Seltsam unentschieden: Julia Jäger in "Zeit der Rache": Von der Stasi verseucht

Wenn ein Thriller "Zeit der Rache" heißt, dann scheinen die Rollen klar verteilt. Ein Opfer will endlich Vergeltung von den Tätern. Doch der Film ist subtiler als sein Titel. Denn die Journalistin Katja (Julia Jäger) will Klarheit. Sie recherchiert, ob ihr verstorbener Vater, ein DDR-Oppositioneller, tatsächlich von der Stasi mit krebserregenden Strahlen verseucht wurde. In der Realität konnte dieser Verdacht nie bewiesen werden, obwohl prominente DDR-Kritiker wie Rudolf Bahro, Jürgen Fuchs und Gerulf Pannach, die allesamt monatelang in Stasi-Haft waren, später früh an seltenen Krebsarten starben. Zunächst bleibt "Zeit der Rache" noch in den Bahnen jener schlichten Stasi-Thriller, die in den ersten Jahren nach der Wende gedreht wurden. Die tapfere Journalistin tritt allein gegen finstere Stasi-Schergen an. Die stehen mittlerweile im Dienste der Kripo und kriminalisieren weiterhin frühere Bürgerrechtler wie den stets verschreckten Bücherhändler (Hans Uwe Bauer), einen Freund von Katjas Vater. Dass "Zeit der Rache" hier nicht langweilt, liegt vor allem an Julia Jäger, die die Wandlung ihrer Figur glaubwürdig macht. Katja ist zunächst nicht die verbissene Stasi-Jägerin, sondern eine skeptisch-rationale Frau, der die Stasi-Phobie ihres Vaters suspekt war, ihn aber wenigstens nach seinem Tod noch ein wenig verstehen lernen will.Dennoch zeigt Regisseur Friedemann Fromm, der jüngst mit den Senta-Berger-Krimis "Unter Verdacht" auffiel, nicht viel mehr als routiniertes Handwerk. Der Osten bleibt nur eine triste Thriller-Kulisse, überall blättert der Putz von den Hauserwänden, als spielte "Zeit der Rache" kurz nach der Wende. Dass aber 13 Jahre seit der offiziellen Auflösung der DDR-Staatssicherheit vergangen sind und man auf dieses Erbe mit Distanz zurückblicken kann, zeigt die zweite Hälfte des Thrillers. Journalistin Katja hat, dank einiger arg konstruierter Zufälle, herausgefunden, unter welchem Namen der damals verantwortliche Stasi-General nun lebt. Sie schleicht sich als Haushälterin in die Ostsee-Villa des Generals (Jürgen Hentsch) ein.Das Psycho-Duell zwischen Julia Jäger und Jürgen Hentsch besitzt einige Spannung. Denn der General ist eine ambivalente Figur. Als schwer behinderter Mann im Rollstuhl erweckt er Mitleid. Er gibt sich mal väterlich, mal autoritär, parliert mit der vermeintlichen Haushälterin über Lyrik, lässt aber nicht erkennen, ob er deren wahre Identität kennt. Geschickt schieben die Autoren Nobert Eberlein und Theo Regnier die Frage nach der Verstrahlung von Regimekritikern beiseite, um die Konzentration aufs Wesentliche zu lenken - den autoritären Charakter des DDR-Regimes. Doch während man noch überlegt, wie sich Katja gegenüber diesem Mann verhalten soll, welchen Sinn eine Rache überhaupt hätte, gleitet der Krimi in die schlichten Thriller-Bahnen zurück und verschont die Heldin und den Zuschauer vor weiteren Konsequenzen. Das ist leider ziemlich inkonsequent. Zeit der Rache, 20.30 Uhr, ARDOb DDR-Oppositionelle wirklich mit Krebserregern bestrahlt wurden, konnte bislang nicht bewiesen werden.WDR/GORDON MÜHLE Psycho-Duell: der ehemalige Stasi-General (Jürgen Hentsch) und die Journalistin (Julia Jäger).