Sebastian Urbanski hat Pablo Pineda, einen Schauspieler mit Downsyndrom, synchronisiert: Die besondere Stimme
Hermes steht auf einem wackligen Turm und fängt Friedenstauben mit seinem Kescher. Gerade hat der Götterbote einen Satz zu sagen, in dem das Wort "reden" mindestens zehn Mal auftaucht. Es ist ein Schachtelsatz, der volle Konzentration erfordert - beim Schauspieler und beim Zuhörer. Hermes beendet den Bandwurmsatz, ohne sich zu verheddern.Doch die Regisseurin des Theaterstücks "Der Frieden" ist noch nicht ganz zufrieden. Sie bittet den Schauspieler, sich hinzustellen beim Sprechen. Sie weiß, dass der schmächtige Mann auf dem Turm Höhen normalerweise meidet, dass es ihn Überwindung kosten wird, ihre Regieanweisung zu befolgen. Er traut sich, wiederholt den Text - kraftvoll, und er setzt die Pausen jetzt an den richtigen Stellen. "Die philosophischen Texte liegen Sebastian besonders", sagt Gisela Höhne, die Regisseurin des Stücks.Die Komödie von Aristophanes ist das neueste Projekt des Hermes-Darstellers Sebastian Urbanski. Zum 20-jährigen Jubiläum der Berliner Kulturwerkstatt Sonnenuhr und ihres Theaters für Behinderte, Ramba Zamba, hat es Premiere. Urbanskis letzte Premiere liegt erst ein paar Tage zurück. Als der spanische Film "Me too - Wer will schon normal sein?" in der vergangenen Woche in Berlin vorgestellt wurde, gehörte er als Synchronsprecher des Hauptdarstellers Pablo Pineda zu den wichtigsten Gästen. Er schwärmt von dem Abend in Berlin, vom roten Teppich, von den vielen wichtigen Filmleuten. Vor allem aber von der Schauspielerin Lola Dueñas. Im Film ist sie die Freundin von Pablo Pineda, einem jungen Mann mit Downsyndrom - und Universitätsabschluss. Eine Liebesromanze entwickelt sich zwischen den beiden. Am Premierenabend war Laura irgendwie auch Sebastians Freundin.Was ihn sonst mit Daniel, wie Pablo Pineda im Film heißt, verbindet? "Der ist fast so wie ich", sagt der junge Mann. "Er hat einen eigenen Kopf. Er steckt sich hohe Ziele. Das mach ich auch. Und er hat das Downsyndrom - wie ich." Die Reihenfolge in der Aufzählung hat er nicht zufällig gewählt. Der 32-Jährige will nicht in erster Linie als Mensch mit einer angeborenen Chromosomenanomalie wahrgenommen werden. Doch den Auftrag, als Synchronsprecher zu arbeiten, hat er genau deshalb bekommen. In dem Film "Me too" erklärt der Hauptdarsteller Daniel die anatomischen Besonderheiten von Menschen mit Downsyndrom. Er erklärt auch, warum die Aussprache und die Stimme anders sind als bei den sogenannten normalen Menschen. Bei unserer Begegnung scheint Urbanski dieses Wissen auszublenden. Er sagt nur: "Jeder Mensch hat doch eine besondere Stimme."Viel wichtiger ist ihm, über die Arbeit bei der Berliner Synchron AG zu sprechen. Zwei Wochen dauerte die, und er fand es toll, in den Räumen zu arbeiten, in denen Filme wie "Knight and Day", "Ice Age", "Shrek" und "Up in the Air" synchronisiert wurden und Christoph Waltz seinen deutschen Text für "Inglourious Basterds" sprach.Seine Stimme kann Sebastian Urbanski jetzt im Kino hören. Zweimal hat er den Film schon angeschaut. Einmal bei der Premiere, ein zweites Mal mit seinen Eltern. Überhaupt die Eltern. Als ihnen die Ärzte nach Sebastians Geburt rieten, den Jungen in ein Heim zu stecken, weil da nicht viel zu machen sei, taten sie es nicht. Stattdessen beobachteten sie, was ihren Sohn besonders interessiert. Sie hätten ihn an die Kunst herangeführt, erzählt er. Und irgendwann hätten sie es wohl auch nicht mehr ausgehalten, dass er ihnen zu Hause immer etwas vorspielte. Heute muss er darüber lachen. "Sie haben eine Theatergruppe für mich gefunden. Und seit acht Jahren bin ich bei Ramba Zamba."Ein Schauspieler ist Sebastian Urbanski geworden, der jeden Tag auf der Bühne steht. Und nicht Pizzabäcker oder Straßenbahnfahrer, was er auch mal werden wollte. Bei den Bäckern gefällt ihm, wie sie den Teig durch die Luft wirbeln, und den ganzen Tag durch die Stadt zu fahren, findet er auch spannend. Trotzdem sei es besser, Schauspieler zu sein. Er zieht sein T-Shirt zurecht. Das Wort Hollywood hat gerade so Platz auf seiner Brust. "Ich will ein Filmschauspieler sein", erklärt er noch einmal. Und nach einer Weile: "Ich will die Zukunft erleben. Wie die Welt in hundert Jahren ist. Deswegen lerne ich Klavierspielen und Englisch. Ich will vorbereitet sein." Er sagt das sehr deutlich und ist jetzt ganz wie der Daniel in dem Film.------------------------------Walter, Bobby und Martin"Unser Walter" hieß eine ZDF-Serie in den 70er-Jahren. Sie schildert den schwierigen Weg eines Kindes mit Downsyndrom bis zum 21. Lebensjahr.In dem Vierteiler "Liebe und weitere Katastrophen" war Bobby Brederlow - ein Schauspieler mit Downsyndrom - der Sohn von Senta Berger.In der "Lindenstraße" spielt Jan Dominik Grünig den Martin Ziegler, der das Downsyndrom hat. Für den Umgang mit dem Thema erhielt die Serie einen Preis.------------------------------Foto: Ein Profi beim Film und auf der Bühne: Sebastian Urbanski bei den Proben zu dem Theaterstück "Der Frieden".