Sicherheitsexperte hält Fotos nur für Indizien: Satellitenfotos sollen russischen Beschuss der Ukraine zeigen
Die USA beschuldigen seit Tagen Russland, es habe über die ukrainische Grenze hinweg mit schweren Waffen in die Kämpfe im Nachbarland eingegriffen. Am Sonntag legte das Außenministerium in Washington nun vier Fotos vor, die diesen Vorwurf belegen sollen. Zu sehen seien Geschütze und Abschussrampen sowie Einschlagkrater, die auf einen mehrfachen Beschuss mit Artillerie in der vergangenen Woche hindeuteten, erklärte die US-Regierung.
Was die Fotos beweisen, was sie nahelegen und was sie entgegen den Interpretationen der US-Regierung nicht belegen – darüber gehen die Ansichten weit auseinander. Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (Bits) rät, die Bilder nicht überzubewerten. „Die Fotos sind Indizien, aber man sollte aus ihnen allein keine Tatsachenbehauptungen ableiten“, sagte er der Berliner Zeitung.
Fotos von kommerzieller Firma
Nassauer geht davon aus, dass die USA über noch weit detailliertere Informationen über die Kämpfe verfügen als jene, die sie am Sonntag präsentierten. „Wir sehen ja nicht etwa Aufnahmen von Geheimdienstsatelliten, sondern Fotos von Digital Globe, einer kommerziellen Firma. Die US-Regierung will sich auch diesmal nicht in die Karten gucken lassen, was ihre eigenen Satelliten können“, merkt er an.
Eines der veröffentlichten Bilder zeigt nach US-Angaben den Beschuss einer ukrainischen Militäreinheit durch Raketenwerfer, die ebenfalls auf ukrainischem Gebiet stationiert sind. Dieser Vorgang – sollten die Angaben zutreffen – belegt, was von niemandem bestritten wird: Die Separatisten setzten schwere Waffen ein. Dass die Waffen von Russland geliefert worden seien, wie es das US-Außenministerium darstellt, belegen die Bilder nicht, wie Nassauer anmerkt: „Dafür müsste man Beweise haben, dass sie nicht aus ukrainischen Armeebeständen erbeutet oder den Rebellen von Überläufern aus der ukrainischen Armee mitgebracht worden sind.“ Man könne ja auf den Bildern nicht erkennen, ob die Waffen russische oder ukrainische Kennzeichen tragen.
Fotos könne keine Prozesse festhalten
Die anderen drei Fotos indes zeigen nach Darstellung der US-Regierung, dass auch russische Truppen auf ukrainisches Militär gefeuert haben. Das wäre ein Fall von offener Aggression, ein klarer Bruch des Völkerrechts. Zu sehen seien mehrere Raketenwerfer und etliche Haubitzen auf der russischen sowie Einschlagkrater auf der ukrainischen Seite der Grenze, heißt es in Washington. Sie belegten, dass die russische Armee das Nachbarland beschossen habe.
Nassauer ist vorsichtiger: „Wir sehen eine vermutlich russische Artillerieeinheit in einer Position, aus der sie auf die Ukraine feuern kann. Wir sehen ein Feld, auf dem wahrscheinlich kürzlich Raketenwerfer abgefeuert wurden. Wir sehen Einschlagorte in der Ukraine, die von solchen Waffen getroffen worden sein könnten. Dass aber tatsächlich von Russland in die Ukraine geschossen wurde, bleibt trotzdem eine Behauptung, für die es Indizien gibt, aber keinen Beweis.“ Das liege in der Natur der Sache. „Fotos können keine Prozesse festhalten. Sie sind immer Momentaufnahmen.“
Nassauers Fazit lautet daher: „Alles kann so gewesen sein, wie es das US-Außenministerium darstellt. Einen zwingenden Beweis aber kann ich nicht erkennen.“