aber Jacob habe bald nachbestellt: "Die Sache ist besser angelaufen, als wir erwartet hatten", sagt Hösl.Drei Euro für den guten ZweckSieben Euro zahlt Jacob für einen Kasten "Quartiermeister", für zehn Euro verkauft er ihn an die Wirte weiter. Macht drei Euro für den guten Zweck - pro Kasten. Dabei wandert nicht ein Cent der Erträge in die Tasche von Jacob: Er verdient seine Brötchen als Rechtsreferendar. "Die Sache macht mir Spaß, die Leute unterstützen mich", sagt er, "das ist mir im Moment Lohn genug."Die ersten Projekte, die mit den Einnahmen von "Quartiermeister" gefördert werden, stehen bereits fest: Dazu gehören der Sportklub NFC Rot-Weiß, die Initiative "Neuköllner Talente" und der Verein "Bildung ohne Grenzen". Auf der eigens angelegten Internetseite dokumentiert Jacob die Verwendung der Gelder; dort können auch neue Projekte vorgeschlagen werden. "Ich will, dass die Konsumenten selbst bestimmen, wohin das Geld geht - und selbst kontrollieren, ob es sinnvoll eingesetzt wird", sagt er. Ab einer Menge von zehn Kästen kann "Quartiermeister" sogar über das Internet bestellt werden. Damit man nicht mal mehr aus dem Haus gehen muss, um für den guten Zweck zu zechen.Weitere Informationen: www.quartiermeister.org------------------------------Foto: Handarbeit: Der 30-jährige Neuköllner Sebastian Jacob liefert sein Bier "Quartiermeister" persönlich mit dem Fahrrad aus, wie hier vor dem "Freies Neukölln". Mit dem Gewinn hilft Jacob Vereinen und Initiativen im heimischen Reuterkiez.