Seit 1945 verschollen geglaubtes Gemälde von Peter Rittig an Potsdamer Stiftung übergeben: "Christus und Thomas" wieder im Waisenhaus

POTSDAM. Das Gemälde "Christus und Thomas" zierte einst die Kapelle im früheren Militär-Waisenhaus in Potsdam. Peter Rittig hatte es 1839 nach dem Bibelvers "Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben" in Öl gemalt. Seit 1945 galt es als verschollen. Im Mai diesen Jahres erkannten gebürtige Potsdamer, die im evangelischen Bürgerstift leben, das Bild im dortigen Kirchsaal. Am Mittwoch ging das zwei mal drei Meter große religiöse Gemälde in den Besitz der Stiftung "Großes Waisenhaus zu Potsdam" zurück.Rettung unter LebensgefahrWie das Gemälde ins Altenpflegeheim gelangte, kann Dietmar Beuchel, der langjährige Kuratoriumsvorsitzende des Heimes, nicht nachvollziehen. Gebracht hatte es irgendwann der 1978 verstorbenen Kaufmann Emil Lukas. "Entweder war es in einem Bunker der Witterung ausgesetzt oder in einem Beutedepot der Besatzungsmacht zum Abtransport bereit gestellt", sagte der Pfarrer im Ruhestand. Auf jeden Fall hing es bereits 1956 im Kirchsaal des Heimes, als die heute weit über 80-jährige Schwester Irmgard Gaulke die Leitung übernahm.Man kann laut Beuchel dem Potsdamer Lukas nicht genug danken, dass er - wohl unter Lebensgefahr - so wertvolles Kulturgut gerettet hat. Denn die meisten Gemälde des Genre- und Historienmalers Peter Rittig, der zur Nazarenerschule gehörte, sind verschollen. Ein Werk des 1789 in Koblenz geborenen und 1840 in Rom gestorbenen Künstlers hängt im Deutschen National Museum Nürnberg. Einige sollen sich noch in Privatbesitz befinden.Mit Freude nahm der Geschäftsführer der Stiftung "Großes Waisenhaus zu Potsdam", Jürgen Pankonin, das Gemälde "Christus und Thomas" entgegen. Er will jetzt kurzfristig Sponsoren und Fördermittel auftreiben, um das beschädigte Werk restaurieren zu lassen.Später soll es einmal den Friedenssaal im einstigen großen Militär-Waisenhaus schmücken. Der 14 000 Quadratmeter große denkmalgeschützte Komplex zwischen Breite-, Dortu-, Sporn- und Lindenstraße wird gegenwärtig rekonstruiert. Heute größter Jugendhilfeträger"Wir haben als Stiftung 40 Jahre nicht arbeiten können", sagte Pankonin. "1992 fingen wir mit Nichts an, heute sind wir der größte Jugendhilfeträger des Landes." Damit setzt sich eine preußische Tradition fort. 1724 gründete Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. die Stiftung "Dero Waysenhauß in Potsdam", um Waisen- und Soldatenkindern Unterkunft und zeitgemäße Bildung zu geben, die Jungen aber auch auf den Militärdienst vorzubereiten. 1952 in der DDR unrechtmäßig aufgelöst und enteignet rief die Landesregierung die Stiftung 1992 wieder ins Leben. Sie kümmert sich weiterhin um die Betreuung, Erziehung und Ausbildung elternloser und benachteiligter Kinder und Jugendlicher. Die zehn Einrichtungen in Brandenburg und eine in Sachsen-Anhalt arbeiten nach verschiedenen Modellen - vom betreuten Jugendwohnen über familienorientierte Gruppen bis hin zur Unterbringung mit psychologisch-therapeutischer Betreuung. Rund 500 Kinder und Jugendliche leben in ihnen. "Unser Ziel ist die Erziehung der jungen Menschen zu Weltoffenheit, Toleranz und Verantwortungsbewusstsein", sagte Pankonin.Nazarenerschule // Die Nazarenerschule ist 1809 hervorgegangen aus einer Gruppe deutscher Maler. Die Künstler gingen 1810 nach Rom.Ihren Namen bekam sie vom Volksmund. Die Bevölkerung nannte die Maler "Nazarener", weil ihre lange Haartracht an das überlieferte Christus-Bild erinnerte. Die Künstler führten ein streng mönchisches Leben im Franziskanerkloster Sant Isidoro.Vorbild der Nazarenerschule war Raffael, der Schöpfer der Sixtinischen Madonna. Die Maler lösten sich bewusst von Barock und Klassizismus. Sie wandten sich der Romantik zu, die in Rückbesinnung auf das Mittelalter auf die Einheit von Kunst und Religion setzte.Der Maler Peter Rittig schloss sich ihnen 1816 an und blieb bis zum Lebensende in Rom. Er genoss großes künstlerisches Ansehen.BERLINER ZEITUNG/KARL MITTENZWEI Zwei mal drei Meter groß ist das Bild "Christus und Thomas", das starke Männer ins Waisenhaus zurückbrachten.